Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

186 Zweiter Abschnitt. (8. 47.) 
Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen, eröffnet und schließt die Sitzungen und 
handhabt die Sitzungspolizei. Er kann Zuhörer, die Störungen irgend welcher Art ver- 
ursachen, aus dem Sitzungszimmer entfernen lassen. 1 
V. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit 
entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Stimmenmehrheit wird lediglich nach der 
Zahl der abgegebenen Stimmen festgestellt, wobei jedoch in der Rheinprovinz die 
Stimme desjenigen nicht als abgegeben betrachtet wird, welcher zwar gestimmt, nachher 
aber die Unterschrift des Protokolls verweigert hat.? 
An den Verhandlungen über Rechte und Pflichten der Gemeinde darf derjenige nicht 
teilnehmen, dessen Privatinteresse mit dem der Gemeinde in Widerspruch steht. Wird 
durch solche Ausschließung bewirkt, daß eine beschlußfähige Versammlung nicht mehr 
zusammentreten kann, so beschließt an ihrer Stelle der Kreisausschuß. 
Alle Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) sind in ein be- 
sonderes Buch einzutragen und vom Vorsitzenden, sowie in Westfalen von einem, in 
den östlichen Provinzen und Schleswig-Holstein von zwei und in der Rhein- 
provinz von drei Mitgliedern der Versammlung zu unterschreiben.“ In den west- 
lichen Provinzen mühssen ferner alle Beschlüsse, welche nicht unter dem Vorsitze des 
Amtmanns oder des Bürgermeisters gefaßt sind, diesem sofort vorgelegt und können 
in Westfalen erst ausgeführt werden, wenn der Amtmann den Beschluß binnen acht 
Tagen nach erlangter Kenntnis nicht beanstandet hat.3 · 
VI. Alle Mitglieder sind verpflichtet, die Sitzungen regelmäßig zu besuchen und 
in ihnen ein angemessenes Benehmen zu beobachten, und können, wenn sie diese Pflichten 
vernachlässigen, je nach Vorschrift der einzelnen Gemeindegesetze durch Auferlegung von 
Geldbußen, stärkere Heranziehung zu den Gemeindelasten oder Ausschließung von der 
Versammlung bestraft werden.“ 
  
O. ö. u. schlesw.-holst., 8. 110; M. Bel. 
O. hann., 8. 27, Abs. 2. 
. O. ö. u. schlesw.-holst., 8. 107; w., 
8 . 8. 64; hann., 88. 44, 59. 
L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 108; w., 
g. 8. 65; hann., 8. 49, Abs. 2; Zust. G., 
8. 33, Abs. 1, Z. 2, und dazu vgl. oben S. 116, 
Anm. 7, u. S. 117, Anm. 1. 
* L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 111; w., 
8. 36; Ges. v. 15. Mai 1856, Art. 17. Nach 
den beiden letztgenannten Gesetzen sind auch die 
Namen der bei der Beschlußfassung anwesend 
gewesenen Mitglieder in das Protokollbuch ein- 
utragen, was sehr zweckmäßig ist, um einer 
jp Bemängelung der Beschlußfähigkeit vor- 
zubeugen. In Hannover hat der Gemeinde- 
vorsteher allein die ins Protokollbuch eingetrage- 
nen Beschlüsse durch Namensunterschrift zu be- 
glaubigen. M. Bek. zur L. G. O. hann., §. 26. 
5 L. G. O. w., §. 31, Abs. 2 u. 3; rh., §. 67. 
* In den östlichen Provinzen und 
Schleswig-Holstein (L. G. O. ö. u. schlesw.= 
holst., §. 112) kann durch Ortsstatut bestimmt 
werden, daß unentschuldigtes Ausbleiben aus den 
Versammlungen der Gemeindevertretung, 
sowie ordnungswidriges Benehmen in diesen Ver- 
sammlungen oder in der Gemeindeversammlung 
für das betreffende Mitglied eine in die Gemeinde- 
kasse fließende Geldstrafe von 1—3 Mark nach 
sich ziehen, und daß im Wiederholungsfalle, nach 
Lage der Sache, Ausschließung aus der Ver- 
sammlung auf eine gewisse Zeit, bis auf die 
Dauer eines Jahres, verhängt werde. Uber die 
Verhängung dieser Strafen beschließt die 
Gemeindevertretung (Gemeindeversammlung). 
Gegen den Beschluß findet die auch dem Ge- 
  
meindevorsteher zustehende Klage im Verwal- 
tungsstreitverfahren statt. In der Rheinpro- 
vinz kann ein Mitglied des Gemeinderates, 
welches die Sitzungen dreimal hintereinander 
ohne genügende Entschuldigung versäumt oder 
durch ungebührliches Benehmen stört und den 
Ordnungsruf des Vorsitzenden nicht beachtet, 
durch Beschluß des Gemeinderates ausgeschlossen 
werden. L. G. O. rh., §. 70, und Art. 18 des 
Ges. v. 15. Mai 1856. — In den erwähnten 
Rechtsgebieten wie in Westfalen kann ein Ge- 
meindeverordneter, welcher die Sitzungen nicht 
besucht, als ein solcher, der sich der Verwaltung 
seines Amtes „sthatsächlich entzieht“, gemäß den 
allgemeinen Vorschriften der L. G. O. ö. u. schlesw.= 
holst., §. 65, Abs. 4; w., §. 78; rh., 8. 44 (siehe 
oben S. 172 unter V) bestraft werden. — In 
Hannover kann der Gemeindevorsteber die 
Gemeindemitglieder auch zur Gemeindeversamm- 
lung, unter Androhung einer Geldstrafe bis zu 
3 Mark für den Fall des Ausbleibens, laden 
und bei gleicher Strafe das unzeitige Weggehen 
aus der Versammlung oder sonstige Ungebühr 
darin verbieten; Ruhestörer kann er aus der 
Versammlung verweisen. Uber die Verbängung 
der vom Gemeindevorsteher angedrohten Nach- 
teile beschließt dieser selbst nur in denjenigen 
Gemeinden, in welchen ein Gemeindeausschuß 
nicht besteht; ist ein Ausschuß gebildet, so hat 
dieser über den Eintritt der Nachteile zu de- 
schließen, und zwar auch dann, wenn ein solcher 
gegen Gemeindemitglieder wegen Ausbleibens 
aus der Gemeinde versammlung (die hier ja 
neben dem Ausschuß berufen werden kann) ver- 
hängt werden soll. Handelt es sich um letzt- 
gedachten Fall, so begründet sich die Zuständig-
	        
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