Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 20.) 87 
Steuerzahlungen, Einkommen, Haus= und Grundbesitz der Ehefrau werden dem 
  
der Zeit mehrfache Abänderungen erfahren. Zu- 
nächst setzte §. 9 (zu b) des Ges. betr. Abänderung 
des Klassensteuergesetzes v. 25. Mai 1873 (G. S., 
S. 213) den jährlichen Klassensteuersatz von 
9 bezw. 12 Mark, an dessen Entrichtung die 
Ausübung des Bürgerrechtes geknüpft war, auf 
6 Mark herab und bestimmte, daß Ortsstatuten, 
welche das Wahlrecht an einen höheren Klassen- 
steuersatz als 12 Mark knüpften, mit dem 1. Jan. 
1874 ihre Gültigkeit verlieren sollten. Wo aber 
solche Ortsstatuten nach den Kommunalord- 
nungen zulässig (Rheinprovinz, Schleswig-Hol- 
stein), sollte das Wahlrecht durch neu zu er- 
richtende Ortsstatuten von der Veranlagung zur 
2.—8. Steuerstufe (von mehr als 660 bis ein- 
schließlich 1800 Mark Einkommen und 6—36 
Mark Steuer, §. 7 des Ges. v. 1. Mai 1851) 
abhängig gemacht werden können. Den mahl- 
und schlachtsteuerpflichtigen Städten der östlichen 
Provinzen wurde endlich ausdrücklich das Recht 
erteilt, die in §. 5 unter Z. 44d der St. O. ö. 
bezeichneten Einkommensbeträge, unabhängig 
vom Fortbestande der Mahl= und Schlachtsteuer, 
durch Kommunalbeschluß als Bedingung des 
Bürgerrechts beizubehalten. Diese Vorschriften 
find jetzt wieder durch das Einkommensteuer- 
esetz v. 24. Juni 1891 (G. S., S. 175) modi- 
ziert. Dasselbe hat unter Aufhebung des 
Ges. v. 25. Mai 1873 (§. 85) in §. 77 bestimmt: 
Soweit nach den bestehenden Bestim- 
mungen in Stadt-= und Landgemeinden das 
Bürgerrecht bezw. das Stimm= und Wahl- 
recht in Gemeindeangelegenheiten an die Be- 
beingung. eines jährlichen Klassensteuerbetrages 
von 6 Mark geknüpft ist, tritt bis zur ander- 
weitigen gesetzlichen Regelung des Gemeinde- 
wahlrechts an die Stelle des genannten 
Satzes der Steuersatz von 4 Mark bezw. 
ein Einkommen von mehr als 660— 
900 Mark (Abs. 1). 
In denjenigen Landesteilen, in welchen für 
die Gemeindevertreterwahlen die Wähler nach 
Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden 
direkten Steuern in Abteilungen geteilt wer- 
den, tritt an Stelle eines 6 Mark Einkommen- 
stener übersteigenden Steuersatzes, an welchen 
durch Ortsstatut das Wahlrecht geknüpft 
wird, der Steuersatz von 6 Mark (Abs. 2). 
Wo solche Ortsstatuten nach be- 
stehenden Kommunalordnungen zu- 
lässig sind, kann das Wahlrecht von einem 
niedrigeren Steuersatze bezw. von einem 
Einkommen bis 900 Mark abhängig ge- 
macht werden. Eine Erhöhung ist nicht zu- 
lässig (Abs. 3). 
Mit der Aufhebung des Ges. von 1873, also 
auch des §. 9 desselben, haben zunächst die 
Städte der östl. Provinzen das Recht verloren, 
zu beschließen, an Stelle des Steuersatzes ein 
inkommen treten zu lassen; aber es sind auch 
alle bisher auf Grund des S§. 9 diesbezüglich 
gefaßten Beschlüsse, mögen sie als einfache Ge- 
meindebeschlüsse oder als Ortsstatuten gelten, 
msammen mit ihm beseitigt. Für diese 
Städte ist nunmehr ebenso wie für die West- 
  
falens lediglich §. 77, Abs. 1 des Eink. St. G. 
maßgebend, d. h. das Bürgerrecht bezw. das 
Gemeindewahlrecht ist an die Veranlagung zur 
Staatseinkommensteuer oder zu einem fingierten 
Normalsteuersatze von mindestens 4 Mark ge- 
knüpft. Findet in einer Gemeinde eine Steuer- 
veranlagung der von der Staatseinkommen- 
steuer befreiten Personen zu den Normalsätzen 
des §. 74 des Eink. St. G. nicht statt, so ist für 
die Ausübung des Gemeindewahlrechts der Bezug 
eines Einkommens von mehr als 660 Mark 
erforderlich, und der Kreis der hiernach Berech- 
tigten in geeigneter Weise durch Schätzung der 
Einkommen festzustellen. Ortel, S. 132, Anm. 
10 a, vgl. auch Komm. Ber. des A. H. v. 2. Febr. 
1891, S. 61. — lbrigens hat §. 77 des Eink. 
St. G. durch Setzung des Steuersatzes von 
4 Mark, an Stelle des bisherigen von 6 Mark, 
keine materielle Anderung eingeführt, denn dem- 
selben Einkommen, welchem früher ein Steuersatz 
von 6 Mark entsprach, entspricht jetzt ein solcher 
von 4 Mark (660—900 Mark Einkommen). 
Der Abs. 2 dieses §. 77 bezieht sich nur auf 
die Rheinprovinz. Hier allein trifft die 
doppelte Voraussetzung zu, daß ein orts- 
statutarisch festzusetzender Steuersatz als 
Vorbedingung für das Wahlrecht gilt und 
gleichzeitig das Dreiklassenwahls ystem An- 
wendung findet (St. O. rb., §. 5.). Hier soll 
das Ortsstatut das Wahlrecht höchstens an einen 
Steuersatz von 6 Mark knüpfen dürfen, sodaß 
alle, die ein Einkommen von mehr als 900 Mark 
(Eink. St. G., §. 17) versteuenn, wahlberechtigt 
sind. Über die früheren unhaltbaren Verhältnisse, 
nach welchen das Bürgerrecht in der Rhein- 
provinz ortsstatutarisch an einen Minimalsatz von 
12 und 18 Mark geknüpft war, vgl. Protokoll 
der 43. Sitzung des A. H. v. 26. Febr. 1891. 
Der Abs. 3 des §. 77 endlich findet nicht 
nur in der Rbeinprovinz, sondern auch in 
Schleswig-Holstein Anwendung, wo zwar 
kein Dreiklassenwahlsystem gilt, aber Ortsstatuten 
das Minimaleinkommen bezw. den entsprechen- 
den Klassensteuersatz festzusetzen haben, an wel- 
chen der Erwerb des Bürgerrechtes geknüpft ist. 
Das Minimaleinkommen durfte nach §. 7 unter 
Z. 4, d, der St. O. schlesw.-holst. nicht unter 
600 Mark und nicht über 1500 Mark jährlich 
normiert werden. Jetzt treten als höchst zuläs- 
siges Minimaleinkommen 900 Mark an Stelle 
der 1500 Mark, während die andere Grenze 
von 600 Mark nicht berührt wird. Mill eine 
Stadt in Schleswig-Holstein den Erwerb des 
Bürgerrechts nicht an die Erreichung eines 
Minimaleinkommens, sondern an die Entrichtung 
eines Steuersatzes knüpfen, so kommen als solche 
jetzt in Betracht die Sätze 2,40 Mark, 4 Mark und 
6 Mark. — Die hier vertretene Ausicht, daß Abs. 3 
des §. 77 des Eink. St. G. seinem Wortlaut 
nach auch auf die St. O. schlesw.-holst. be- 
zogen werden müsse, teilt auch Ortel, S. 133, 
Anm. 10b. A. A, dagegen Meitzen, Das 
preuß. Eink. St. G. v. 24. Juni 1891 (Berlin 
1892), S. 100, Anm. 2: „Die Bestimmung in 
Abs. 2 u. 3 bezieht sich lediglich auf die
	        
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