182 Zweiter Abschnitt.
Die Leitung der Wahlhandlung liegt in Westfalen dem Amtmann, in der Rhein-
provinz dem Bürgermeister unter Zuziehung zweier von der Wahlversammlung zu
bestimmenden Skrutatoren ob. In den übrigen Provinzen ist ein Wahlvorstand aus
dem Gemeindevorsteher oder einem von ihm zu seinem Stellvertreter ernannten Schöffen
und zwei von der Wahlversammlung gewählten Beisitzern zu bilden.
Jeder Wähler, welcher nicht kraft Gesetzes in der Ausübung seines Stimmrechtes
vertreten wird oder das gesetzliche Recht hat, sich vertreten zu lassen, muß persönlich im
Wahltermine erscheinen. Er hat daselbst mündlich zu Protokoll zu erklären, wem er
seine Stimme geben will, und so viele Personen zu bezeichnen, als in seiner Wähler-
klasse zu wählen sind.? Die Ausbleibenden sind an die Beschlüsse der Erscheinenden
gebunden und zur Einsendung schriftlicher Abstimmungen nicht befugt. Anwesende, die
sich der Abstimmung enthalten, gelten als ausgeblieben.38 Die Wähler der dritten Ab-
teilung stimmen zuerst, die der ersten zuletzt.“
Jeder Wähler hat nur eine Stimme. Das Stimmrecht der Mitglieder der Wahl-
versammlung ist formell ein gleichwertiges, keinem von ihnen kommt eine Mehrzahl
von Stimmen zu, wenngleich ihm in der Gemeindeversammlung eine solche in Rück-
sicht auf seine Besitz= oder Einkommensverhältnisse zustehen würde. Das größere oder
geringere Stimmgewicht des Einzelnen kommt lediglich in seiner Zugehörigkeit zu einer
höheren oder niedrigeren Klasse zum Ausdruck. In dieser verschiedenen Art der Stimm-
verteilung liegt der wesentlichste innere Unterschied zwischen der Gemeindeversammlung
und der Wahlversammlung, deren Mitglieder identisch sind.
Gewählt sind in den westlichen Provinzen diejenigen, welche mehr als die
Hälfte der abgegebenen Stimmen, in den anderen Provinzen diejenigen, welche
die meisten Stimmen und zugleich mehr als die Hälfte erhalten haben. Hat sich
bei der ersten Abstimmung eine unbedingte Stimmenmehrheit nicht ergeben, so wird
zur Herbeiführung einer solchen dasselbe Verfahren wie bei städtischen Wahlen ein-
(S. 46.)
geschlagen.“
Wer in mehreren Klassen oder Wahlbezirken zugleich gewählt ist, hat zu erklären,
welche Wahl er annehmen will.)
Die Wahlprotokolle, aus welchen die Beobachtung aller Förmlichkeiten ersichtlich
sein muß, sind vom Wahlvorstande zu unterzeichnen und von dem Gemeindevorsteher
§. 28; rh., §. 53. Über die Bekanntmachung
mittels Herumschickens von Haus zu Haus vgl.
O. V. G., VII, S. 159, über die Bekannt-
machung durch eine Zeitung O. V. G., XXV,
S. 115; daselbst auch über die Berechnung der
einöcht en Frist.
ö. u. schlesw.--holst., §. 60; w.,
8. 8 rh., 2 54. Amtmann und Bürgermeister
können ich durch den Gemeindevorsteher ver-
treten lassen.
2 L. G. O. ö. u. — 8. 61; w.,
8. 28, Abs. 5; rh., §§. 53 u. 5
* L. G. O. th., 8 53.
* L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 57.
* Das letztere entspricht den St. Ordngn.
Es kann, da die Wähler mehrere Personen auf
einmal zu benennen haben, der Fall eintreten,
daß mehrere Personen die absolute Mehrheit der
Stimmen erhalten, und für diese Fälle ist die
Bestimmung praktisch, daß als gewählt die-
jenigen gelten, welche die meisten Stimmen
(d. h. von allen abgegebenen, ohne Unterschied
zwischen. ültigen und ungültigen; Genzmer,
Anm. 127) und zugleich mehr als die Hälfte
der Stimmen erhalten haben. Für die west-
lichen Provinzen, wo es an einer solchen
Bestimmung fehlt, ist es zweifelhaft, welche von
diesen Personen gewählt sind. Es wird jedoch
nach Analogie der St. Ordugn. und auch der
beiden neuen L. G. Ordugn. anzunehmen sein,
daß auch hier die meisten Stimmen ohne wei-
teres den Vorzug haben, und daß bei Stimmen-
Fleichbet das Los entscheidet. Vgl. v. Möller,
82. Daselbst ist diesem entgegen eine
Verfügung der Regierung zu Koblenz v. 14. März
1858 angeführt, welche annimmt, daß zwischen
diesen Personen noch eine engere Wabl statt-
finden müsse.
( L. G. O. ö. u. schlesw.-olst., §. 62, Abs. 2 f.;
w., §. 28, Abs. GC;rh., §. 55, Abs. 2. Dazu vgl.
St. O. ö., §. 26; w., 8. 26; rh., §. 25, Abs. 1
u. oben S. 109. Ein in mehreren Punkten ab-
weichendes und komplizierteres Berfahren schreibt
die L. G. O. rh., §. 55, vor: Auch bei der engeren
Wahl genügt hier nicht relative Stimmenmebr-
heit, es ist zweimal zu versuchen, bei ihr eine
absolute Stimmenmehrheit zu erzielen, gelingt
dies nicht, dann entscheidet das Los. Ist es bei
mehreren Personen zweifelhaft, welche von ihnen
auf die engere Wahl kommen, weil sie die
meisten Stimmen in gleicher Anzahl erbalten
haben, so entscheidet unter ihnen nicht gleich
das Los, sondern es ist zunächst eine Vorwahl,
bei welcher relative Stimmenmehrheit genügt,
zu versuchen.
* L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 62, Abf. 5.