Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 32.) 129
8. 32.
4) Die Erledigung der Geschäfte des Stadtvorstandes.
I. Beim Bureausystem hat, wie bereits erwähnt, der Bürgermeister allein, und unter
eigener Verantwortung, die Geschäfte des Stadtvorstandes zu erledigen. Die Beigeordneten
arbeiten nach seinen Anweisungen und haben nur im Falle der Vertretung eine selbst-
ständige Entscheidung.?
II. Beim Kollegialsystem werden die Geschäfte im Wege der kollegialischen Beratung
und Beschlußfassung erledigt.3 Der Bürgermeister hat nur als Vorsitzender des Kolle-
giums einzelne ihm besonders beigelegte Rechte.
1) Das Magistratskollegium versammelt sich auf Berufung des Bürgermeisters,
so oft es die Geschäfte erfordern." Die Beschlußfassung erfolgt nach Stimmenmehrheit,
bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Zur Beschlußfähigkeit
der Versammlung ist erforderlich, daß in den östlichen Provinzen in Städten mit
mehr als 100,000 Einwohnern mindestens ein Drittel, in den übrigen Städten dieser
Landesteile aber ebenso wie in Frankfurt a. M., im Geltungsbereich der Städteordnung
für den Regierungsbezirk Wiesbaden und in Schleswig-Holstein die Hälfte, in
den westlichen Provinzen und in Nassau mehr als die Hälfte, und endlich in
Kurhessen zwei Drittel der Magistratsmitglieder? anwesend ", 7 sind.
Bei Beratungen über solche Gegenstände, welche das Privatinteresse eines Mit-
glieres des Magistrats oder seiner Angehörigen berühren, muß dasselbe sich der Teil-
nahme an der Beratung und Abstimmung enthalten, sich auch während der Beratung
aus dem Sitzungszimmer entfernen. #5
1 Leidig, S. 123 ff., 127 ff.; Steffen-
hagen, S8§. 62, 67; Schmitz, 88§. 13, 14.
: St. O. rh., §. 28.
: St. O. ö., wiesb. u. w., §. 57; rh., §. 75;
frkf., §. 64; schlesw.-holst., #§. 49, 64; hann.,
8. 73; G. O. kurh., §§. 65, 66; G. G. nass.,
88. 16, 17.
* In Kurhessen soll der Gemeinderat sich
regelmäßig alle 8 oder 14 Tage (G. O. kurh., §. 65),
in Nassau in Gemeinden mit mehr als 1500
Seelen wöchentlich einmal, in kleineren monat-
lich zweimal versammeln (G. O. kurh., §. 16). Im
übrigen kann natürlich der Bürgermeister ordent-
liche Sitzungstage ein für allemal bestimmen.
Eine Vorschrift, wonach der Bürgermeister ver-
pflichtet ist, auf Antrag eines Teiles der Mit-
glieder das Kollegium zu berufen, besteht nur
in Schleswig-Holstein (St. O. schlesw.-holst.,
§. 49, die Hälfte).
° In Kurhessen gilt dieselbe Vorschrift wie
bei der Stadtverordnetenversammlung: Ist der
ordnungsmäßig berufene Gemeinderat nicht be-
schlußfähig, so muß über die angesetzten Ange-
legenheiten eine weitere ordentliche Versammlung
anberaumt werden, und diese ist dann ohne Rück-
sicht auf die Zahl der Erschienenen beschlußfähig.
(G. O. kurh., §. 65, Abs. 7.) Für die übrigen
Rechtsgebiete fehlt es an einer ähnlichen Vorschrift.
* Auch beim Magistrat ist eine Abstimmung
durch schriftliche Einholung der Stimmen aus-
geschlessen; die Mitglieder sollen „anwesend“
sein. Selbst in eiligen Fällen ist die Stimm-
abgabe durch Umlauf ausgeschlossen, in diesen
ist vielmehr nach den meisten Gesetzen dem
Bürgermeister gestattet, vorläufig allein zu ent-
Schoen.
scheiden; die definitive Entscheidung ist aber
auch hier der nachfolgenden Beschlußfassung und
Abstimmung der versammelten Mazistratemit=
glieder vorbehalten. Ortel, S. 312, Anm. 1.
7 In Hannover ist für die Beschlußfähig-
keit eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern
nicht vorgeschrieben.
5 Ist der Magistrat infolge solcher Ausschei-
dungen beschlußunfäbig geworden, so ist in
Kurhessen zunächst zu versuchen, ihn bis zur
beschlußfähigen Anzahl durch Einberufung von
außerordentlichen unbeteiligten Mitgliedern des
Ausschusses zu ergänzen (G. O. kurb., §. 66,
Abs. 1). Kann dies nicht geschehen, so be-
schließt in dem betreffenden Falle die Aufsichts-
behörde oder jetzt nach Zust. G., §. 17, Z. 2, der
Bez. A. Abnlich hat in Schleswig-Holstein
bei Beschlußunfähigkeit eines oder beider städti-
schen Kollegien der Bez. A. für die Wahrung
des Gemeindeinteresses zu sorgen und nötigen-
falls einen besonderen Vertreter für das behin-
derte städtische Kollegium oder beide Kollegien
zu bestellen (St. O., §. 64, Abs. 2, in Verb. m.
Zust. G., a. a. O.). In den übrigen Rechtsge-
bieten ist der Bez. A. nicht berufen, an Stelle
des durch widersprechende Interessen beschluß-
unfähig gewordenen Magistrats zu beschließen,
denn nach Zust. G., §. 17, Z. 2, ist ihm diese Be-
schlußfassung nur übertragen, soweit eine solche
nach den Gemeindeverfassungsgesetzen der Auf-
sichtsbehörde zusteht. Letztere enthalten eine
diesbezügliche Vorschrift aber nicht. Die St.
O. ö. und die ihr nachgebildeten Gesetze Über-
tragen der Aufsichtsbehörde die eventuelle Be-
schlußfassung an Stelle der durch widerstreitende
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