Ortsgemeinden; das geltende Recht. (§. 29.) 119
system organisiert. Das Bureausystem ist als Regel anerkannt in der Rheinprovinz,
das Kollegialsystem in den übrigen Rechtsgebieten. Der kollegialische Stadtvorstand
wird Magistrat, in Kurhessen Stadtrat und in Nassau Gemeinderat genannt.! Bei
dem Bureausystem erübrigt sich naturgemäß eine besondere Bezeichnung des Stadt-
vorstandes, da er hier mit der Person des Bürgermeisters zusammenfällt; die rheinische
Städteordnung faßt jedech den Bürgermeister und seine Gehilfen noch unter dem Aus-
drucke „Magistratspersonen“ zusammen.?
In den östlichen Provinzen, in Westfalen und Schleswig-Holstein können
auf Antrag der Stadtverordnetenversammlung mit Genehmigung des Bezirksausschusses
statt des Magistrats nur ein Bürgermeister, welcher den Vorsitz in der Stadtverordneten-
versammlung mit Stimmrecht zu führen hat, und zwei bis drei Schöffen, welche den
Bürgermeister unterstützen und vertreten, gewählt werden. Bei dieser Einrichtung gehen
alle Rechte und Pflichten, welche sonst dem Magistrat beigelegt sind, auf den Bürger-
meister über, mit den Modifikationen, welche sich als notwendig daraus ergeben, daß der
Bürgermeister zugleich stimmberechtigter Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung
ist. Im übrigen kommen die Bestimmungen der Städteordnungen bei Einführung der
einfacheren Magistratsverfassung mit der Maßgabe zur Anwendung, daß die Schöffen
zugleich Stadtverordnete sein können. In der Rheinprovinz ist umgekehrt die Annahme
der Magistratsverfassung an Stelle des Bürgermeistersystems gestattet."
Was die Zweckmäßigkeit beider Systeme anlangt, so ist in großen Städten das
Kollegialsystem dringend geboten, denn die Kommunalverwaltung hat hier eine solche
Ausdehnung angenommen, daß sie unmöglich von einer Person unter genügender Ver-
antwortung nach oben und unten geführt werden kann. In kleinen Städten dagegen,
wo es an einer genügenden Anzahl zu Magistratsämtern geeigneter Personen fehlt,
dürfte der geeignete Platz für die Bürgermeistereiverfassung sein. Bei einer Neu-
organisation des Städterechtes ließe sich jedoch erwägen, ob es nicht angezeigt wäre, in
dem letzteren System selbst eine Anderung eintreten zu lassen. Dadurch, daß gegen-
wärtig der Bürgermeister, die einzige verantwortliche Person, notwendig zugleich Vor-
sitzender im Stadtvertretungskörper ist, die Geschäftsordnung und die ganze Leitung
der Beratungen handhabt, gewinnt er ein Übergewicht, welches die Kontrolle erschwert
und verhindert, daß der Wille der Bürgerschaft angemessen zum Ausdruck kommt.
(V. M. Bl., S. 138). Die Voraussetzungen
für den Antrag auf Annahme eines solchen
Vorstandssystems sind verschieden. Nach der
St. O. ö. genügt ein einfacher Beschluß des
Magistrats und der Stadtverordnetenversamm-
1 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 10; rh., §. 66;
frkf., §. 2; schlesw.-holst., §. 1; hann., 8§. 38
u. 39; G. O. kurh., §. 36, Z. 2; G. G. nass.,
2
1 St. O. rh., §. 29. Die Mitglieder des
kollegialischen Stadtvorstandes, der in der
Rheinprovinz nicht ausgeschlossen ist, nennt
die St. O. rh., §. 68 „Magistratsmitglieder“.
* Auch ein so organisierter Gemeindevorstand
fübrt den Titel „Magistrat“. M. Erl. v. 20. März
1856 (B. M. Bl., S. 91).
St. O. ö. u. w., §§. 72, 73; wiesb., §§.
74, 75; schlesw.-holst., §. 94 (diese St. O. läßt
bei der Einführung der einfacheren Magistrats-
verfassung zahlreichere Abweichungen von den
gewöbnlichen Vorschriften zu); rh., §§. 66—78
(betreffen die Einführung der kollegialischen an
Stelle der Bürgermeistereiverfassung), Zust. G.,
# 16, Abs. 3.
Die Annahme einer anderen als der als
Regel angesebenen Organisation des Gemeinde-
vorstandes kann nach der St. O. rh., w. und
schlesw.-holst. von jeder Stadt beschlossen werden,
nach der St. O. ö. u. wiesb. können nur Städte
von nicht mehr als 2500 Einwohnern die ein-
fachere Magistratsverfassung annehmen. In
kleinen Städten soll die Annahme der letzteren
von der Aussichtsbehörde begünstigt werden.
Art. VI der Min. Instr. v. 20. Juni 1853
lung, nach den drei anderen Gesetzen ist ein
Gemeindebeschluß erforderlich, welcher nur nach
zweimaliger mit einem Zwischenraum von 8
resp. 14 Tagen vorgenommener Beratung ge-
faßt werden darf. Immer ist erforderlich ein
übereinstimmender Beschluß beider städtischen
Kollegien; wenn die St. O. ö. u. w. nur von
einem Beschluß der Gemeindevertretung sprechen,
sind unter diesem Ausdruck gemäß §. 10 dieser
Gesetze Magistrat und Stadtverordnetenver-
sammlung zu verstehen. So wird dieses auch
von der Regierung aufgefaßt, welche im Entw.
von 1876, §. 55, für Annabme der einfachen
Magistratsverfassung einen übereinstimmenden
Beschluß des Magistrats und der Stadtverord-
netenversammlung fordert, obne in den Mo-
tiven, wie es sonst gescheben ist, zu sagen, daß
bierin eine Abweichung vom bestehenden Recht
liege. Die St. O. schlesw. holst. fordert aus-
drücklich einen Gemeindebeschluß, der von beiden
Kollegien gemeinschaftlich gefaßt ist. Nach der
St. O. rh. genügt in Ermangelung eines
zweiten Kollegiums selbstverständlich der Be-
schluß der Stadtverordneten.