Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

172 Zweiter Abschnitt. (F. 42.) 
Das Prinzip, nach welchem die westfälische und die rheinische Landgemeindeordnung 
die Gemeindemitgliedschaft und das Gemeinderecht bestimmen, ist kein einheitliches. Auf 
dem Boden der Grundbesitzergemeinde stehen sie nur insoweit, als sie die Besitzer jedes 
Wohnhauses im Gemeindebezirke den selbständigen Einwohnern der Gemeinde gleichstellen 
und sie gleich diesen für Gemeindemitglieder und nutzungsberechtigt erklären. Vom 
Standpunkte der Einwohnergemeinde aus machen sie dagegen das durch den Besitz eines 
Wohnhauses begründete Gemeinderecht gleich dem auf dem Wohnsitze beruhenden noch von 
einem Census abhängig und gewähren es den Forensen und juristischen Personen — sofern 
überhaupt — nicht wegen ihres Grundbesitzes, sondern nur wegen Erfüllung gewisser 
persönlicher Voraussetzungen (Zahlung hoher Steuern, Besitz eines besonderen Vertrauens). 
V. Nach allen Gemeindeordnungen korrespondiert dem Wahlrechte der stimmfähigen 
Gemeindemitglieder die Pflicht derselben, unbesoldete Amter in der Verwaltung und Ver- 
tretung der Gemeinde 1, in Hannover? wenigstens die, das Amt eines Gemeinde- 
verordneten, eines Gemeindevorstehers oder Beigeordneten zu übernehmen und mindestens 
drei Jahre lang zu verwalten — sofern ihnen nicht gesetzliche Entschuldigungsgründe 
zur Seite stehen. Als solche gelten jetzt auf Grund der durch die neuen Kreisordnungen 
herbeigeführten einheitlicheren Regelung allgemein anhaltende Krankheit, häufige Ab- 
wesenheit, Alter über 60 Jahre, Verwaltung desselben oder eines gleichartigen s un- 
besoldeten Amtes in den letzten drei Jahren, Verwaltung eines unmittelbaren Staats- 
amtes, ärztliche Praxis oder sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen 
der Gemeindevertretung oder, wo eine solche nicht besteht, des Gemeindevorstehers eine 
gültige Entschuldigung begründen. Wer in hiernach unberechtigter Weise sich weigert, 
ein unbesoldetes Amt, zu dessen Verwaltung er verpflichtet ist, zu übernehmen oder das 
übernommene drei Jahre lang zu versehen, sowie derjenige, welcher sich der Verwaltung 
solcher Amter thatsächlich entzieht, kann für einen Zeitraum von drei bis sechs Jahren 
der Ausübung seines Rechtes auf Teilnahme an der Verwaltung und Vertretung der 
Gemeinde für verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker als die übrigen 
Gemeindeangehörigen zu den Gemeindeabgaben herangezogen werden.“ 
VI. Über die Berechtigung der Ablehnung oder Niederlegung einer Stelle in der 
Gemeindeverwaltung oder Gemeindevertretung, und über die Verhängung der eben- 
erwähnten Nachteile gegen ihre Pflichten vernachlässigende Gemeindemitglieder und auf 
Beschwerden und Einsprüche, welche den Besitz oder den Verlust der Gemeindemitglied- 
schaft, des Gemeindebürgerrechts, sowie die damit in Verbindung stehenden Befugnisse 
und Eigenschaften, das Stimmrecht in der Gemeindeversammlung, das Recht zur Teil- 
nahme an den Gemeindewahlen, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse von Stimm- 
berechtigten, die Wählbarkeit zu einer Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Gemeinde- 
vertretung, die Ausübung des Stimmrechts durch einen Dritten betreffen — beschließt 
auf Grund der überall geltenden Vorschrift des Zuständigkeitsgesetzes die Gemeinde- 
vertretung, wo eine solche nicht besteht, der Gemeindevorstand. Gegen die Beschlüsse 
findet binnen zwei Wochen die Klage beim Kreisausschuß statt, welche, wenn der Beschluß 
von der Gemeindevertretung gefaßt ist, auch vom Gemeindevorstande sowie in West- 
falen und in der Rheinprovinz vom Amtmanne bezw. vom Bürgermeister erhoben 
werden kann. 
  
befähigenden Grundstückes bestimmt L. G. O. rb., 
§. 35, Abs. 2, daß, falls eine Einigung über die 
Person dessen, der das Recht ausüben soll, nicht 
erzielt wird, dazu zunächst der auf dem Grund- 
stücke selbst, hierauf der im Gemeindebezirke 
wohnende Mitbesitzer, und dann erst die Übrigen 
berufen sind. Unter Gleichberechtigten entscheidet 
das Los. Vgl. L. G. O. ö., §. 41. 
1 Hierber gehören insbesondere das Schulzen- 
und Schöffenamt und das Amt eines Gemeinde- 
verordneten, wenngleich letzterer nicht Beamter 
ist. Vgl. d. Erkl. des Min. d. J. gelegentlich 
der Beratung der L. G. O. ö., Stenogr. Ber. 
des A. H. 1891, S. 1749. 
  
2 L. G. O. hann., §§. 22, Abs. 3, 31 (dazu 
Kr. O. hann., §. 33) u. 57. 
2 Der Begriff des gleichartigen Amtes wurde 
bei der Beratung der Kr. O. ö. erörtert und in 
der Sitzung des A. H. v. 18. März 1872 (Stenogr. 
Ber., S. 1316) dahin festgestellt, daß darunter 
ein Amt zu verstehen sei, welches denselben Um- 
fang an Wirksamkeit, Leistung und Zeit erfordert, 
wie das bisher verwaltete. 
4 L. G. O. ö., 8§. 65, 66, Z. 3, u. 67; w., 
8. 78; rh., 8. 44, u. dazu Kr. O. rh., §. 25; 
L. G. O. hann., §#§. 31—33, u. dazu Kr. O. 
hann., §. 33, in Verbindung mit §. 8. 
2 Zust. G., §. 27, Abs. 1, Z. 1 u. 3, sowie §§.28
	        
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