Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 47.) 185 
keit ausgeschlossen werden. Auch kann hier das Ortsstatut bestimmen, daß die Sitzungen 
mit Angabe der Tagesordnung in ortsüblicher Weise vorher bekannt zu machen sind.1 
III. Beschlußfähig ist die Gemeindevertretung überall nur dann, wenn mehr 
als die Hälfte ihrer Mitglieder versammelt ist, die Gemeindeversammlung in den 
westlichen Provinzen unter der gleichen Voraussetzung, in den östlichen und in 
Schleswig-Holstein schon bei Anwesenheit von mehr als einem Drittel der stimm- 
berechtigten Gemeindemitglieder?, und endlich in Hannover, wenn entweder sämtliche 
stimmberechtigte Gemeindemitglieder wirklich versammelt sind, oder mindestens ein 
Drittel der vorhandenen Stimmen in der Versammlung vertreten ist, nachdem dieselbe 
in der Gemeinde unter allgemeiner Angabe des Zweckes zeitig von Haus zu Haus oder 
in herkömmlicher Weise bekannt gemacht war. Wird die Beschlußfassung über einen 
Gegenstand dadurch vereitelt, daß bei der ersten Verhandlung nicht die genügende Zahl 
der Mitglieder erscheint, so ist die Versammlung nochmals zu berufen, erscheint dann 
wieder nicht die erforderliche Zahl von Mitgliedern, so devolviert in der Rheinprovinz 
die Beschlußfassung über jenen Gegenstand an den Kreisausschuß, in den übrigen alten 
Provinzen und in Schleswig-Holstein dagegen sind die auf die zweite Ein- 
berufung Erschienenen ohne Rücksicht auf ihre Anzahl beschlußfähig, wenn bei dieser 
Einberufung hierauf ausdrücklich hingewiesen wurde. " 
Die Beschlußfähigkeit der Versammlung wird in Hannover, sofern nicht sämt- 
liche stimmberechtigte Gemeindemitglieder da sind, lediglich nach der Zahl der in der 
Versammlung vertretenen Stimmen, im übrigen lediglich nach der Zahl der an- 
wesenden Mitglieder ermittelt. Nur in der Rheinprovinz kommt es auf die 
thatsächliche Ausübung des Stimmrechts an; wer nicht mitstimmt oder die Unterschrift 
des Protokolls verweigert, wird hier als nicht erschienen betrachtet. 
IV. Den Vorsitz in der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) führt in der 
Rheinprovinz der Bürgermeister, sonst der Gemeindevorsteher. In Westfalen kann 
der Vorsitz dem Gemeindevorsteher vom Amtmann abgenommen, in der Rheinprovinz 
andererseits vom Bürgermeister übertragen werden, stets ist jedoch in diesen beiden Pro- 
vinzen der Gemeindevorsteher vom Vorsitz ausgeschlossen und der Amtmann bezw. der 
Bürgermeister zur Führung desselben verpflichtet, wenn über den Gemeindehaushaltsetat 
und über die Abnahme der Gemeinderechnung verhandelt wird. Der Gemeindevorsteher 
hat stets volles Stimmrecht, und bei Stimmengleichheit die entscheidende Stimme. In 
den westlichen Provinzen steht letztere dem Amtmann bezw. dem Bürgermeister zu, 
wenn sie den Vorsitz führen; ein volles Stimmrecht haben diese aber nur dann, wenn 
sie zugleich Gemeindevorsteher sind. 
  
L. G. O. hann. ist der Fall, daß wiederholt die 
Versammlung zur Veratung eines Gegenstandes 
nicht beschlußsehig ist, nicht besonders vorgesehen. 
Es wird jedoch §. 49, Abs. 2 derselben Anwen- 
1 L. G. v. ö. u. schlesw.-holst., §. 109. Die 
beschränkte Offentlichkeit findet bei beiden Körper- 
schaften, der Gemeindeversammlung wie der 
meindevertretung, statt. Über die Frage der 
ffentlichkeit sind bei der Beratung der L. G. O. ö. 
umfangreiche und heftige Debatten geführt wor- 
den. Vgl. Komm. Ber. des A. H., S. 73; Komm. 
Ber. des H. H., S. 23; Stenogr. Ber. des 
A. H. v. 15. April 1891, S. 1787 ff., 1791; v. 
23. April 1891, S. 1901, u. v. 1. Juni 1891, 
S. 2475; Stenogr. Ber. des H. H. v. 14. Mai 
1891, S. 299. — Nach der M. Bek. zur L. G. O. 
hann., §. 27 kann der Ausschuß Zuhörer zu 
seinen Berhandlungen zulassen, aber auch in 
jedem einzelnen Falle die Offentlichkeit aus- 
schließen. Auch kann hier der Landrat anord- 
nen, daß Zuhörer keinen Zutritt haben. 
: Die nicht gemeindeangehörigen Stimm- 
berechtigten und die Vertreter bleiben bei dieser 
Berechnung also außer Betracht. Ausf. Anw., 
IIIA, Nr. I, 8. 
* L. G. O. ö. u. schlesw.--holst., 8§. 106, 107; 
w., 88. 34, 35; rh., §. 64, Art. 16 des Ges. 
  
  
dung zu finden haben, wonach, ähnlich wie in der 
Rheinprovinz, wenn „ein gültiger Beschluß 
nicht zu erreichen“, „der Kr. A. befugt ist, einst- 
weilen, soweit nötig, mit Anordnung einzutreten“. 
* Darüber, was unter „Hälfte ihrer Mit- 
glieder“ in Beziehung auf die Gemeindevertre- 
tung zu verstehen ist, sowie über die Anwend- 
barkeit des letzten Satzes vgl. oben S. 145, 
Anm. 2. 
* L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 88, Abs. 2; 
w., §. 35; rh., §. 63; hann., §. 48; M. Bek. 
zur L. G. O. hann., §. 26. In Hannover ist 
die Abstimmung in der Versammlung unter 
Leitung des Landrates zu wiederholen, wenn bei 
derselben Unordnungen stattgehabt oder Zweifel 
sich ergeben haben. L. G. O. hann., §. 49, Abs. 1. 
Auch in Westfalen kann der Landrat in be- 
sonderen Fällen den Vorsitz ohne Stimmrecht 
in der Gemeindeversammlung übernehmen. 
v. 15. Mai 1856; hann., s§s. 43, 44 u. 59. In der L. G. O. w., §. 80.
	        
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