Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

316 Unterrichtswesen. (8. 145.) 
ordnung sowie alle im Schulwesen bestehenden oder künftig ergehenden Gesetze und Ver- 
ordnungen auch auf die in den Judengemeinden bestehenden Schulen voll anwendbar. 
Wo keine israelitische Elementarschule besteht, müssen die israelitischen Kinder die allge- 
meine Ortsschule und den gesamten Unterricht außer der Religionslehre besuchen; als- 
dann sind die Israeliten hinsichtlich der Leistungen für die Bedürfnisse der Schule, Schul- 
lehrerbesoldungen, Schulhauskosten usw. den übrigen Ortseinwohnern gleich zu behandeln. 
Den Israeliten, deren Kinder keine israelitische Elementarschule besuchen können, bleibt 
überlassen, diesen den erforderlichen Religions= und Moralunterricht durch Privatlehrer 
erteilen zu lassen (§§. 28, 34, 36). — Die Unterhaltung der öffentlichen jüdischen 
Schule in Hechingen liegt nach der besonderen Schulordnung v. 23. April 1836 der 
israelitischen Gemeinde ob. 
Zweiter Titel. 
Die höheren Schulen.! 
8. 145. 
I. Begriff und Wesen der höheren Schulen. 
I. Sowohl das eigentliche Studium der Wissenschaften als auch der bewußte Be- 
trieb der Gewerbe erfordern eine umfassendere Vorbereitung, als durch die Volksschule 
erreichbar ist. Daher bestehen höhere Schulen, welche außer der ihnen mit der Volks- 
schule gemeinsamen Bestimmung, bei der religiösen, sittlichen und nationalen Erziehung 
der Jugend Hilfe zu leisten, den besonderen Zweck haben, die Grundlagen der wissen- 
schaftlichen Bildung zu gewähren, welche zur Teilnahme an den höheren Aufgaben des 
Lebens im Staate, in der Kirche und in der bürgerlichen Gesellschaft befähigt. Als 
wesentliches und unterscheidendes Merkmal der höheren Schule kann weder der Unter- 
richt in fremden Sprachen noch die Abhaltung von Abgangsprüfungen noch der Besitz 
besonderer Berechtigungen angesehen werden. Der Begriff begrenzt sich gegen die Volks- 
schule durch einen über das nächste Bedürfnis hinausgehenden Unterricht, gegen die Fach- 
schule durch die Ziele allgemeiner geistiger Bildung, gegen die Universität durch den 
propädeutischen Charakter des Unterrichts der höheren Schule.? 
Das Gemeinsame der 
  
1 Wiese, Das höhere Schulwesen in Preußen, 
historisch-statistische Darstellung, im Auftrage des 
Min. d. geistl. usw. Ang., Bd. I, 1864, Bd. II 
(die Jahre 1864—69 umfassend), 1869, Bd. III 
(die Jahre 1869—74 umfaffend, 1874; Wiese- 
Kübler, Verordnungen und Gesetze für die 
höheren Schulen in Preußen, 3. Ausg., 1886— 
1888; Beier, Die höheren Schulen in Preußen 
und ihre Lehrer 3, 1909; Paulsen, Geschichte 
des gelehrten Unterrichts 2, 1896; Lexis, Das 
Unterrichtswesen im Deutschen Reich, Bd. II, 
1904; Wiese-Irmer, Das höhere Schulwesen 
in Preußen, 1864—1902; Handbuch für Lehrer 
höherer Schulen, 1906; Heinemann, Hand- 
buch über die Organisation und Berwaltung der 
öffentl. preuß. Unterrichtsanstalten, 1907 ff.; 
Hauck, Der staatsrechtliche Charakter der höheren 
Schulen nach preußischem Recht, 1914; Reth- 
wischs Jahresberichte über das höhere Schul- 
wesen, 1886 ff.; Monatsschrift für höhere Schulen, 
1902 ff.; Statist. Jahrb. der höheren Schulen, 
1879 ff.; R. Lehmann, Erziehung und Unter- 
  
richt, 1912; Ziehen, Die bisherige Entwicklung 
und die weiteren Aufgaben der Reform unseres 
höheren Schulwesens, 1909; ders., Volkserziehung 
und Schulreform, 1912; ders., Art. Unterrichts- 
wesen (höheres) in v. Stengel-Fleischmanns W. 
St. V. R., Bd. III, 1914, S. 637 ff. 
2 Der Min. Erl. v. 21. Febr. 1865 (M. Bl. 
d. i. Verw. 1865, S. 80) bemerkt, „daß die Grenz- 
scheide zwischen den höheren Schulen und den 
Elementarschulen die Berechtigung zu gültigen 
Abgangsprüfungen bildet und daß alle Schulen, 
denen diese Berechtigung fehlt, zur Kategorie der 
Elementarschulen gehören, selbst dann, wenn in 
ihnen eine über das Ziel der Elementarschule 
hinausgehende sprachliche oder Realbildung ange- 
strebt wird, oder die Qualifikation ihres Vor- 
stehers durch akademische Studien bedingt ist, 
weshalb „Rektoratsschulen“, ob sie mit der Orts- 
elementarschule verbunden sind oder bereits eine 
selbständige Existenz erlangt haben, nur den 
Elementarschulen beigezählt und als solche be- 
handelt werden können.“
	        
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