170 Zweiter Abschnitt. (8. 42.)
Verbrechens oder Vergehens bestraft, und b) selbständig, d. h. nicht minderjährig sind,
sich nicht unter Kuratel oder in Konkurs befinden, nicht in Kost und Lohn eines anderen
stehen und auch keine Armenunterstützung erhalten oder im letzten Jahre erhalten
haben.!
Beide Kategorien von Gemeindemitgliedern können ihr Stimmrecht aber nur dann
ausüben, wenn sie zu den vorkommenden Gemeindelasten beitragen und mit ihren
Beiträgen nicht im Rückstande sind. Wird, was zulässig ist, durch Gemeindebeschluß
mit Genehmigung des Kreisausschusses bestimmt, daß gewisse Klassen der Gemeinde=
mitglieder von den Gemeindelasten befreit sind, so ruht das Stimmrecht dieser Klassen,
sofern und solange deren Mehrheit damit einverstanden ist.?
Das Gesetz geht augenscheinlich von dem Prinzip der Grundbesitzergemeinde aus,
indem es zu 1) Personen, lediglich weil sie einen bebauten Grund und Boden besitzen,
ohne Rücksicht auf den Wert desselben und ohne von ihnen die Erfüllung besonderer
persönlicher Voraussetzungen zu fordern 3, die Gemeindemitgliedschaft zuerkennt und somit
Männer und Frauen, Einwohner und Forensen", sofern sie nur den gedachten Grund-
besitz haben, völlig gleichstellt. Zu 2) ist dieses Prinzip zwar durchbrochen, allein die
Anerkennung desselben als Grundlage der hannöverschen Landgemeinde ergiebt sich aus
zahlreichen anderen den Grundbesitz privilegierenden Bestimmungen. So sollen die in
der Gemeinde vorhandenen Höfe und Güter die Grundlage für eine behufs Festsetzung
des Stimmverhältnisses der stimmberechtigten Gemeindeglieder vorzunehmende Klassen-
einteilung bilden. Das Stimmgewicht der grundbesitzenden Gemeindemitglieder ist ein
stärkeres. Und endlich wird auch solchen Forensen, welche im Gemeindebezirke nur un-
bebaute Grundstücke besitzen und daher nicht Gemeindemitglieder sind (Ausmärker),
ohne Rücksicht auf den Wert ihres Besitztums ein Stimmrecht eingeräumt, sofern sie
nur zu den Gemeindeabgaben herangezegen werden.“
Wählbar zu Gemeindeämtern sind nur diejenigen Stimmberechtigten, welche die
von den nicht ansässigen Wählern geforderten persönlichen Eigenschaften besitzen.
IV. Die Landgemeinden Westfalens und der Rheinprovinzs bestehen
ihrer persönlichen Grundlage nach aus Gemeindeangehörigen, Gemeinde-
mitgliedern und Gemeindeberechtigten, welche letzteren die rheinische Gemeinde-
ordnung Meistbeerbte nennt.
Gemeindeangehörige sind alle Personen, welche im Gemeindebezirke ihren
Wohnsitz haben, mit Ausnahme der servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienst-
standes; sie sind zur Benutzung der Gemeindeanstalten berechtigt und zur Teilnahme an
den Gemeindelasten verpflichtet.“ Der Wohnsitz bestimmt sich in Westfalen nach all-
gemeinen Rechtsgrundsätzen 109, in der Rheinprovinz nach dem bereits (oben S. 82)
erwähnten Gesetz v. 30. Juni 1884 (G. S., S. 307).
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1 L. G. O. hann., §§. 9 u. 10. Außerdem
können Personen, welche durch unsittliche Hand-
lungen sich der öffentlichen Achtung verlustig
gemacht haben oder wegen eines nicht gerade ent-
ehrenden Verbrechens bestraft sind, auf Antrag
der Gemeinde ihres Stimmrechts für verlustig
erklärt werden. Es kann aber diesen Personen
gleich den bescholtenen das Stimmrecht auf
Antrag der Gemeinde auch wieder verliehen
werden. Solche, Abänderungen der Stimmord-
nung betreffende Beschlüsse hat der Kr. A. zu
genehmigen. Zust. G., §. 31. Derselbe wird auch
über die Frage zu entscheiden haben, ob ein
Verbrechen nach der öffentlichen Meinung ent-
ehrend ist und den Thäter vom Stimmrecht
ausschließt, dies aber gemäß §Ss. 27, 28, 37
des Zust. G.
2 L. G. O. hann., §. 11; Zust. G., F. 31.
3 Diese grundbesitzenden Personen behalten
ihr Stimmrecht sogar dann, wenn sie der bürger-
lichen Ebrenrechte oder ihrer Unbescholtenheit ver-
lustig gegangen sind, nur dürfen sie es dann
nicht in Person ausüben. L. G. O. hann., §. 13.
AUber diese vgl. O. V. G., XII, S. 23.
5 L. G. O. hann., §. 17.
* L. G. O. hann., §. 8, Abs. 2, u. §. 65.
7 L. G. O. hann., §. 25, daselbst Abs. 2 eine
Ausnahme. Das Ges. spricht hier zunächst nur
von Gemeindebeamten, d. h. in seinem Sinne von
den Gemeindevorstehern und den Beigeordneten
(§. 22). Dieselben Eigenschaften wie diese Be-
amten sollen aber auch die Gemeindeverordneten
besitzen (§. 55).
" v. Möller, L., 9§. 10—14.
*# L. G. O. w., S. 2, Abs. 1 u. 2. Hiernach sind
nur die Militärpersonen von der Gemeindeange-
börigkeit ausgeschlossen, welche nicht mit einem
Wohnhause im Gemeindebezirk angesessen, oder
zwar ein solches besitzen, aber zu weniger als 6 Mark
Grundsteuer veranlagt sind; L. G. O. rh., 6. 3.
10 L. G. O. w., §. 2, Abs. 2. Vgl. dazu oben
S. 82 ff.