Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 39.) 157 
Beamten zu. Daß trotzdem kommunalen Beamten gegenüber der Staat, ihr nur mittel- 
barer Dienstherr, die Disziplinargewalt in weitem Umfange ausübt, folgt daraus, daß 
alle Selbstverwaltung nur dezentralisierte Staatsverwaltung ist, und daher die Selbst- 
verwaltungskörper nur diejenigen Rechte ausüben können, welche ihnen der Staat ein- 
geräumt hat. Die Disziplinargewalt hat daher das Bestehen eines Dienstverhältnisses 
zur notwendigen Voraussetzung, ihre Strafen sind keine öffentlichen, sondern dürfen sich 
nur innerhalb des Dienstverhältnisses bewegen, und jedes Disziplinarverfahren findet 
sein Ende mit der Auflösung dieses Verhältnisses, sei es, daß sie als äußerste Disziplinar= 
strafe vom Disziplinarrichter ausgesprochen wird, oder daß sie der Angeschuldigte während 
des Verfahrens selbst verlangt, indem er seine Entlassung mit Verzicht auf Titel, Gehalt 
und Pension beantragt. 
Die Disziplinarstrafen sind entweder Ordnungsstrafen oder Entfernung aus dem 
Amte. Erstere wollen einer Verletzung der Dienstpflichten entgegentreten und einer 
Wiederholung solcher Verletzung vorbeugen. Durch diese Zweckbestimmung unterscheiden 
sie sich wesentlich von den Zwangsstrafen gegen Beamte, welche diesen von ihren über- 
geordneten Behörden behufs Sicherung und Erzwingung der Ausführung spezieller dienst- 
licher Aufträge angedroht und eventuell gegen sie vollstreckt werden. Die Ordnungsstrafen 
sind Warnungen, Verweise, Geldstrafen und für untere Gemeindebeamte auch Arrest.2 
Warnungen und Verweise kann jeder Vorgesetzte seinen untergebenen Beamten 
erteilen. 
Der Regierungspräsident kann außerdem gegen alle städtischen Beamten Geld- 
bußen bis zu 90 Mark verhängen, sofern dadurch nicht bei besoldeten Beamten der 
Betrag des einmonatlichen Diensteinkommens überschritten wird"; die unteren Beamten 
kann er mit Arreststrafe bis zu acht Tagen belegen. Gegen seine Strafverfügungen 
findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Oberpräsidenten und gegen den 
auf Beschwerde ergehenden Beschluß desselben innerhalb zwei Wochen die Klage beim 
Oberverwaltungsgerichte statt. 
Der Minister des Innern ist befugt, allen Beamten der städtischen Verwaltung 
Geldstrafen aufzuerlegen, die bei den besoldeten Beamten die Höhe des monatlichen Dienst- 
einkommens, bei den unbesoldeten 90 Mark nicht übersteigen dürfen. Ein Rechts- 
mittel gegen die ministerielle Strafverfügung ist nicht gegeben. 
Die Landräte können gegen die Bürgermeister oder Magistratsmitglieder der kreis- 
angehörigen Städte, welche die Polizei zu verwalten haben, Geldstrafen bis zu 9 Mark 
festsetzen, wogegen den Betroffenen lediglich die Beschwerde im Instanzenzuge offen steht.7 
Endlich haben die Bürgermeister in den meisten Rechtsgebieten ein beschränktes, 
oben S. 130 bereits näher bezeichnetes, Disziplinarstrafrecht gegen die Gemeindebeamten. 
  
  
1 S. 100 des Diszipl. G. v. 21. Juli 1852; 
Kr. O. ö., §. 65; M. Reskr. v. 5. Juli 1886 
(B. M. Bl., S. 133); O. V. G., V, S. 75. 
2 Nur die Geldstrafe, an deren Stelle even- 
tuell Haft tritt, findet sich auch als Zwangs- 
(Exekutiv-strafe. Im übrigen hat die Zwangs- 
strafe andere Formen als die Ordnungsstrafe. 
Sie besteht besonders in Androhung der Lei- 
stung durch einen Dritten auf Kosten des Ver- 
pflichteten, in unmittelbarem Zwange gegen die 
Person des letzteren; L. V. G., §. 132; auch 
portopflichtige Erinnerungen gehören hierher. 
Uber das Recht des Bürgermeisters, den 
Magistratsmitgliedern Warnungen und Ver- 
weise zu erteilen, vgl. oben S. 130, Anm. 5. 
4 Bekleidet dieselbe Person zwei Amter, hin- 
sichtlich deren sie verschiedenen Disziplinarbehör= 
den untersteht, so kann naturgemäß sowohl die 
im Haupt= wie die im Nebenamte vorgesetzte 
Dienstbehörde Ordnungsstrafen verhängen (O. 
V. G., V. S. 414), und zwar ist nach den Aus- 
fübrungen des O. V. G., XXV, S. 414, keine 
der keiden Dienstbehörden behindert, gegen solche 
  
Beamte Strafen bis zum einmonatlichen Be- 
trage, des gesamten Diensteinkommens aus bei- 
den Amtern zu verhängen. 
* In Berlin tritt an Stelle des Regierungs- 
präsidenten der Oberpräsident, gegen dessen 
Verfügung in zwei Wochen die Klage beim 
O. V. G. stattfindet; in Hohenzollern greift 
dieselbe gegen die Strafverfügung des Regie- 
rungspräsidenten unmittelbar Platz. Zust. G., 
§. 20, Z. 1. — Die Entscheidung von Klagen, 
welche die Verhängung von Ordnungsstrafen 
zum Gegenstande haben, steht nach dem Ges. 
betr. das Disziplinarverfahren bei dem O. V. G. 
v. 8. Mai 1889 (G. S., S. 107) dem I. Senat 
des O. V. G. zu. 
* Diszipl. G., §. 19, Abs. 7, und dazu v. 
Brauchitsch, Bd. I, Anm. 63 zu §. 20 des 
Zust. G.; O. B. G., XVI, S. 404; XXVI, 
S. 423. 
7 Diszipl. G., §. 19, Abs. 2, und v. Brau- 
itsch, l.c.; Diszipl. G., §. 21, und v. Brau- 
tsch, Anm. 22 zu diesem §.
	        
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