Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

G. 118.) 
Zu einer endgültigen Entscheidung hierüber ist es bis jetzt nicht gekommen.! Bei der 
Revision der oktroyierten Verfassungsurkunde v. 5. Dez. 1848 ist die Frage zwar nicht 
unberührt geblieben, jedoch nicht entschieden worden 2; es hat sich indes auch kein Wider- 
spruch gegen die Zulässigkeit der Zwischenverhandlungen erhoben, und da dies im Prinzip# 
auch nicht bei der über die Frage stattgefundenen Beratung im Herrenhause geschehen ist, 
so darf angenommen werden, daß auch das letztere über die Zulassung an sich kein Be- 
denken gehabt hat.3 Dies wird auch für richtig zu erachten und anzunehmen sein, daß 
die Zulassung solcher Zwischenverhandlungen, welche die Verfassungsurkunde nicht ver- 
bietet, in keiner Weise verfassungswidrig ist. Nur versteht sich von selbst, daß das 
Herrenhaus, nachdem es von dem ihm allein zustehenden Rechte, den Staatshaushalts- 
etat, wie solcher von dem Abgeordnetenhause beschlossen worden ist, im ganzen abzu- 
lehnen, einmal Gebrauch gemacht hat, nun nicht noch nachträglich berechtigt sein kann, 
in anderweitige Verhandlungen über den Etat mit dem Abgeordnetenhause einzutreten. 
3. Indem der Art. 99 der Verfassungsurkunde vorschreibt, daß alle Einnahmen 
und Ausgaben des Staates für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den 
Staatshaushaltsetat gebracht werden müssen, welcher jährlich durch ein Gesetz fest- 
zustellen ist, spricht er aus, daß in Preußen der Grundsatz der einjährigen Finanz- 
periode Geltung haben soll. Hiermit steht die Bestimmung des Art. 76 der Ver- 
fassungsurkunde in Zusammenhang, wonach die Kammern regelmäßig in jedem Jahre 
einberufen werden müssen. Es folgt hieraus, daß das Gesetz über den Staats- 
haushalt in jedem Jahre neu zwischen den Faktoren der Gesetzgebung vereinbart 
werden muß, daß es nicht zulässig ist, das Budget für einen längeren Zeitraum 
als den des nächstfolgenden Jahres im voraus festzustellen. Ebenso ergibt sich aus der 
Bestimmung des Art. 99, daß der Staatshaushaltsetat für jedes Jahr als ein einheit- 
liches Ganzes durch ein einziges Gesetz festgestellt werden muß. Denn die Vor- 
100 Die Gesetzgebung. 
schrift, 
Staatshaushaltsetat gebracht werden müsssen, 
daß alle Einnahmen und Ausgaben des Staates für jedes Jahr auf den 
schließt jede Zerstückelung des 
letzteren, möge sie die ordentlichen oder die außerordentlichen Ausgaben betreffen, als 
unstatthaft aus. 
Nur in dem Falle kann eine Ausnahme hiervon für zulässig er- 
  
1 Die Frage ist zum ersten Male dadurch zur 
Sprache gekommen, daß bei der Beratung im H. H. 
über den Staatshaushaltsetat des Jahres 1862 
in der Kommission der Antrag gestellt und an- 
genommen worden war, „das von dem A. H. 
festgestellte Budget diesem letzteren vor der defini- 
tiven Beschlußfassung des H. H. zum Zwecke 
nochmaliger Erwägung darüber zurückzusenden, 
ob die im H. H. gegen die Annahme des Budgets 
bestehenden Bedenken beseitigt werden können 
und durch nähere Aufklärung über gewisse (be- 
sonders bezeichnete) Beschlüsse des A. H. das H. H. 
in den Stand zu setzen, über die Annahme oder 
Verwerfung des Etats in vollständiger Kenntnis 
der Sachlage zu beschließen“ (vgl. den Komm. 
Ber. v. 7. Okt. 1862 in den Stenogr. Ber. des 
H. H. 1862, Anl. Bd., Aktenst. Nr. 31, S. 200). 
Dieser Antrag wurde indes im Plenum des H. H. 
abgelehnt und statt dessen der von dem A. H. 
festgestellte Etat ohne weitere Zwischenverhandlung 
verworfen (vgl. Stenogr. Ber. des H. H. 1862, 
Bd. II, Sitz. v. 11. Okt. 1862, S. 217— 218). 
2 In der 2. K. ist die Frage gar nicht zur 
Erörterung gelangt; wohl aber ist sie in der 
1. K. berührt, wenn auch nicht zum Austrag 
gebracht worden. In dem Schlußberichte des 
Zentralausschusses der 1. K. (über die Proposi- 
tion VII der königl. Botschaft v. 7. Jan. 1850) 
wird nämlich bemerkt, wie es in der Beratung des- 
selben hervorgehoben worden, daß es wünschens- 
  
wert sei, daß, nachdem das A. H. den Staats- 
haushalt im Detail geprüft, die 1. K. sich auch 
auf das Große und Ganze zu beschränken und 
nur zu prüfen habe, ob etwas Großes übersehen, 
oder ein wichtiges Prinzip verletzt sei, was die- 
selbe aber nicht hindere, Dinge von Erheblichkeit 
zu rügen, da ihr freistehe, das Budget mit 
den Gründen der eventuellen Aunahme 
zurückzuschicken, welche dann ihre Erledigung 
finden und zu einer Vereinigung beider Kam- 
mern führen könnten“ (vgl. Stenogr. Ber. der 
1. K. 1849—50, Bd. V, S. 2407). Bei der 
Beratung im Plenum der 1. K. sprach sich der 
Abgeordn. Kühne in demselben Sinne aus, in- 
dem er es für vollkommen zulässig erachtete, 
„daß die 1. K. die einzelnen Positionen, derent- 
wegen sie dem Etat nicht zustimmen könne, her- 
vorhebe und damit den Etat an die 2. K. zurück- 
sende, wo dann diese letztere darüber zu bestim- 
men habe, ob sie diesen Bemerkungen nachgeben 
wolle, und dann den Etat wieder an die 1. K. 
gelangen lasse, welche ihn dann zu erledigen 
habe“ (vgl. a. a. O., S. 2386). 
8 In diesem Sinne haben sich bei der Be- 
ratung auch die meisten Redner (insbesondere 
Hasselbach und der Berichterstatter Brügge- 
mann) ausgesprochen (vgl. Stenogr. Ber. des 
H. H. über die 21. u. 22. Sitz. v. 10. u. 11. Okt. 
1862). Dieser Ansicht ist auch v. Schulze, 
Pr. St. R., Bd. II, S. 53.
	        
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