Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 42.) 167 
8. 42. 
B. Die persönliche Grundlage.! 
I. Neben dem System der Einwohnergemeinde und dem System der Bürger- 
gemeinde gilt für die Landgemeinden Norddeutschlands, die ja ursprünglich den Charakter 
eines wirtschaftlichen Verbaudes der Grundbesitzer hatten, noch ein drittes System, das 
der Grundbesitzergemeinde. Nach diesem sind in seiner reinsten Form nur Grund- 
besitzer, aber auch alle Grundbesitzer im Gemeindebezirke, selbst Frauen, unselbständige 
und juristische Personen und Forensen Gemeindebürger. Modifiziert findet es sich da, 
wo neben den Grundbesitzern auch andere Einwohner der Gemeinde unter der Voraus- 
setzung der Erfüllung gewisser Bedingungen Bürger sein können, ersteren aber ein gehalt- 
volleres Bürgerrecht zukommt. Anklänge an die Grundbesitzergemeinde enthalten endlich 
noch die Gemeindeordnungen, welche alle Wohnhausbesitzer ohne Rücksicht auf ihren 
Wohnsitz den Einwohnern gleichstellen und somit gewissermaßen eine Mischbildung von 
Grundbesitzer= und Einwohnergemeinde schaffen. 
Gegenwärtig gilt in Preußen das System der Bürgergemeinde im Geltungsbereiche 
der hessischen Gemeindeordnungen, welche bereits oben bei Darstellung der städtischen 
Verfassungen behandelt sind, das System der Einwohnergemeinde in den östlichen 
Provinzen und Schleswig-Holstein. Das System der Grundbesitzergemeinde, welches 
in seiner reinsten Gestaltung bis zur Emanation der neuen Landgemeindeordnungen in 
den beiden letztgenannten Rechtsgebieten anerkannt war ?, findet sich jetzt nur noch 
modifiziert in Hannover. Eine Verbindung der Einwohner= mit der Grundbesitzer- 
gemeinde endlich besteht in den Landgemeinden Westfalens und der Rheinprovinz. 
II. Die Einwohnergemeinde in den östlichen Provinzen und Schles- 
wig-Holstein ist durch die Landgemeindeordnungen von 1891 und 1892, in engster 
Anlehnung an die Städteordnung v. 30. Mai 1853, ausgebildet. Vor allem ist das Prinzip 
der Grundbesitzergemeinde, nach welchem früher in diesen Gebietsteilen auch die Forensen 
als Angehörige der Gemeinde angesehen wurden, verlassen. Der Wohnsitz ist zur 
ersten Voraussetzung der Gemeindeangehörigkeit erhoben. Den größeren Forensen ist 
eine erhebliche Reihe von Einzelbefugnissen eingeräumt. Aber es schien nicht angezeigt, 
fernerhin jedem Besitzer eines kleinen Streifen Landes die gesamte Rechtsstellung der 
Gemeindeangehörigen einzuräumen.3 
Wie der genossenschaftliche Personenverband der städtischen Einwohnergemeinde aus 
bloßen Einwohnern und Bürgern besteht, 
so besteht der der ländlichen Einwohner- 
gemeinde aus Gemeindeangehörigen und Gemeindegliedern.“ 
  
des Bundesamtes f. d. Heimatswesen, Heft XI, 
S. 81; XIV. S. 4; XV, S. 92. 
v. Möller, L., §§. 10—14; Grotefend, 
88. 198 -204. 
2 Nach dem Ges. v. 14. April 1856, 8. 5, 
und der Vdg. v. 22. Sept. 1867, §. 10, sind Ge- 
meindebürger 1) solche Einwohner, welche einen 
eigenen Hausstand haben und zugleich in dem 
Bezirke mit einem Wohnbaus angesessen sind; 
2) die Eigentümer eines Grundstücks im Ge- 
meindebezirke, auf welchem ein Gespann von 
zwei Pferden gehalten werden kann (Ges. v. 
1856: welches den Umfang einer die Haltung 
von Zugvieh erfordernden Ackernahrung hat) 
oder welches durch eine Fabrik, eine andere 
gewerbliche Anlage oder sonst eine Nutzung ge- 
währt, deren Wert dem eines solchen spann- 
sähigen Grundstücks mindestens gleichkommt 
(s§. 6 bezw. 11). Die als Grundeigentümer 
  
stimmberechtigten Minderjährigen, Frauen und 
auswärts wohnenden oder juristischen Personen 
werden in Ausübung ihres Stimmrechts ver- 
treten. Das Ges. v. 1856 ist durch die L. G. O. 
S., die Vdg. v. 1867 durch die L. G. O. schlesw.= 
holst., und zwar, soweit sie hier in Betracht 
kommt, auch bezüglich der Dorsschaften und 
Bauerschaften ersetzt (L. G. O. schlesw. holst., 
§. 121 a). Der §. 10 der Vdg. und damit das 
System der reinen Grundbesitzergemeinde gilt 
heute nur noch für die Gemeinde Helgoland. 
2 Vgl. für die L. G. O. ö. z. B. Komm. Ber. 
des A. H., S. 22, 24 (Nr. 145 d. Drucks. des 
A. H., 1890/91). 
4 Auch das A. L. R. teilte die Dorfeinwohner 
in zwei Klassen; Mitglieder der Gemeinde, 
welchen das volle Gemeinderecht zustand und zu 
denen damals auch die Forensen gebörten, und 
übrige Dorfeinwohner (II, 7, 88. 20, 21).
	        
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