Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

122 Zweiter Abschnitt. (8. 31.) 
der zu Wählenden, welche bei technischen Mitgliedern selbstverständliche Voraussetzung 
ist, haben nur das hannöversche und das kurhessische Gemeindegesetz aufgestellt. Ersteres 
verlangt, daß auch alle Bewerber um besoldete Magistratsstellen die persönlichen Voraus- 
setzungen erfüllen, welche zur Stimmfähigkeit eines Bürgers gehören, und daß — vor- 
behaltlich abweichender Festsetzungen des Ortsstatuts — ein Teil der Senatoren der Klasse 
der Handel= und Gewerbetreibenden angehöre oder angehört habe. Die krurhessische 
Gemeindeordnung schreibt vor, daß zu Ortsvorständen, d. h. Bürger= oder Oberbürger- 
meistern, nur zu solchem Amte befähigte und nicht in zerrütteten Vermögensumständen 
lebende Personen gewählt werden sollen, zu Oberbürgermeistern aber nur Männer, 
„welche sich über eine genügende Kenntnis der Rechts= und womöglich der Staatswissen- 
schaften, wenn diese nicht in früheren Dienstverhältnissen oder wissenschaftlichen Arbeiten 
außer Zweifel gesetzt ist, gehörig ausweisen, oder welche eine ausgezeichnete Befähigung 
zum Amte eines Oberbürgermeisters in mehrjähriger Bekleidung einer Verwaltungsstelle 
dargethan haben“.: Außerdem dürfen in Kurhessen alle zu Mitgliedern des Gemeinde- 
rates zu Wählenden nicht unter 25 und nicht über 70 Jahre alt sein, und die Hälfte 
oder bei ungerader Anzahl die Mehrzahl dieser Mitglieder muß den hochbesteuerten 
Ortsbürgern angehören. 
Einen Einfluß auf die Qualifikation der Magistratsmitglieder hat aber die neue 
Organisationsgesetzgebung insofern gehabt, als in allen denjenigen Städten, welche einen 
Stadtkreis bilden und daher einen Stadtausschuß zu errichten haben, der Bürgermeister 
oder ein anderes Magistratsmitglied zum Richteramte oder zum höheren Verwaltungs- 
dienste befähigt sein muß." 5 
II. Ausgeschlossen von der Mitgliedschaft des Stadtvorstandes sind: 
1) In den alten Provinzen, Schleswig-Holstein, Frankfurt a. M. und 
im Gebiete der Städteordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden: 
a) die Beamten und Mitglieder derjenigen Behörden, durch welche die Aufsicht 
des Staates über die Städte geführt wird?; 
b) die Stadtverordneten und Gemeindeunterbeamtens; 
Jc) Geistliche, Kirchendiener? und Lehrer an öffentlichen Schulen 10; 
  
1 St. O. hann., §. 40. * Vgl. oben S. 104, Anm. 2. 
: „Obgleich die Wählbarkeit zum Ortsvor- 
stande nicht durch das Ortsbürgerrecht bedingt 
ist, so kann derselbe doch sein Amt nicht früher 
annehmen und verwalten, als nachdem er das 
Ortsbürgerrecht erworben hat.“ G. O. kurh., 
8. 42. 
2 G. O., 8. 39. 
. V. G., §. 37; Sriel, S. 175, Anm. 2. 
* Besondere Eprrenu bezüglich der Religion 
können an die Magistratsmitglieder nicht ge- 
stellt werden. Die Bestimmung des Gesetzes 
v. 23. Juli 1847 (G. S., S. 263), daß Juden 
nur dann zu einem Kommunalamte zugelassen 
werden können, wenn mit einem solchen die 
Ausübung einer richterlichen, polizeilichen oder 
exekutiven Gewalt nicht verbunden ist, ist durch 
Art. 12 der Verfassung beseitigt. Die Juden 
sind nur noch von solchen Amtern ausgeschlossen, 
mit welchen die Leitung oder Beaufsichtigung 
einer Schul= oder Kultuseinrichtung verbunden 
ist. Juden können also auch Ratsmitglieder 
werden, dürfen dann aber in kirchlichen Ange- 
legenheiten und solchen christlicher Schulen, bei 
denen die Stadt beteiligt ist, nicht mitwirken. 
Vgl. Allerh. Erlaß v. 23. Mai 1860 (V. M. 
Bl., S. 142) und bezüglich des Kirchenpatronats 
n v. 30. Aug. 1816 (G. S., S. 207), 
Z. 5 
" St. O 
; frkf., ß. 39; schlesw. toolst., 8. 29 
  
. ö., wiesb. u. w., §. 30; rh., §§. 29, 
5 Zu den Gemeinde-Unterbeamten gehören 
im Sinne der St. Ordugn. alle städtischen 
Beamten, welche nicht im Stadtrat Sitz und 
Stimme haben, sondern unter demselben stehen 
(M. Reskr. v. 25. März 1840, V. M. Bl., S. 173, 
und v. 23. Juni 1858, V. M. Bl., S. 261). 
Nach den St. O. ö., wiesb. u. w. können in 
Städten über 10,000 Seelen auch die Gemeinde- 
einnehmer nicht Magistratsmitglieder sein. 
Über die Begriffe: Geistliche und Kirchen- 
diener vgl. unten §. 80. 
1% „Lehrer an öffentlichen Schulen“, also nicht 
nur wie vom Amt eines Stadtverordneten die 
Elementarlehrer (St. O. ö., §. 17, Z. 3), 
sondern alle an öffentlichen Schulen angestellten 
Lehrer, wozu besonders die Gymnasiallehrer 
und Docenten der Universität gehören, sind von 
der Magistratsmitgliedschaft ausgeschlossen. Der 
Entwurf von 1876 hatte auch hier nur die Ele- 
mentarlehrer ausgeschlossen, §. 47, Z. 5. Bei 
den Beratungen desselben im Abgeordneten- 
hause wurde überhaupt gegen die Ausschließung 
der Geistlichen und Lehrer von den Gemeinde- 
ämtern gesprochen. Besonders für kleinere 
Städte hielt man es für wertvoll, diese gebil- 
deten Elemente an der städtischen Verwaltung 
teilnebmen zu lassen, zumal gerade sie in sehr 
wichtigen Angelegenheiten, wie Schulfragen, 
kompetent wären. Es ist demgegenüber doch 
daran sestzuhalten, daß der Beamte keine voll-
	        
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