Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinbden; das geltende Recht. (8. 26.) 
Das Wahlrecht ist persönlich auszuüben. Nur die höchstbesteuerten Forensen und 
juristischen Personen können sich durch stimmberechtigte Bürger vertreten lassen. Jeder 
Wähler hat mündlich und laut zu Protokoll des Wahlvorstandes zu erklären, wem er 
seine Stimme giebt, und so viele Personen zu nennen, als von seiner Abteilung zu wählen 
sind.: Es wird also nicht jeder Abgeordnete besonders, sondern alle von einer Wähler- 
klasse zu wählenden Abgeordneten werden in einem einheitlichen Wahlgange gewählt. 
Ist mit der Ergänzungswahl eine Ersatzwahl verbunden, so bezeichnet der Wähler ge- 
trennt die von ihm zur regelmäßigen Ergänzung und die als Ersatzmänner gewählten 
Stadtverordneten. In Frankfsurt a. M. erfolgt dagegen die Stimmabgabe durch ver- 
deckte in eine Wahlurne niederzulegende Stimmzettel ohne Unterschrift. 
Die Offentlichkeit der Wahlverhandlung ist nicht angeordnet und auch nicht aus- 
geschlossen. Es steht daher zwar niemand außer dem Wahlvorstande ein unbedingter 
Anspruch darauf zu, dem Wahlakte dauernd beizuwohnen; ebensowenig besteht aber ein 
Recht des Wahlvorstandes, den sich einfindenden Abteilungswählern vor oder nach der 
Stimmabgabe den Aufenthalt im Wahllokal zu versagen, sofern dies nicht aus räum- 
lichen Gründen oder im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.3 
Gewählt sind riejenigen, welche bei der ersten Abstimmung die meisten Stimmen 
und zugleich die absolute Stimmenmehrheit (mehr als die Hälfte der Stimmen) erhalten 
haben. Hat sich bei der ersten Abstimmung nicht eine absolute Stimmenmehrheit für 
die erforderliche Anzahl der zu wählenden Personen ergeben, so stellt der Wahlvorstand 
die Namen derjenigen Personen, welche nächst den gewählten die meisten Stimmen er- 
halten haben, so weit zusammen, daß die doppelte Zahl der noch zu wählenden Mitglieder 
erreicht wird. Auf Grund dieser Liste wird dann zur zweiten Wahl geschritten. Zu 
dieser werden die Wähler nicht durch den Magistrat, sondern durch den Wahlvorstand 
sofort oder spätestens innerhalb acht Tagen unter Mitteilung des Ergebnisses der ersten 
Wahl, des Lokales, Tages und der Wahlstunden" geladen. Absolute Stimmenmehrheit 
ist hier nicht erforderlich; unter denen, welche eine gleiche Anzahl von Stimmen haben, 
entscheidet das Los. Ist jemand in mehreren Abteilungen oder Wahlbezirken zugleich 
gewählt, so hat er zu erklären, welche Wahl er annimmt.5 Die Wahlprotokolle werden 
nach Unterzeichnung vom Wahlvorstandes dem Magistrat, welcher das Wahlergebnis sofort 
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bekannt zu machen hat, zur Aufbewahrung übersandt.7 
  
1 Der Wahlvorstand muß sich bei jedem, der 
eine Stimme abgeben will, darüber klar wer- 
den, ob er zuzulassen ist, d. b. er muf feststellen, 
ob er in der Wählerliste eingetragen ist. Hat 
er einen Wähler zweifellos zu Unrecht vom 
Wahlakte ausgeschlossen, so kommt es für die 
Beurteilung der Gültigteit des Wahlresultates 
überhaupt darauf an, ob das veröffentlichte 
Wahlergebnis trotz dieser vorgesallenen Unge- 
rechtigkeit als der wirkliche, klar erkennbare 
Anedruck des freien Willens der Majorität der 
Wähler angesehen werden kann oder nicht. 
O. V. G., VII, S. 199. — Über den Fall, 
daß — dl Wuee wenig Persenen bezeichnet hat, 
O. B 
re 7. Kisst. W. v. § 25; rh., §. 24; 
frff., §. u. Art. 1, Z. 3, des Ges. v. 1. März 
1891 (G. S., S. 20). 
2 M. Erl.“ v. 13. Nov. 1883 (V. M. Bl., S. 
2760); O. B. G., XIV, S. 70; Ortel, S. 164, 
Anm. 1. 
4 Die Aufforderung zur zweiten Wahl kann 
sofort und muß innerhalb 8 Tagen nach der 
ersten Wahl erfolgen; daraus folgt aber nicht, daß 
der Termin zur zweiten Wahl unmittelbar nach 
Beendigung der ersten anberaumt werden kann. 
Für diesen muß die in den St. Ordugn. 
vorgeschriebene Frist von 14 Tagen seit der 
  
Ladung gewährt werden. Geschieht dies nicht, 
und findet die zweite Wahl im unmittelbaren 
Anschluß an die erste statt, so ist die zweite 
ungüliig. O. V. G., XV, S. 34. 
5 Erklärt sich der zweimal Gewählte auf die 
Aufforderung innerhalb der ihm gesetzten Frist 
nicht, so mug, da er gesetzlich nicht berechtigt ist, 
beide Wahlen anzunehmen, angenommen werden, 
daß er beide Wahlen ablehne, und die Stadt- 
verordneten haben über diese Weigerung nach 
den gesetzlichen Vorschriften zu beschließen. 
* Vor Abschluß des Wahlprotokolls und Ab- 
gabe desselben an den Magistrat zur Bekannt- 
machung des Ergebnisses muß der Wahlvorstand 
sich darüber klar werden, ob eine Wahl zu stande 
gekommen ist, denn davon hängt es ab, ob die 
Wahlhandlung weiter geführt werden muß oder 
geschlossen werden kann (O. V. G., VII, S. 100). 
— Eine Wahlhandlung wird nicht dadurch un- 
gültig, daß ein Beisitzer des Wahlvorstehers die 
Unterschrift des Protokolls verweigert (O. V. 
G., VI, S. 153), daß die Unterschrift an einem 
anderen Orte als im Wahlraume erfolgt (O. V. 
G., VI. S. 154), oder daß das Protokoll ver- 
loren geht (O. V. G., VIII, S. 125). 
7 St. O. ö., wiebb. u 65. 20, 27, Abs. 1; 
—**m 26, Abs. 1; frkf., 88§. 35,. 3.
	        
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