Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 25.) 101
und dadurch eine Teilnahme an dieser und behördliche Funktionen überhaupt ein-
geräumt; in dieser Beziehung wird sie unter dem Ausdrucke „Gemeindebehörden“ meist
mitbegriffen. Juristische Persönlichkeit ! kommt ihr nicht zu.
II. Die Mitglieder dieser politischen Körperschaft, die Stadtverordneten, sind nicht
Beamte der Stadt, denn sie stehen zu ihr in keinem Dienstverhältnis. Sie sind
daher auch nicht zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet 3; gegen sie kann weder ein
Disziplinarverfahren stattfinden", noch können sie vom Rate oder der Aufsichtsbehörde
in Ordnungsstrafen genommen werden.? Sie erhalten weder Gehalt noch Remuneration
für die Ausübung ihres Berufs, nur bare Auslagen werden ihnen vergütet.
Ihren Wählern gegenüber sind die Stadtverordneten, wie schon nach der Städte-
ordnung von 1808, an Vollmachten und Instruktionen nicht gebunden. Jeder von ihnen
gilt als von der ganzen Bürgerschaft gewählt, und jeder soll Vertreter der ganzen
Bürgerschaft sein. Lediglich das Wohl des Ganzen soll jeder bei seinem Handeln vor
Augen haben. Sie können daher wegen Ausübung ihrer öffentlichen Befugnisse auch
von ihren Wählern rechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden und stehen hinsichtlich
ihrer in den Versammlungen gemachten Außerungen unter dem Schutze des §. 193 des
Strafgesetzbuches.
8. 25.
2) Die Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung.“
Die Zahl der Stadtverordneten ist entweder gesetzlich fixiert oder ortsstatutarischer
Feststellung überlassen.
I. Das erstere Prinzip ist in den hessischen Rechtsgebieten befolgt: In Nassau
soll die Gemeindevertretung sechsmal soviel Mitglieder haben als der Gemeindevorstand,
und in Kurhessen sollen in Gemeinden bis zu 1000 Einwohnern 12 und dann für
je weitere 500 Einwohner je 2 neue Stadtverordnete, nie jedoch über 48 gewählt
werden. Die Stadtverordneten sind in Kurhessen zur Hälfte ständige, zur Hälfte
außerordentliche Mitglieder. Letztere nehmen nur an den in gesetzlich bestimmten Fällens
Ss. 196 u. 197 schließen sich aus, und jede Ber. Jahrb., LX, S. 454; Sz#oerl Dichuliner-
einigung, die sich als politische Körperschaft gesetze, S. 16; O. B. G., V, S. 417
charakterisiert, fällt ohne Rücksicht auf ihre ?* Vgl. Schoen, in Slss Ann. . a. a. O.,
sonstigen Eigenschaften unter s§. 197. R. G.. 797, Anm. 4.
Entsch. in Straf S., VII, S. 383; Rüdorff- * Zust. G., §. 20, Abs. 3ZS. Bgl. auch unten
Sten glein, Komm. zum Str. G. B. (3. Aufll, . 39 unter c, Abs. 2.
Berlin 1881), §. 197, Anm. 1; Oppenhoff, Wohl aber kann der Borsteher der Stadt-
Komm. zum Str. G. V. (9. Aufl., Berlin 1883), verordnetenversammlung zur Erfüllung seiner
#. 197, Anm. 2; Stenglein, Ztschr. f. Ge= Pflichten, z. B. zur Berufung einer für not-
richtspraxis (München), I, S. 162; Württem= wendig befundenen bersammlung vom Regie-
berger Gerichtsblatt, VIII, S. 225; XV, S. rungspräsidenten als Ausfsichtsbehörde n
313. Exekutivstrafen angehatgen werden. Zust. G
Boraussetzung für die Anwendbarkeit des §. 132; Leidig, 100, Anm. 3.
8. 197 ist, daß die Beleidigung gegen die * Leidig, S. 5 li v. Möller, St., §. 29;
Stadtverordnetenversammlung als staaterecht- Steffe nhagen, 8 . 42 Snig. 8. 19.
liches Ganzes gerichtet ist. Beleidigungen, die 7 G. G. nass., z. 35; . O. kurh.,
sich gegen die Personen der einzelnen Mitglieder In Hohenzollern aern der lt
als solche richten, werden wie gewöhnliche indi= aus so vielen Mitgliedern, wie die Zahl der
viduelle Beleidigungen nur auf Antrag des Mitglieder des Gemeindevorstandes einschließ-
Einzelnen verfolgt. — Irrelevant ist dagegen lich des Bürgermeisters beträgt. G. O. sigm.,
ein Wechsel der Mitglieder der Stadtverord.. 26 ff.
netenversammlung in der Zeit von der Voll= s Vgl. G. O. kurb., §§. 39, 40 (Wahlen), 82
endung des Delikts bis zur Erteilung der Er= (wichtige Finanzangelegenheiten). Wo das Gesetz
mächtigung, da die politische Körperschaft als den Gemeindeausschuß ohne nähere Bestimmung
solche dadurch nicht geändert wird. erwähnt, ist daher der aus ständigen Mitgliedern
1 R. G. Entsch. in Civ. S., VIII, S. 227. zusammengesetzte engere Ausschuß zu verstehen.
2 Siehe unten §.36 unter I.; Goltdammers Beschluß des uch. in. d. J. v. 15. Jan. 1838,
Archiv f. preuß. Strafrecht, V, G. 93; v. Kamptz, bei Althaus, S. 161.