Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 27.) 115
III. Beschlußfähig! ist die Stadtverordnetenversammlung nur dann, wenn alle Stadt-
verordneten rite geladen und mehr als die Hälfte, bezw. in Schleswig-Holstein
mindestens diese, in Kurhessen zwei Drittel der gesetzlich oder ortsstatutarisch fest-
gesetzten Mitgliederzahl? zugegen? ist. Eine Ausnahme hiervon findet jedoch statt, wenn
die Stadtverordneten, unter Hinweis auf diese Folge, zum zweiten Male zur Verhand-
lung über denselben Gegenstand berufen, dennoch nicht in genügender Anzahl erschienen
sind.
beschlußfähig.“"
Dann ist nämlich die Versammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen
IV. In allen Städten mit Bürgermeistereiverfassung und in Nassau ist der
Bürgermeister,
und bei dessen Verhinderung der stellvertretende Beigeordnete,
stimm-
berechtigter Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung.
In den Städten mit kollegialischer Magistratsverfassung wählen sich die Stadt-
verordneten jährlich, in Hannover beim Eintritt neuer Bürgervorsteher und in Kur-
hessen bei Erneuerung der Versammlung einen Vorsteher,
für jeden derselben einen Stellvertreter aus ihrer Mitte.
1 St. O. ö., wiesb. u. w., z rh., §. 40;
frkf., §. 52; schlesm. zholst., ¾ 5“ Fink 8. 102;
G. O. kurh., §. 65, Abs. 5— 7. Die G. O.
nass. enthält nur Vorschriften über die Beschluß-
fähigkeit der Gemeindeversammlung 8. 25.
2 Wenn die St. O. ö. und die ihr nachge-
bildeten Gesetze übereinstimmend sagen: „Die
Stadtverordnetenversammlung kann nur be-
schließen, wenn mehr als die Hälfte der
Mitglieder zugegen ist", se kann dies wohl
nicht, wie Marcinowski, S. 108, Anm. 245,
annimmt, bedeuten: Die Hälfte der z. Z.
der Versammlung zum Stadtverordnetenkolle-
gium gehörigen Mitglieder, sodaß eine Stadt-
verordnetenversammlung, die ursprünglich aus
18 Mitgliedern bestand, aber durch Tod u. s. w.
sechs verloren hat, schon dann beschlußfähig ist,
wenn sieben Mitglieder an der Sitzung teil-
nehmen. Wenn das Gesetz in §. 12, wo es
von der Zusammensetzung der Stadtverordneten-
versammlung spricht, die Zahl der sie bildenden
Mitglieder genau angiebt, dann aber in §. 42,
wo es über die Thätigkeit dieser Mitglieder
spricht, ohne weitere Angabe einen Bruchteil
dieser Mitgliederzahl erwähnt, so wird dabei
naturgemäß die Mitgliederzahl gemeint, welche
in §. 12 bestimmt ist. Es wäre wunderbar,
wenn das Gesetz da, wo es von der ganzen
Bersammlung spricht, eine bestimmt fixierte
Zahl, da aber, wo es von einem Bruchteil
dieser Bersammlung spricht, eine jeden Augen-
blick veränderliche Größe, die Zahl der jedes-
mal gerade im Amte befindlichen Stadtverord-
neten, vor Augen hätte. Die Annahme Mar-
cinowskis würde auch dem Zwecke der Fixie-
rung der Zahl in §. 12 widersprechen. Die
Aufstellung einer Normalzahl will lediglich dafür
sorgen, daß jede Stadt eine ihrer Größe ent-
sprechende Bertretung hat. Dies wird ver-
eitelt, wenn jeder beliebige Bruchteil dieser für
notwendig befundenen Zahl, sofern er nur die
Hälfte der zufällig gerade im Amte befindlichen
Stadtverordneten um eine Person übeersteigt,
die Bürgerschaft repräsentieren könnte. End-
lich bestimmt der 1876 ausgearbeitete Entw.
in §. 65, nachdem in den beigegebenen Motiven
bemerkt ist, daß die Borschriften der §§. 61 ff.,
also auch die des §. 65 in allem Wesentlichen
einen Schriftführer 5 und
mit denen der St. O. von 1853 übereinstimmen:
Die Stadtverordnetenversammlung kann nur
beschließen, wenn mehr als die Hälfte der im
Gesetz, oder durch Statut vorgeschriebenen Mit-
gliederzahl anwesend ist, und fügt dann die
nämliche Ausnahme hiervon wie die St. O.
von 1853 zu (O. V. G., XVIII, S. 49). —
Auch die in allen Punkten mit der St. O. ö.
übereinstimmende St. O. wiesb. erkennt offen-
bar die hier vertretene Ansicht als die richtige
an, indem sie in §. 42 bezüglich der Mitglieder-
zahl ausdrücklich auf §. 12 verweist. Die St. O.
schlesw.-holst. verlangt im §.55 zur Beschlußfähig-
keit der Stadtverordnetenversammlung ausdrück-
lich Anwesenheit der Hälfte „der statutarisch
festgesetzten Mitgliederzahl“.
2 Durch das „Zugegen“, bezw. „anwesend“
(St. O. hann.) ist zugleich zum Ausdruck ge-
bracht, daß ein Abstimmen durch Umlauf, ohne
daß die Stadtverordneten versammelt sind, un-
zulässig ist. Nur in Kurhessen erscheint ein
solches unter Umständen statthaft, indem die
G. O., §. 65, Abs. 3 bestimmt: „die Verhand-
lungen geschehen der Regel nach mündlich“.
Vgl. auch O. V. G., XIX, S. 4.
* Die St. O. schlesw.-holst. kennt diese Aus-
nahme nicht. Im übrigen ist notwendige Bor-
aussetzung für die Anwendbarkeit der Aus-
nahmevorschrift, daß überhaupt eine beschluß-
fähige Anzahl der Stadtverordneten vorhanden
ist, daß eine solche an sich erscheinen kann und
nur nicht erscheinen will. Nicht darf man an-
nehmen, daß eine zweimalige Ladung dann ge-
nügt, wenn es überhaupt an einer beschluß-
fähigen Anzahl im Sinne der vorigen Anmer-
kung fehlt.
* St. O. ö. u. w., §. 72; wiesb., *5r½
Z. 2; .n . 36, Abf. 2; schlesw. -kholst.,
Z. 4r G G. nass., 5 28.
St. O. ö., wiesb. u. w., 8 8. 38; rh., 8.
frkf., 8. 48; schlesw.-holst., 8. (der S#-
verordnetenvorsteher heißt hier „Bürgerwort-
halter'“); hann., §. 100 (der Stadtverord-
netenvorsteher heißt hier „Wortführer“).
O. kurh., §. 38, Abs. 2 (der Ausschuß-
vorsteher und sein Stellvertreter werden stets
durch die große Ausschußversammlung gewählt).
Was im besonderen die Wahl eines Schrift-
8*