Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 44.) 17 
S'’ 
§. 44. 
2) Die Zusammensetzung der Gemeindeversammlung.1 
I. Die Gemeindeversammlung besteht aus allen denjenigen Personen, welchen das 
aktive Wahlrecht in der Gemeinde zusteht, aus den stimmberechtigten Gemeindemitgliedern? 
und den diesen — nach den verschiedenen Gemeindeordnungen unter verschiedenen Voraus- 
setzungen — gleichgestellten Forensen, juristischen Personen und Erwerbsgesellschaften. 
II. Das Stimmrecht aller dieser Mitglieder der Gemeindeversammlung ist nur in 
der Rheinprovinz ein gleichwertiges, im übrigen ist das Prinzip, nach Köpfen ab- 
zustimmen, in verschiedener Weise im Interesse der Grundbesitzer und im Gebiete der 
Einwohnergemeinde auch in dem der größeren Gewerbtreibenden? durchbrochen. 
In den östlichen Provinzen und in Schleswig-Holstein müssen mindestens 
zwei Drittel der Stimmen auf die mit Grundbesitz angesessenen Mitglieder der Ver- 
sammlung entfallen, und die Nichtansässigen haben daher, falls sie mehr als ein Drittel 
der Gemeindeversammlung ausmachen, ihr Stimmrecht durch auf sechs Jahre gewählte 
Abgeordnete auszuüben. Ferner sind denjenigen Grundbesitzern, welche von ihrem im 
Gemeindebezirke belegenen Grundeigentume zu einem Jahresbetrage von 20 bis aus- 
schließlich 50 Mark Grund= und Gebäudesteuer veranlagt sind, je 2, den zu 50 bis 
ausschließlich 100 Mark veranlagten je 3, und den zu 100 Mark oder mehr veranlagten 
je 4 Stimmen beizulegen. Auf Antrag des Kreisausschusses können durch Beschluß des 
Provinziallandtages diese Sätze erhöht oder bis auf die Hälfte erniedrigt werden, auch 
kann den Grundbesitzern, welche die erwähnten Steuersätze entrichten, eine größere Zahl 
von Stimmen, jedoch nicht über 3, 4 und 5 beigelegt werden. Ebenso haben die Gewerb- 
treibenden der 3., 2. und 1. Gewerbesteuerklasse 2, 3 und 4 Stimmen oder, falls die 
Zahl der den Grundbesitzern zustehenden Stimmen erhöht ist, eine diesen entsprechende 
noch größere Anzahl. Endlich darf in der Gemeindeversammlung kein Stimmberechtigter 
mehr als ein Drittel der Gesamtzahl der Stimmen führen, wodurch einer Majorisierung 
der Versammlung durch einen Großgrundbesitzer oder Großindustriellen vorgebeugt wird.“ 
ühnlich soll in Westfalen den Besitzern aller derjenigen Güter, welche mindestens 
zu 225 Mark Grund= und Gebäudesteuer veranlagt sind, im Verhältnisse des Um- 
fanges ihres Besitztumes zu dem der übrigen stimmberechtigten Gemeindemitglieder eine 
größere Anzahl von Stimmen nach näherer Bestimmung des Gemeindestatuts beigelegt 
werden. Durch dieses ist auch dahin Vorsorge zu treffen, daß die stimmberechtigten 
Einwohner, welche nicht mit einem Wohnhause angesessen sind, zusammen nicht mehr 
als ein Drittel der Stimmen in der Gemeindeversammlung haben.3 
In Hannover endlich soll das Stimmrecht zunächst regelmäßig nach den Klassen 
der Höfe und Güter abgestuft werden, wobei die Nichtansässigen, sofern sie nicht in 
Rücksicht auf ihre besondere Teilnahme an den Gemeindelasten einer anderen Klasse 
zuzuweisen sind, die unterste Klasse bilden. In den einzelnen Klassen ist dann das 
Stimmgewicht der Mitglieder nach der Teilnahme an den Lasten und dem Interesse an 
den Gemeindeangelegenheiten abzustufen. Dabei soll regelmäßig das Stimmgewicht der- 
jenigen Grundbesitzer, deren Grundeigentum zur Bewirtschaftung zwei oder mehr Pferde 
erfordert, Uberwiegen, und darf die Stimmenzahl der Nichtansässigen (nicht nur nicht ein 
  
1 v. Möller, L., S. 17; Grotefend, §. 205 2 Streitigkeiten über die Zugehörigkeit zu 
—209. einer bestimmten Klasse der Stimmberechtigten 
: In der Rheinprovinz gilt auch für die sind nach Zust. G. S§. 27, 28, 37 zu entscheiden. 
Gemeindeversammlung die sonst nur für die B#gl. oben S. 172 unter 6. 
Gemeindevertretung geltende Vorschrift, daß * L. G. O. ö. u. schlesw.--holst., §. 48. Vgl. 
Bater und Sohn sowie Brüder nicht gleichzeitirx dazu Ges. wegen Aufheb. dir. Staatssteuern v. 
derselben angehören dürfen. Nur einer von ihnen 14. Juli 1893, §. 5. 
darf eintreten, und zwar entscheidet mangels güt- 5 L. G. O. w., §. 25. 
licher Einigung das höhere Alter, bei gleichem 
Alter das Los. L. G. O. rh., §. 51, Abs. 4. 
 
	        
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