136 Zweiter Abschnitt. (8. 34.)
Magistrats. Damit ist dieser eine nicht minder beschließende Behörde als die Stadt-
verordnetenversammlung geworden; er hat eine gleichberechtigte Stellung mit derselben
erlangt, indem er ihre Beschlüsse nur auszuführen hat, „sofern er sich mit denselben
einverstanden erklärt". Auf dem Gebiete der Exekutive und Verwaltung dagegen kon-
trolliert die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat, sodaß jener auch hier nicht
jede Mitwirkung entzogen ist.
2) In den übrigen Territorien hat der Magistrat das Übergewicht. Diese
zerfallen wiederum in zwei Gruppen: a) In Schleswig-Holstein und Hannover
ist der Magistrat für alle Gemeindeangelegenheiten ausführendes wie auch beschließendes
Organ. Den Stadtverordneten wird, wenn auch in weitem Umfange, eine nur „mitwirkende
Beschlußfassung“ eingeräumt, welche in der hier die Regel bildenden gemeinschaftlichen
Beschlußfassung beider Kollegien den besten Ausdruck findet. Dieselbe soll sich in
Schleswig-Holstein auf alle Gemeindeangelegenheiten erstrecken, welche nicht dem
Magistrat durch Gesetz oder Ortsstatut ausschließlich überwiesen sind 1, während in
Hannover umgekehrt für die freie Beweglichkeit des Magistrats zu präsumieren ist
und die Städteordnung und das Ortsstatut bestimmen sollen, inwieweit derselbe an die
Zustimmung der Bürgervorsteher gebunden ist." b) In Kurhessen und Nassau endlich
tritt die Einwirkung der Gemeindevertretung auf die Verwaltung gänzlich zurück. Hier
hat die Gemeindevertretung nur zu einigen im Gesetze genau bestimmten wichtigen
Angelegenheiten, wie Disposition über Immobilien, Neueinführung oder Veränderung
von Gemeindeabgaben oder Diensten, Aufnahme von Darlehen, Führung von Prozessen,
Aufstellung des Etats 3 — in Nassau auch hierzu nicht einmal" — die Genehmigung
zu erteilen.
Entsprechend der beschränkteren Thätigkeit der Stadtverordnetenversammlungen auf
dem Gebiete der Beschlußfassung ist auch ihre Kontrollbefugnis gegenüber dem Stadt-
vorstande in den letztbesprochenen Territorien eine mehr oder minder begrenzte. Während
dieselbe sich in den alten Provinzen auf die ganze städtische Verwaltung erstreckt,
kann sie in Schleswig-Holstein nur gegenüber denjenigen Maßnahmen des Magistrats
ausgeübt werden, die sich als „Befolgung und Ausführungen der Gemeindebeschlüsse“
darstellen und nicht durch Gesetz oder Ortsstatut der selbständigen Beschlußfassung des
Magistrats überwiesen sind.3 In Hannover ist das Kontrollrecht auf das Gebiet der
städtischen Finanzverwaltung 5 und in den übrigen Territorien noch weiter beschränkt,
sodaß es eigentlich nur in dem Rechte zur Abnahme der Jahresrechnung besteht.
IV. Das Kontrollrecht der beiden städtischen Organe ist ein wechselseitiges.
1) Soweit es nach dem unter III. Erörterten der Stadtverordnetenversammlung
zusteht?, ist diese besonders berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse und
der Verwendung aller Gemeindeeinnahmen zu überzeugen, Mißbräuche und Mängel in
die Stadtverordneten festsetzen, daß etwas, was
auch bisher nicht gescheben ist, nicht geschehen soll.
Leidig, S. 102; Ortel, S. 190, Anm. 1.
1 St. O. schlesw.-bolst., §. 63.
* St. O. hann., §§. 97, 98. Die Aufzählung
der Fälle, in welchen die Bürgervorsteher zuzu-
ziehen sind, in §. 97 cit. unter 10 Ziffern, ist nur
exemplifikatorisch und soll ecben durch das Orts-
statut ergänzt werden. Die unter Z. 9 erwähnte
Zuziehung zu Entscheidungen über Beschwerden
gegen die Heranziehung zu den Gemeindelasten
ist aber nach §. 18 des Zust. G. beseitigt. Der
Magistrat kann auch zu seiner alleinigen Kom-
petenz gehörige Gegenstände den Bürgervorstebern
vorlegen, ist aber dann an deren Beschluß-
fassung ebenso gebunden, wie wenn die Sache
zur ursprünglichen Kompetenz derselben gebörte.
* Ebenso in Hobenzollern= Sigmarin-
gen. G. O. sigm., §. 126. Nach der St. O.
hech., welche Überbaupt der östlichen St. O.
näber steht als die übrigen südlichen St. Ordugn.,
ist die Zustimmung des Bürgerausschusses zu
allen wichtigen, die ganze Gemeinde betr. An-
gelegenbeiten notwendig; auch steht ibm eine
weitgebende Kontrolle der städtischen Verwal-
tung zu.
Der Etat wird bier vom Gemeinderat dem
Bürgerausschuß nur vorgelesen und dann vom
ersteren mit Genebmigung der Aussichtsbebörde
festgestellt. G. G. nass., 98. 64, 65.
* St. O. schlesw.-bolst., S. 63.
6 St. O. bann., §. 96, Abs. 1, letzter Satz.
*Dasselbe beziebt sich auch da, wo es ein
allgemeines ist, nur auf diejenige Verwaltung,
bei welcher die Stadtverordneten mitzuwirken
haben, also besonders nicht auf die, welche der
Magistrat als Organ der Staatsgewalt führt,
und kaun immer nur von der Stadtverord
netenversammlung als solcher oder den von ibr
bestellten Ausschüssen, nie von dem einzelnen
Stadtverordneten ausgeübt werden.