166 Zweiter Abschnitt. (8. 41.)
lich der den Beteiligten gegeneinander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren.
Diese Vorschrift der älteren preußischen Gemeindeordnungen und des Zuständigkeits-
gesetzes 1 enthält nur formelles Recht, ohne der Beschlußbehörde materielle Direktiven
für die Auseinandersetzung zu geben. Ein aus der AÄnderung der kommunalen Grenzen
entspringender Entschädigungsanspruch zwischen den Beteiligten, insbesondere wegen
etwaiger Mehrbelastung mit kommunalen Pflichten ist weder in ihr noch sonst irgendwo
in den gedachten Gesetzen konstatiert, und die Rechtsprechung hat daher wiederholt den
Satz ausgesprochen: „Solche Inkommunalisierungen erfolgen im öffentlichen Interesse;
ihre Wirkung der Erschwerung der Kommunallasten auf der einen, der Erleichterung der-
selben auf der anderen Seite ist eine zufällige, nebensächliche, für die kein Teil dem
anderen rechtlich aufzukommen verpflichtet ist.“
Dieser bisherige Rechtszustand ist neuerdings durch die Landgemeindeordnungen für
die östlichen Provinzen und für Schleswig-Holstein erheblich modifiziert. In An-
erkennung des Umstandes, daß durch die Abtrennung bewohnter Grundstücke, insbesondere
eigentlicher Kolonien, Gemeinden sowie Besitzer selbständiger Güter nicht selten einen
abschätzbaren Vorteil erlangen, indem sie von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen befreit
werden, welche ihnen bisher den Bewohnern dieser Grundstücke gegenüber oblagen, und
daß andererseits Gemeinden, welchen die Trennstücke einverleibt, oder neue Gemeinden,
welche aus ihnen gebildet werden, oft überhaupt nicht oder nur schwer im stande sind, aus
eigenen Mitteln die Aufwendungen für die kommunalen Bedürfnisse der Bewohner der in
Rede stehenden Grundstücke zu bestreiten — fühlte man das Bedürfnis, den Gemeinden,
welchen durch solche Inkommunalisierung neue Lasten erwachsen, gegen diejenigen, welche
aus der Abtrennung dieser Grundstücke Vorteile ziehen, einen Anspruch auf entsprechende
Abfindungsbeträge oder Zuschüsse zur Tragung der neu überkommenen Lasten zu gewähren.
Ein solcher Anspruch bedurfte aber, um rechtlich geltend gemacht werden zu können, der
ausdrücklichen Anerkennung im Gesetze." Es ist daher im 8. 3 der beiden erwähnten Land-
gemeindeordnungen die „Ausgleichung der öffentlich-rechtlichen Interessen der Beteiligten“
zum Gegenstande des Auseinandersetzungsverfahrens gemacht, und der Umfang desselben
damit erweitert.“ Für die Bestimmung der Höhe und der Form der Entschädigung,
welche je nach der Lage des einzelnen Falles der Billigkeit entsprechen muß, hat das
Gesetz keine bindenden Vorschriften gegeben, diese vielmehr im einzelnen dem freien
Ermessen des Kreisausschusses überlassen. Dieser kann insbesondere einzelnen Beteiligten
im Verhältnis zu anderen Beteiligten, welche für gewisse kommunale Zwecke bereits vor
der Vereinigung für sich allein Fürsorge getroffen haben, oder solchen Beteiligten, welche
vorwiegend Lasten in die neue Gemeinschaft bringen, Vorausleistungens auferlegen.
Auch kann er, wenn eine Gemeinde oder der Besitzer eines Gutsbezirkes durch die Ab-
krennung von Grundstücken eine Erleichterung in öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen
crfährt, dem Kommnnalverbande, welchem jene Grundstücke einverleibt werden, oder
welcher neu aus ihnen gebildet wird, Beihilfen zu den ihm durch die Bezirksveränderung
erwachsenden Ausgaben bis zur Höhe des der anderen Gemeinde oder dem Gutsbesitzer
dadurch entstehenden Vorteiles zubilligen. Wenn aber ganze Gemeinden vereinigt werden,
so muß der Kreisausschuß den Übergang ihres Vermögens auf die neugebildete Gemeinde
aussprechen.“
1 Ges. v. 14. April 1856, §. 1, Abs. 6;
L. G. O. w., §. 9; rh., §. 10; Zust. G., §. 25,
Abs. 4. Soweit hierbei eine Stadtgemeinde in
Detracht kommt, tritt an Stelle des Kr. A. der
Bez. A.
2 O. V. G., XlII, S. 204; II, S. 1; VII, S.ö7.
2 Begründung zu §§. 3, 4 u. 5 des Entw.
der L. G. O. ö., jetzt §. 3, Abs. 2 u. §F. 4 des
Ges. Ausf. Anw. II, 4.
Diie Vorschriften des F. 3 der L. G. O. sind
vom O. V. G., XXVI, S. 93 auch bei Um-
wandlung eines Gutsbezirkes in eine Land-
gemeinde behufs Ausgleichung der Interessen
der Gutsherrschaft und der neu entstandenen
Gemeinde angewendet.
verbände vgl. O. V. G., XlII,
"lber die Form der Vorausleistungen und
Beihilfen enthalten die L. G. Ordugn. keine Be-
stimmungen; erstere werden in erhöhten Ge-
meindeabgaben, die von den Bewohnern des
einen Teiles des veränderten oder neugebildeien
Gemeindebezirkes zu entrichten sind, letztere in
Kapitalabfindungen oder fortlaufenden Jabres-
renten, die von dem pflichtigen Bezirke ausfzu-
bringen sind, bestehen. Der §. 20 des neuen
K. A. G. hat an der Zulässigkeit solcher Voraus-
belastung nichts geändert; vgl. Strutz, Komm.
z. K. A. G., S. 60, Anm. 2.
* Uber den Einfluß der Bezirksveränderungen
auf die Verpflichtung der beteiligten Ortsarmen=
200 u. Entsch.