Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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ist es begreiflich, daß diejenigen, welche an den von den verbündeten 
Regierungen ins Auge gefaßten Steuerprojekten keinen Gefallen 
finden, die andererseits aber auch nicht die Verantwortung für 
eine Neubelastung der Einzelstaaten im Wege der Matrikular= 
leistungen übernehmen mögen, ihrerseits anderweitige Vorschläge 
zur Aufbringung der erforderlichen Mittel machen. Daß die 
Aufgabe dadurch vereinfacht werde, wird man nicht sagen können: 
und da dieselbe an sich schon verwickelt genug ist, so dürfte es 
angebracht sein, sich mit aussichtslosen Vorschlägen, die aber mehr 
oder weniger Verwirrung anzurichten geeignet sind, auseinander= 
zusetzen. Dahin gehört in erster Linie der jetzt vielfach wieder 
auftauchende Gedanke einer Reichseinkommensteuer. Gewiß würde 
für die Reichsfinanzwirtschaft die Einführung einer Einkommen= 
steuer ein Gewinn sein; mit ihr wäre auch, wenn man sie 
quotisierte, der bewegliche Faktor in den Einnahmen gegeben, 
dessen Herstellung bei einer durchgreifenden Finanzreform einige 
Schwierigkeiten bereitet.  .  . Allein, die Reichseinkommensteuer 
würde, wie dies seitens Bayerns in der dortigen Abgeordneten= 
kammer vor kurzem offen erklärt worden ist, bei vielen Bundes= 
staaten auf den stärksten Widerstand stoßen. Zunächst sind es 
Gründe der partikularen Selbständigkeit, welche den letzteren 
prinzipielle Abneigung gegen die Einführung dieser Steuer im 
Reiche einflößen; denn es ist klar, daß dieselbe ohne eine tief= 
greifende Einmischung der Verwaltung des Reiches in diejenigen 
der Einzelstaaten nicht durchführbar wäre. Selbst wenn man 
die Veranlagung und Erhebung der Steuer den Einzelstaaten 
überlassen wollte, so würde das Reich zum mindesten die Aus= 
übung einer sehr eindringenden und umfassenden Aufsicht bean= 
spruchen müssen. Sodann würde die Disharmonie zwischen der 
Steuergesetzgebung des Reiches und derjenigen der Einzelstaaten 
zu großen Unzuträglichkeiten führen, wenigstens in den Staaten, 
welche eine Einkommensteuer besitzen, und ganz besonders in denen, 
in welchen, wie z. B. in Baden, neben einer Personaleinkommen= 
steuer noch Realertragsteuern bestehen. Zwei verschiedene Ein= 
kommensteuerkataster neben einander zu haben, würde auf die
	        
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