Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

164 Zweiter Abschnitt. 
(. 41.) 
a) in den östlichen Provinzen und in Schleswig-Holstein formell zwei 
Wege, um beabsichtigte Neubildungen gedachter Art durchzuführen, nämlich: a) die Auf- 
lösung des zu inkommunalisierenden Gemeinwesens, an welche sich die Einverleibung 
der hierdurch bezirksfrei werdenden Grundstücke nach Maßgabe der unter 1) besprochenen 
Vorschriften anschließt; 8) die Ersetzung des mangelnden Einverständnisses. 
Die Auflösung erfolgt durch den König und hat zur Voraussetzung, daß die aufzulösenden 
Gemeinden und Gutsbezirke „ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außer 
stande sind“ die Ersetzung des mangelnden Einverständnisses erfolgt durch Beschluß des 
Kreisausschusses und der demselben für dieses Verfahren im Beschwerdezuge übergeordneten 
Instanzen und hat zur Voraussetzung, daß ein öffentliches Interesse sie erheischt. Ein 
solches ist nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes aber nur dann als vorliegend an- 
usehen 12 
aga) wenn Landgemeinden oder Gutsbezirke ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen 
zu erfüllen außer stande sind, was jedoch nicht schon allein dadurch als nachgewiesen zu 
erachten ist, daß sie Bedürfniszuschüsse vom Staate, Provinzial= oder Kreisverbande er- 
halten, sondern immer erst die Feststellung erfordert, daß eine wirkliche und dauernde 
Leistungsunfähigkeit zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen vorliegt, daß 
die Gewährung jener Zuschüsse also nicht etwa nur auf wohlwollender Fürsorge, auf 
ungenügender Prüfung der Leistungsfähigkeit oder auf einem nur vorübergehenden Zu- 
stande der letzteren beruht?; 
88) wenn die Zersplitterung eines Gutsbezirkes oder die Bildung von Kolonien 
in einem Gutsbezirke in dem Umfange vorliegt, daß das Kennzeichen der Einheit des 
Besitzes verloren gegangen ist, und die Abtrennung einzelner Teile des Gutsbezirkes 
oder dessen Umwandlung in eine Landgemeinde oder dessen Zuschlagung zu einer oder 
mehreren Landgemeinden notwendig wird; 
hywenn infolge örtlich verbundener Lage mehrerer Landgemeinden oder von Guts- 
bezirken und Teilen derselben mit Landgemeinden ein erheblicher Widerstreit der kommu- 
nalen Interessen entstanden ist, dessen Ausgleichung auch durch Bildung von Zweck- 
verbänden nicht zu erreichen ist. 
Nur wenn eine dieser drei Voraussetzungen gegeben ist, kann der Kreisausschuß 
im Beschlußverfahren das Einverständnis der Beteiligten ersetzen; fehlt es an einer 
solchen, so muß mangels freiwilliger Zustimmung der letzteren von der beabsichtigten 
Umkommunalisierung Abstand genommen werden. 
Gegen den die Ersetzung des Einverständnisses betreffenden Beschluß des Kreis- 
ausschusses steht den Beteiligten und nach Maßgabe des §. 123 des Gesetzes über die 
allgemeine Landesverwaltung v. 30. Juli 1883 (G. S., S. 195) auch dem Vorsitzenden 
des Kreisausschusses die Beschwerde an den Bezirksausschuß, gegen den auf die Beschwerde 
gefaßten Beschluß des letzteren den Beteiligten und dem Vorsitzenden des Bezirks- 
ausschusses (diesem nach §. 123 a. a. O.) die weitere Beschwerde an den Provinzialrat 
und endlich gegen den Beschluß des Provinzialrates noch dem Oberpräsidenten nach 
§. 123 a. a. O. — nicht aber den Beteiligten —, sofern er das öffentliche Interesse 
durch den Beschluß für gefährdet erachtet, eine Beschwerde an das Staatsministerium offen. 
  
1 L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., 8. 2, Z. 5. 
2 Ausf. Anw. II, zu §. 2, Z. 5, litt. a. Die 
hier besprochene Voraussetzung, bei deren Vor- 
handensein ein öffentliches Interesse als vor- 
liegend angenommen wird, ist die nämliche, 
welche zur Auflösung eines Gemeinwesens hin- 
reicht. Leistungsunfähige Landgemeinden und 
Gutsbezirke können daher bei mangelndem Ein- 
verständnis der Beteiligten wahlweise durch Er- 
setzung des Einverständnisses der Beteiligten oder 
durch Auflösung als selbständige Gebilde be- 
seitigt werden. Der erste Weg wird dann aus- 
eschlossen sein, wenn nicht das ganze aufzu- 
hedende Gemeinwesen mit einem anderen ver- 
einigt werden soll, sondern Teile desselben mit 
verschiedenen Gemeinden oder Gutsbezirken ver- 
  
bunden werden sollen, denn §. 2, Z. 3 spricht 
nur von der Verbindung ganzer Gemeinden 
und Gutsbezirke mit anderen Gemeinden und 
Gutsbezirken. 
Sind Zersplitterung oder Gemengelage (88 u. 
XJ im Text) die Gründe für die Umkommu- 
nalisierung, so kann diese, mangels Einverständ- 
nisses der Beteiligten, nur durch Ersetzung des- 
selben herbeigeführt werden. 
„ Die Fälle, in welchen nur einzelne Teile 
eines Gutsbezirks abgetrennt oder ganze Guts- 
bezirke mehreren Landgemeinden teilweise zu- 
eschlagen werden sollen, gebören eigentlich unter 
F. 3 des Textes der folgenden Seite; sie sind 
hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt.
	        
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