Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

130 Zweiter Abschnitt. (8. 32.) 
2) Der Bürgermeister hat als Vorsitzender des Kollegiums die Geschäfte desselben 
vorzubereiten, die Versammlungen zu berufen, die Verhandlungen zu leiten und die Be- 
schlüsse auszuführen. Zum Zwecke der Leitung des formellen Geschäftsganges, zum regel- 
mäßigen ununterbrochenen Fortgange und zur Kontrolle desselben kann er Anordnungen 
und Instruktionen erlassen; ihm liegt die Geschäftsverteilung ob. In allen Fällen, in 
welchen die vorherige Beschlußfassung durch den Magistrat einen nachteiligen Zeitverlust 
verursachen würde, soll der Bürgermeister die dem Magistrat zukommenden Geschäfte 
vorläufig allein besorgen, vorbehaltlich der Bestätigung oder anderweiter Beschlußfassung 
des Kollegiums bei der nächsten Sitzung. 
Bei Ausführung der Magistratsbeschlüsse erscheint der Bürgermeister nicht als ein 
willenloses Exekutivorgan, er hat vielmehr selbst über die Ausführung zu befinden. Er 
soll diese beanstanden, wenn die Beschlüsse nach seiner Ansicht das Staatswohl oder 
das Gemeindeinteresse verletzen; er ist zur Beanstandung geradezu verpflichtet und 
kann nötigenfalls durch die Aufsichtsbehörde angewiesen werden, wenn die Beschlüsse die 
Befugnisse des Magistrats überschreiten, gesetz= oder rechtswidrig sind. 
Der Bürgermeister ist der unmittelbare Vorgesetzte der Mitglieder des Magistrats- 
kollegiums und seiner Unterbeamten, und der mittelbare Vorgesetzte sämtlicher übrigen 
Kommunalbeamten. Alle diese Personen sind daher verpflichtet, ihm in amtlichen An- 
gelegenheiten unbedingt Folge zu leisten und jede Auskunft über die zu ihrem Ressort 
gehörigen Gegenstände mündlich oder schriftlich zu erteilen. Er ist berechtigt, zur Er- 
haltung der nötigen Disziplin den Gemeindebeamten Geldbußen bis zu 9 Mark und 
außerdem den unteren Beamten Arreststrafen bis zu drei Tagen aufzuerlegen "; auch 
muß er auf Grund des §. 18 des Disziplinargesetzes v. 21. Juli 1852 (G. S., S. 465) 
zur Verhängung von Ordnungsstrafen in Form von Warnungen und Verweisen gegen 
Mitglieder des Magistrats für befugt erachtet werden. 
  
Interessen beschlußunfähig gewordenen Stadt- 
verordnetenversammlung (St. O. ö., F. 44), aber 
nicht an Stelle des aus nämlichem Grunde be- 
schlußunfähig gewordenen Magistrats (St. O. ö., 
5. 57, Abs. 3). Bgl. Ortel, S. 313, Anm. 4; 
v. Brauchitsch, I, S. 216, Anm. 45; And. 
Meing. Leidig, S. 124. Die Frage, was im Ge- 
biete der letztgedachten St. Ordugn. zu geschehen 
hat, wenn aus in Rede stehendem Grunde der 
Magistrat beschlußunfähig wird, läßt sich aus 
den Gesetzen nicht beantworten. Aus der Fas- 
sung des §. 57, Abs. 3, a. a. O., ist weder zu 
entnehmen, daß der Magistrat nun unter allen 
Umständen, trotz der infolge persönlicher Be- 
teiligung herbeigeführten Beschlußunfähigkeit, 
den erforderlichen Beschluß fassen müßte, noch 
daß die Sache auf sich beruhen bleiben muß. 
„Das Auskunftsmittel beruht in dem Oberauf- 
sichtsrechte des Regierungspräsidenten. Ihm 
liegt es ob, dafür zu sorgen, daß die Verwal- 
tung im vorgeschriebenen Gange bleibt.“ Hält 
auch er den Magistrat für nicht beschlußfähig, so 
„erübrigt nur, von Aufsichtswegen einen Kom- 
missar ad hoc zu ernennen und ihm die Be- 
schlußfassung zu übertragen"“. O. BV. G., XXV, 
S. 50 
* Die Sitzungen des Magistrats sind nicht 
öffentlich; nur im G. G. nass., §. 15, ist Offent- 
lichkeit für dieselben vorgeschrieben. 
1 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 58, Abs. 1 u. 2; 
rh., 88. 75, 76; frkf., 8. 65, Abs. 1 u. 2; schlesw.= 
holst., §. 61, Abs. 1 u. 3; hann., §§. 74, 75; 
G. O. kurh., §. 59; G. G. nass., §. 18. 
: St. O. ö., wiesb. u. w., §. 57, Abs. 2; rh., S. 75, 
Abs. 2z frkf., S.64, Abs.1;schlesw.-holst., §.61, Abs.2 
(wegen Verletzung des Gemeindeinteresses hat 
  
der Bürgermeister in Schleswig-Holstein 
kein Beanstandungsrecht). Nach den nichtpreu- 
Hischen Gesetzen steht dem Bürgermeister ein 
Beanstandungsrecht solcher Gemeindebeschlüsse, 
die nach seiner Ansicht das Staatswohl oder 
das Gemeindeinteresse verletzen, überhaupt nicht 
zu. Uberall kommt ihm aber das Recht bezw. 
die Pflicht zu, gesetz= oder kompetenzwidrige 
Beschlüsse zu beanstanden, in dieser Beziehung 
hat Zust. G., §. 15, einheitliches Recht geschaffen. 
Vgl. v. Brauchitsch, I, S. 211, Anm. 35. 
Das auf die Beanstandungsverfügung folgende 
weitere Verfahren ist bald das Beschluß-, bald 
das Verwaltungsstreitverfahren, ebenso wie beie 
Beanstandung von Gemeindebeschlüssen durch den 
Stadtvorstand und richtet sich nach dem Grunde 
der Beanstandung. Vgl. die auch bier zutreffen- 
den Ausführungen in §F. 34 unter IV, 2, S. 138. 
* §. 20, Abs. 1 der Instr. v. 25. Mai 1835. 
* Zur Verhängung solcher Geldbußen ist der 
Bürgermeister nach §. 19, Abs. 3 des Diszi- 
plinargesetzes v. 21. Juli 1852 nur da berech- 
tigt, wo ihm diese Befugnis durch besondere 
Gesetze beigelegt ist. Diesbezügliche Bestim- 
mungen enthalten: St. O. ö., wiesb. u. w., 
§. 58, Abs. 3; schlesw.-holst., §. 61, Abs. 4; frkf., 
§ 65, Abs. 3; G. O. kurh., §. 103 (hier kann 
er Geldbußen bis zu 9 Mark nur in den Haupt- 
städten, in den anderen bloß Geldbußen bis zu 
6 Mark verbängen). 
5 Die Frage, ob dieses Recht dem Bürger- 
meister zusteht, ist eine sehr bestrittene. as 
O. V. G. hat sie im obigen Sinne entschieden 
(O. V. G., XVII, S. 444), indem es annimmt, 
daß dieses geringste Disziplinarstrafrecht als 
eine unentbehrliche Ausrüstung dessen angesehen
	        
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