120 Zweiter Abschnitt. (8. 30.)
S. 30.
2) Die Zusammenfetzung des Stadtvorstandes.!
I. Bei der Bürgermeistereiverfassung sind dem Bürgermeister zwei oder mehrere
Personen beigegeben. Diese Beigeordneten treten jedoch niemals zusammen mit dem
Bürgermeister als ein Kollegium auf, sie haben vielmehr nur einzelne Amtsgeschäfte
kraft Auftrages und namens des Bürgermeisters auszuführen und ihn in Behinderungs-
fällen wie bei Erledigung des Amtes zu vertreten. Die Reihenfolge, in welcher sie zur
Stellvertretung berufen sind, wird in der Rheinprovinz durch Beschluß der Stadt-
verordneten mit Genehmigung des Regierungspräsidenten bestimmt.
II. Der kollegialische Stadtvorstand besteht aus dem Bürgermeister, der in
Schleswig-Holstein allgemein, in Kurhessen in den Hauptstädten (Kassel, Hanau,
Fulda, Marburg) Oberbürgermeister heißt, im übrigen diesen Titel aber nur auf Grund
spezieller königlicher Verleihung führt, ferner aus einem Beigeordneten als gesetzlichem
Vertreter des Bürgermeisters, der gewöhnlich zweiter Bürgermeister heißt", und endlich
aus mehreren Schöffen. Letztere führen verschiedene Titel: Stadträte (so stets in Frank-
furt a. M.), Ratsherren, Ratsmänner u. s. w., deren Festsetzung meistens dem Orts-
statut überlassen ist ; in Hannover heißen sie stets Senatoren.“
1 Leidig, S. 110 ff.; v. Möller, St., 89§.
42, 43; Steffenhagen, 8. 56; Schmitz,
§. 2; Grotefend, §. 245.
: St. O. rh., §. 28.
2 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 29; rh., §. 68;
frkf., §. 38; schlesw.-holst., §. 28; hann., §. 39;
G. O. kurh., §§. 36, 39 u. 41; G. G. nass.,
§§. 4, 5 u. 6, letzterer ist ersetzt durch §. 1
8 ereuß. Ges. v. 26. April 1869 (G. S., S.
19).
* In Kurhessen kann der Beigeordnete,
welchen der Ortsvorstand (Bürger= oder Ober-
bürgermeister) sich aus den Mitgliedern des
Gemeinderates unter Zustimmung der Auf-
sichtsbehörde selbst zu wählen hat, den Titel
„Vicebürgermeister“ führen. In den
Hauptstädten kann außer diesem, nur zur
einstweiligen Aushilfe bestimmten Beigeord-
neten noch zur bleibenden Aushbilfe und
Geschäftsentlastung des Oberbürgermeisters in
leicher Form wie dieser ein besoldeter Ge-
bufe oder Stellvertreter bestellt werden;
diesem kommt der Titel „Bürgermeister“
zu. G. O., §§. 41, 62; Althaus, S. 69.
In Nassau findet dagegen alternativ ent-
weder die Bestellung eines dauernden Bei-
geordneten, „Bürgermeister-Adjunkten“,
„als Stellvertreters und Gehilfen“ oder eines
„„ Stellvertreters des Bürgermeisters
für Verhinderungsfälle“ statt. Letzterer
wird vom Gemeinderat aus der Zahl seiner
Mitglieder erwählt. Ersterer wird auf Beschluß
der städtischen Körperschaften unter Genehmi-
gung der Aufsichtsbehörde gleich dem Bürger-
meister gewählt; er ist Mitglied des Gemeinde-
rats, wird aber nicht in die festgesetzte Zahl
der Gemeindevorsteher eingerechnet. G. G. nass.,
§. 9; Ges. v. 26. April 1869, §. 2. Betr. der
Landgemeinden in beiden Rechtskreisen val. Kr.
O. hefs.-nass., §§. 34, 36. Betr. des Stellver-
treters des Bürgermeisters in Hannover pgl.
nebenstehende Anm. 6.
Die Kabinettsordre v. 15. Febr. 1873 (V.
M. Bl., S. 59) hat bestimmt, daß künftighin
die Annahme eines dieser Amtstitel durch die
Mitglieder des Magistrats auf Grund orts-
statutarischer, vom Bez. A. bestätigter Gemeinde-
beschlüsse erfolgen und diese Bestätigung da,
wo der nachgesuchte Titel der Bedeutung der
Stadt entspreche, erteilt werden solle. Der M.
d. J. hat demzufolge durch Reskript v. 15. Febr.
1873 (V. M. Bl., S. 59) angeordnet, daß künftig-
hin für den Titel „Stadtrat“ die Bevölkerungs-
zahl von mindestens 10,000 Einwohnern, für
den Titel „Ratsherr“ aber eine Bevölkerungs-
zahl von mindestens 5000 Einwohnern festge-
halten werden soll. Diese Amtstitel sind an
das Amt selbst geknüpft und können von dem
nicht mehr geführt werden, der das Amt nicht
mehr bekleidet. Vgl. Ortel, S. 174, Anm. 3.
Diese Bestimmungen sind zunächst für den Gel-
tungsbereich der St. O. ö. erlassen, finden aber
auch Anwendung in den Geltungsgebieten der
dieser St. O. nachgebildeten preuß. Gesetze,
vgl. v. Brauchitsch, Ergzb. f. Schlesw.-Holst.,
S. 187, Anm. zu §. 28. — In den östlichen
Provinzen undim Reg.-Bez. Wiesbaden kann
endlich Magistratsmitgliedern, welche ibr Amt
mindestens neun Jahre mit Ehren bekleidet
haben, in Ubereinstimmung mit der Stadtver-
ordnetenversammlung von dem Magistrat als
Auszeichnung das Prädikat „Stadtältester“ ver-
liehen werden. St. O. ö., F. 34, ebenso St. O.
wiesb., §. 34.
In Kurhessen heißen die Mitglieder des
Gemeindevorstandes „Gemeinde= oder Stadt-
räte“, in Nassau „Gemeindevorsteher“. G. G.
nass., §. 3, Abs. 1.
* Auch der zweite Bürgermeister heißt hier
Senator, sofern er nicht rechtskundig und be-
soldet ist und dann Syndikus genannt wird.
St. O., §. 40. Der Titel Senator findet sich
auch in Schleswig-Holstein, vgl. St. O.
schlesw.-holst., §. 28.