Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

48 Die Gesetzgebung. (§. 115.) 
durch die Gesetzsammlung, sondern nur durch die Amtsblätter erfolgt (§. 1 des Gesetzes v. 
10. April 1872), der Zeitpunkt nicht bestimmt ist, mit welchem derselbe in Kraft treten 
soll, beginnt dessen Wirksamkeit mit dem achten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages, 
an welchem das betreffende Stück des Blattes, welches den Erlaß verkündet, ausgegeben 
worden ist. 1 
Der Tag, an welchem ein Stück der Gesetzsammlung in Berlin ausgegeben 
worden ist, findet sich am Fuße jedes Stückes angegeben. 
Soll der Zeitpunkt des Beginnes der Gesetzeskraft des verkündeten Gesetzes oder 
Erlasses ein anderer, ein späterer oder früherer Termin sein, so muß dies in dem Ge- 
setze oder Erlasse ausdrücklich festgesetzt werden. Wird ein früherer Zeitpunkt festgesetzt, 
so wird hierdurch dem Gesetze rückwirkende Kraft beigelegt. Die Gesetzgebung nimmt 
als Regel an, „daß neuen Gesetzen keine rückwirkende Kraft beizulegen, und daß wohl- 
erworbene Rechte durch neue Gesetze nicht berührt werden“.2 Indes soll nach §. 15 der Ein- 
leitung zum Allgemeinen Landrecht die authentische Deklaration nicht unter diese Regel fallen. 
Betreffs „wohlerworbener Rechte“ kann alsdann eine Ausnahme eintreten, wenn die Be- 
dingungen vorliegen, welche ausnahmsweise die Aufhebung eines solchen Rechtes recht- 
fertigen. Die Grundsätze der Gesetzgebungspolitik über die rückwirkende Kraft der Ge- 
setze haben für das öffentliche Recht insofern nur eine eingeschränkte Bedeutung, als 
die Absicht des Gesetzgebers in diesem Bereich in der Regel dahin gerichtet ist, an die 
Stelle des in der fraglichen Beziehung bisher bestehenden öffentlichen Rechtes und des 
darauf gegründeten öffentlichen Rechtszustandes einen anderweitigen Rechtszustand zu setzen, 
wobei allerdings die bis dahin wohlerworbenen Privatrechte dritter Personen geschützt 
werden können. 
) Auch für diejenigen, welche schon früher von dem Gesetze Kenntnis erhalten 
haben, beginnt die Verbindlichkeit 3 erst mit dem zu 8 gedachten Zeitpunkte." 
  
1873—74, Bd. II, Aktenst. Nr. 6, S. 2 ff., den 
Ber. der Just. Komm. des H. H. v. 13. Dez. 
1873, ebenda Aktenst. Nr. 23, S. 114—115, und 
die Verhandl. darüber in der Sitz. des H. H. v. 
16. Dez. 1873, ebenda Bd. I, S. 16—17, ferner 
die Verhandl. im A. H. in den Sitz. v. 27. u. 
29. Jan. 1874 (Stenogr. Ber. 1873—74, Bd. I, 
S. 830 u. 896) und die Verhandl. im H. H. in 
der Sitz. v. 10. Febr. 1874 (Stenogr. Ber. 1873 
—74, Bd. I, S. 64—65). §. 1, Abs. 2 des Ges. 
v. 16. Febr. 1874 hat die entgegenstehenden Be- 
stimmungen des Ges. v. 3. April 1846 und der 
Verordn. v. 1. Dez. 1866 u. v. 29. Jan. 1876 
aufgehoben, §. 2 bestimmt, daß dasselbe mit dem 
1. März 1874 in Kraft tritt. Für die Frage 
des Beginnes der verbindlichen Kraft der vor 
dem 1. März 1874 durch die Gesetzsammlung 
verkündeten Erlasse vgl. die Bestimmungen des 
§. 2 des Ges. v. 3. April 1846, bzw. des 8. 2 
der Verordn. v. 1. Dez. 1866 u. des §. 2 der 
Verordn. v. 29. Jan. 1867. Nach diesen be- 
ginnt die Gesetzeskraft der verkündeten Erlasse, 
wenn nicht in dem betr. Erlasse ein anderer Zeit- 
punkt festgesetzt ist: a) in dem Reg. Bez. Pots- 
dam mit Berlin mit dem achten Tage, b) in den 
Reg. Bez. Frankfurt, Stettin, Magdeburg und 
Merseburg mit dem neunten Tage, c) in den 
Reg. Bez. Stralsund, Köslin, Posen, Breslau, 
Liegnitz und Erfurt mit dem elften Tage, d) in 
den Reg. Bez. Marienwerder, Bromberg, Oppeln 
und Minden mit dem zwölften Tage, e) in den 
Reg. Bez. Danzig, Münster und Arnsberg mit 
dem dreizehnten Tage, 1) in den Reg. Bez. 
Königsberg und Gumbinnen, sowie in der Rhein- 
provinz mit dem vierzehnten Tage, 9) in den 
  
durch das Ges. v. 20. Sept. 1866 der preuß. 
Monarchie einverleibten Landesteilen (Hannover, 
Kurhessen, Nassau und Frankfurt a. M.), sowie in 
den durch die Ges. v. 24. Dez. 1866 der preuß. 
Monarchie einverleibten Landesteilen (Schleswig- 
Holstein und den vormals bayerischen und hessi- 
schen Gebietsteilen) mit dem zwölften Tage nach 
dem Ablaufe desjenigen Tages, an welchem das 
betr. Stück der Gesetzsammlung in Berlin aus- 
gegeben worden ist. Die Hohenzollernschen Lande 
sollen in dieser Beziehung als zur Rheinprovinz 
gehörig betrachtet werden (Allerh. Erl. v. 19. Sept. 
1852, G. S. 1852, S. 588). Für die Jade- 
gebiete beginnt die Gesetzeskraft der für dieselben. 
erlassenen Gesetze und Verordnungen gleichfalls 
mit dem vierzehnten Tage von dem Ablaufe des- 
jenigen Tages, an welchem das betr. Stück der 
Gesetzsammlung in Berlin ausgegeben worden 
ist (. 3 des Ges. v. 14. Mai 1855, G. S. 1855, 
S. 300). 
1 Ges. v. 10. April 1872, §. 4 (G. S. 1872, 
S. 358). 
2 A. L. R., Einl., §§. 14 u. 51, Publ. Pat. 
v. 5. Febr. 1794, §. 8, Publ. Pat. v. 15. Nov. 
1816. §. 5, sowie die übrigen Publ. Pat. 
3 Hiernach ist es so anzusehen, als wenn vor 
Eintritt des Zeitpunktes das Gesetz als solches 
noch nicht existierte, so daß weder ein Recht, noch 
eine Pflicht, sich danach zu richten, vorher zur 
Entstehung kommt. Nach Eintritt ist es gleich- 
gültig, ob man das Gesetz kennt oder nicht (vgl. 
A. L. R., Einl., 8§. 12 u. 13). 
4 Ges. v. 3. April 1846, §. 1; Verordn. v. 
1. Dez. 1866, §. 3; Verordn. v. 29. Jan. 1867, 
§. 3. Um die gehörige Verbreitung der Gesetze
	        
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