Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

168 Zweiter Abschnitt. (8. 42.) 
„Angehörige der Landgemeinde sind mit Ausnahme der nicht angesessenen 
servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes diejenigen, welche innerhalb des 
Gemeindebezirkes einen Wohnsitz haben.“ 1 Einen Wohnsitz im Sinne dieser Gesetze „hat 
jemand an dem Orte, an welchem er eine Wohnung unter Umständen innehat, die auf die 
Absicht dauernder Beibehaltung einer solchen schließen lassen“. Die Rechtsstellung dieser 
Gemeindeangehörigen, ihre Rechte und Pflichten, sind genau dieselben wie die der Einwohner 
nach der östlichen Städteordnung und den dieser nachgebildeten Städteordnungen. Ge- 
meindeglieder sind alle Gemeindeangehörigen, welchen das Gemeinderecht zusteht, d. h.“ 
1) das Recht zur Teilnahme an dem Stimmrechte in der Gemeindeversammlung 
oder, wo diese durch eine gewählte Gemeindevertretung ersetzt ist, zur Teilnahme an 
den Gemeindewahlen; 
2) das Recht zur Bekleidung unbesoldeter Amter in der Verwaltung und Vertretung 
der Gemeinde. 
Erworben 6 wird dieses Gemeinderecht ipso jure, selbst wider den Willen, jedem 
selbständigen 7, 24 Jahre alten Gemeindeangehörigen, welcher 
1) Angehöriger des Deutschen Reiches ist; 
2) die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt; 
3) seit einem Jahre in dem Gemeindebezirke einen Wohnsitz hat; 
4) keine Armennnterstützung aus öffentlichen Mitteln empfängt?; 
5) die auf ihn entfallenden Gemeindeabgaben gezahlt hat und außerdem 
6) einen gewissen Grad ökonomischer Unabhängigkeit besitzt, nämlich: 
a) entweder ein (noch so minderwertiges) Wohnhaus in dem Gemeindebezirke be- 
sitzt , oder 
b) von seinem gesamten innerhalb des Gemeindebezirkes belegenen Grundbesitze zu 
einem Jahresbetrage von mindestens 3 Mark an Grund= und Gebäudesteuer, oder 
e) zur Staatseinkommensteuer veranlagt ist oder zu den Gemeindeabgaben nach 
einem Jahreseinkommen von mehr als 660 Mark herangezogen wird. 
über alle Gemeindeglieder und die sonstigen Stimmberechtigten ist vom Gemeinde= 
vorsteher eine Liste zu führen und alljährlich im Monate Januar zu berichtigen. 10 
Hinsichtlich der weiteren Vorschriften der beiden Landgemeindeordnungen, welche 
den Erwerb 11, den Verlust und das Ruhen 12 des Gemeinderechtes betreffen, kann auf 
  
1 L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 7, Abs. 1 
St. O. ö., §. 3, Abs. 1, u. St. O. schlesw.= 
holst., 8. 4, Abs. 1; nur daß nach letzteren auch 
angesessene servisberechtigte Militärpersonen 
nicht zu den Gemeindeangehörigen zählen. Vgl. 
oben S. 84 unter IV. 
Der Begriff des Wohnsitzes ist hier ab- 
weichend von den entsprechenden St. Ordugn. 
nach §. 1 des Bundesges. v. 13. Mai 1870 
(B. G. Bl., S. 119) bestimmt. Vgl. oben S. 82 ff. 
Die Ausführungen daselbst über Erwerb, Bei- 
behaltung und Verlust des Wohnsitzes finden 
hier analoge Anwendung. 
* Vgl. oben S. 84 unter V. Zuständig für 
Streitigkeiten ist der Kr. A. 
4 L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 39, Abs. 1. 
5 L. G. O. ö. u. schlesw.-Holst., §. 40. 
6 L. G. O. ö. u. schlesw.--holst., §. 41, und 
dazu die Ausführungen oben S. 81. 
7 L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 41, Abs. 5 
St. O. ö., §. 5, Abs. 5. Bgl. oben S. 85 
unter b, Z. 3, und Anm. 6 daselbst. 
6Ober früher solche empfangen hat, ist gleich- 
gültig; anders die St. Ordugn., vgl. oben S. 85 
unter b, Z. 6. 
* Behufs Regulierung des Stimmrechts der 
Miteigentümer haben beide L. G. Ordugn. be- 
stimmt: Steht ein Wohnhaus im geteilten oder 
ungeteilten Miteigentume mehrerer, so kann das 
Gemeinderecht auf Grund dieses Besitzes nur 
  
von einem derselben ausgeübt werden. Falls 
die Miteigentümer sich über die Person des Be- 
rechtigten nicht einigen können, ist derjenige, 
welcher den größten Anteil besitzt, befugt, das 
Gemeinderecht auszuüben; bei gleichen Anteilen 
bestimmt sich die Person des Berechtigten durch 
das Los, welches durch die Hand des Gemeinde- 
vorstehers gezogen wird. §. 41, Abs. 2 u. 3. 
10 Das Gemeinderecht ist von der Eintragung 
in diese Liste natürlich nicht abhängig, sondern 
nur von dem Vorbandensein der gesetzlichen 
Voraussetzungen. Auch schließt die Vorschrift, 
daß die Liste im Januar berichtigt werden muß, 
eine weitere Berichtigung zu anderer Zeit nicht 
aus. Eine Auslegung dieser Liste ist im Gegen- 
satz zu der auf ihrer Erundlag- gemäß L. G. O., 
§§. 55, 56 zu bildenden Gemeindewählerliste 
gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Ausf. Anw. I. 
A 2 batte eine solche für die erstmalige Bildung 
der Gemeindeversammlung angeordnet. 
11 Betreffs der Zurechnung von Steuerzahlungen 
und Grundbesitz der Ehefrau und der in väter- 
licher Gewalt befindlichen Kinder und betreffs der 
Anrechnung der Besitzzeit des Erblassers vgl. 
8. 41, Abs. 4 = St. O. ö., §. 5, Abs. 2 u. 3; 
betreffs des Dispenses vom einjährigen Wohnsitz 
vgl. 8. 42 = St. O. ö., §. 6; betreffs der Er- 
teilung von Urkunden über den Besitz des Ge- 
meinderechts L. G. O., §. 31, Abs. 6. 
12 L. G. O., §. 43 u. 44 = St. O., §F. 7 in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.