Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 34.) 133
F. 34. .
C. Die Zuständigkeit des Stadtvorstandes und der Stadtverordnetenversammlung;
das Verhältnis beider Kollegien zu einander.!
I. Der Stadtvorstand ist Obrigkeit und Gemeindeverwaltungsbehörde zugleich.
1) In seiner ersten Eigenschaft ist er Organ der Staatsgewalt und als solches
berufen, Gesetze, Verordnungen und Verfügungen der vorgesetzten Behörden auszuführen,
das gesamte Stadtwesen zu beaufsichtigen und die deshalb erforderlichen obrigkeitlichen
Maßregeln zu treffen. In diesen Beziehungen ist er unabhängig von der Stadtgemeinde,
an keine Mitwirkung der Stadtverordnetenversammlung gebunden und allein den Staats-
behörden verantwortlich.
2) Als Stadtbehörde verwaltet der Stadtverstand die städtischen Gemeindeanstalten,
oder beaufsichtigt die für dieselben besonders eingesetzten Verwaltungen, er übt das
städtische Patronatsrecht aus, verwaltet die Einkünfte und das Grundeigentum der Stadt,
bewahrt ihre Akten und Urkunden auf und leitet das Kassen= und Rechnungswesen,
verteilt die Gemeindeabgaben und Dienste nach den Gesetzen und Beschlüssen auf die
Verpflichteten und bewirkt ihre Beitreibung; er stellt die Beamten an, führt die Aufsicht
über sie und bestimmt die zu leistenden Kautionen, und zwar ist er in diesen Angelegen-
heiten der Stadtverordnetenversammlung verantwortlich und an ihre im Gesetze geordnete
Mitwirkung gebunden.
Allein ist dagegen der Stadtvorstand überall berufen, den Willen der Stadtpersön-
lichkeit auszuführen, diese nach außen zu vertreten. Er verhandelt namens der Stadt
mit Privatpersonen und Behörden, führt den Schriftwechsel und vollzieht die Urschriften
der Gemeindeurkunden. Die Ausfertigungen werden regelmäßig nur vom Bürgermeister
unterzeichnet, sind sie jedoch wirkliche Urkunden, so müssen sie in Hannover von sämt-
lichen Ratsmitgliedern unterschrieben werden :; dasselbe gilt von allen Schuldbekennt-
nissen und Prozeßvollmachten in Kurhessen.“ In den Städten der alten Provinzen
mit kollegialischer Magistratsverfassung und in Frankfurt a. M. sind Ausfertigungen von
Urkunden, in welchen die Stadtgemeinde Verpflichtungen übernimmt, vom Bürgermeister
und einem Magistratsmitgliede, in Schleswig-Holstein auch noch von dem Stadt-
verordnetenvorsteher und seinem Stellvertreter zu vollziehen, während in Hannover
die Unterschrift des Wortführers des Bürgervorsteherkollegiums nur bei Stadtobligationen
erforderlich ist. In Fällen, wo die Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu dem beur-
kundeten Geschäfte erforderlich ist, muß dieselbe in den alten Provinzen, Frank-
furt a. M. und Kurhessen in beglaubigter Form beigefügt werden, in Hannover
und Schleswig-Holstein genügt dagegen die Bezugnahme auf sie in der Ausfertigung.
Der Magistrat hat die Vertretung der Gemeinde vor Gericht, er allein führt die
Prozesse und stellt die Prozeßvollmachten aus."
1 Leidig, S. 100 ff. u. S. 129 ff.; v. Möl-
ler, St., §§. 28, 50; Steffenhagen, 898. 52,
53 u. 66; Schmitz, 8§. 15, 19; Grotefend,
88. 244, 246. Bgl. auch Blodig, Selbstver-
verwaltung, S. 180 ff.
St. O. ö., wiesb. u. w., 8. 56; rh., s§. 53,
74; frkf., §. 63; schlesw.-holst., §§. 58, 59 u.
60; hann., 8. 71. 72; G. O. kurh., §§. 59, 60,
61 u. 63; G. G. nass., §#§. 14, 18.
2 St. O. hann., 8. 71, Abs. 2, u. S. 74, Abf. 3.
4 G. O. kurh., S§. 60, Abs. 1 u. 3.
2 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 56, Z. Z; frkf.,
8. 63, Z. 8; schlesw.-bolst., §. 60, Z. 7; hann.,
5. 71, Abs. 2; G. O. kurh., §s. 60, Abs. 3 (bier
muß in den Fällen, in welchen zur Gültigkeit
eines Rechtsgeschäfts die Beistimmung des Ge-
meindeausschusses erforderlich ist, auch die Zu-
stimmung des letzteren in begl. Form beigefügt
werden). G. G. nass., §. 19, Abs. 1.
* Soll der Magistrat auch nicht ohne Zu-
stimmung der Stadtverordneten Prozesse an-
strengen, sich auf solche einlassen und Verpflich-
tungen übernehmen, so ist dies doch nur eine
interne Angelegenheit. Unterläßt er die Ein-
holung des Genehmigungsbeschlusses, so macht
er sich dafür verantwortlich; vor Gericht ist er
aber ohne weiteres zur Prozeßführung legiti-
miert, und die von ihm ausgestellten Urkunden
verpflichten die Gemeinde, selbst wenn der er-
forderliche Stadtverordnetenbeschluß gar nicht
berbeigefübrt ist; die Stadtgemeinde bat Dritten
gegenüber die Versehen und Vernachlässigungen
ihrer Beamten zu vertreten. Eine Beifügung
des Genebmigungsbeschlusses zu der Prozeß