Ortsgemeinden; das geltende Recht. (. 34.) 135
ihrer Thätigkeit ziehen, was die Wohlfahrt des Ganzen, die wirtschaftliche wie geistige
Entwickelung des Einzelnen fördert. Ihr kommt zwar, wie unten näher zu erörtern, die
Einrichtung, Übernahme und Unterstützung gemeinnütziger Anstalten zu, ihr gebührt zwar
die Pflege aller Interessen ihrer Angehörigen und ganz allgemein die Disposition über die
vorhandenen Mittel — dieses alles aber immer nur unter der Voraussetzung, daß sie
oder ihre Organe sich auf die Wahrung der Interessen der örtlichen Gemeinschaft,
auf die Vertretung lokaler Interessen beschränken. Damit soll jedoch nicht gesagt
werden, daß Gemeindeangelegenheiten nur solche sind, welche ausschließlich für den
eigenen örtlichen Gebietskreis der Gemeinde von Interesse sind, auch Angelegenheiten,
die über dieses enge Territorium hinaus eine Bedeutung haben, die zum Gegenstande
der Politik gehören, können Gemeindeangelegenheiten sein, sofern nur zugleich die
Stadtgemeinde als solche ein Interesse an ihnen hat.! Diese weitgehende Macht
der Stadtverordneten zeigt sich a) am meisten in den Städten mit Bürgermeisterei-
verfassung, wo der Bürgermeister lediglich als Exekutivorgan der Stadtverordneten-
versammlung erscheint und die Beschlüsse derselben nur in den gesetzlich bestimmten
Fällen beanstanden kann?; b) wesentlich modifiziert in den hier in Betracht kommenden
Städten mit kollegialischer Magistratsverfassung. Für diese gilt allgemein der Satz:
„Die Beschlüsse der Stadtverordneten bedürfen, wenn sie solche An-
gelegenheiten betreffen, welche durch das Gesetz dem Magistrate zur
Ausführung überwiesen sind“ — dies sind aber, da die Stadtverordneten nichts
ausführen können, alle Beschlüsse, nach welchen etwas geschehen oder in Zukunft nicht
mehr geschehen soll — „der Zustimmung des Magistrats.“ Darin spricht sich
das Resultat einer lange angebahnten Entwickelung aus: die Umbildung des Magistrats
aus einer lediglich exekutiven Behörde, wie er in der Städteordnung von 1808 erscheint,
in eine beschließende. Schon die Städteordnung von 1831 forderte für gewisse Ver-
waltungsakte einen übereinstimmenden Beschluß beider Kollegien und räumte in anderen
Fällen dem Magistrat ein Bestätigungsrecht des Stadtverordnetenbeschlusses ein. Die
Gemeindeordnung beseitigte das Bestätigungsrecht zwar ganz, gab dafür. aber dem
Magistrat das Recht, die Ausführung solcher Stadtverordnetenbeschlüsse zu beanstanden,
welche nach seiner Ansicht dem Gemeindeinteresse widersprachen, und jetzt ist dieses
beschränkte Vetorecht in ein allgemeines Zustimmungsrecht umgewandelt. Der Stadt-
verordnetenversammlung andererseits ist die selbständige Beratung und Beschlußfassung in
Gemeindeangelegenheiten belassen, gleichzeitig ist ihr aber auch eine thätige Einwirkung
auf die Verwaltung selbst gewährt, indem sie die Verwaltung des Magistrats in weit-
gehender Weise zu kontrollieren hat.“
Im Hinblick auf diese Bestimmungen kann man heute nicht mehr die Stadt-
verordnetenversammlung einfach als beschließendes und ebenso wenig den Magistrat als
bloß ausführendes Organ bezeichnen. Jedem Beschluß der Stadtverordneten muß ein
solcher des Magistrats vorangehen, welcher ihn vorbereitet, und jeder Beschluß der Stadt-
verordneten bedarf zu seiner Gültigkeit eines nachfolgenden zustimmenden Beschlusses des
1 Das O. V. G. (vgl. die in voriger Anm. steht. Die Thätigkeit der Stadtverordneten bei
cit. Entsch.) hat daher eine Petition der Stadt-
verordneten zu Stettin an den Reichstag, welche
einen Antrag gegen die Erhöhung der Getreide-
zölle enthielt und somit nicht nur für die Lokal-
interessen Stettins, sondern für die des ganzen
Reiches von Bedeutung war, für erlaubt er-
achtet, weil dieselbe insbesondere den In-
teressen dieser See= und Handelsstadt
entsprach. Dagegen hat es einen Stadtverord-
netenbeschluß, welcher die Bewilligung von
Reisekosten aus dem Kämmereivermögen an
städtische Wahlmänner für die Wahl eines
Landtagsabgeordneten betraf, nicht gebilligt,
weil derselbe mit den lokalen Interessen, mit
der örtlichen Gemeinschaft, mit der Pflege der
fittlichen und wirtschaftlichen Wohlfahrt der Ge-
meindeangehörigen in keinem Zusammenhange
Ausübung des den Behörden und Korporationen
in Art. 32 der Verf. Urk. eingeräumten Petitions-
rechts beschränkt sich auf die Beschlußfassung über
Einbringung und Inhalt der Petition, die Ein-
bringung selbst muß, da die Stadtverordneten
ihre Beslüsse nicht ausführen können, durch
den Magistrat erfolgen.
2 St. O. rh., §. 53, Z. 2. „Der Bürger-
meister hat“ . . . 2) „die Beschlüsse der Stadt-
verordnetenversammlung vorzubereiten und, so-
fern er dieselben nicht förmlich beanstandet,
zur Ausführung zu bringen.“
2 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 36; frkf., §. 46.
4 St. O. ö., wiesb. u. w., §. 37; rb., §. 35;
frkf., §. 47.
* Ausgenommen sind nur diejenigen Beschlüsse,
welche keiner Ausführung bedürfen, durch welche