Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

190 Zweiter Abschnitt. (8. 49.) 
Wegen der Verpflichtung zur Annahme der Wahl bestehen dieselben Vorschriften 
wie für die Gemeindevertretung. 
III. Das Verfahren, in welchem die Gemeindevorsteher und Schöffen gewählt 
werden, ist ein anderes als das für die Wahl der Gemeindevertretung vorgeschriebene.! 
Wahlkörper ist die Gemeindeversammlung oder, wo eine solche besteht, die Gemeinde- 
vertretung.) In ersterer kommt das verstärkte Stimmrecht der größeren Grundbbesitzer, 
Gewerbetreibenden u. s. w. zur Geltung, während in letzterer jeder Wähler nur eine 
Stimme hat. 
In den alten Provinzen und in Schleswig-Holstein" sind die Wähler 
eine Woche vor dem Wahltage in gleicher Weise wie zur Wahl der Gemeindeverordneten 
zu laden. Der Wahlvorstand besteht aus dem Gemeindevorsteher oder dem zu dessen 
Vertretung berufenen Schöffen (Stellvertreter) als Vorsitzendem und aus zwei von der 
Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) zu wählenden Beisitzern.' Der Vorsitzende 
ernennt einen der Beisitzer, erforderlichenfalls auch eine nicht zur Wahlversammlung 
gehörige Person, zum Protokollführer. Jede Wahl erfolgt in einem besonderen Wahl- 
gange durch Stimmzettels, welche die nach der Wählerliste aufzurufenden Wähler 
uneröffnet in die Wahlurne legen. Auch nach ihrem Aufrufe, aber vor dem Schlusse 
der Wahlhandlung erscheinende Wähler können an der Abstimmung noch teilnehmen.7 
Sind keine Stimmen mehr abzugeben, so erklärt der Vorstand die Wahl für ge- 
schlossen; der Vorsitzende nimmt die Stimmzettel einzeln aus der Wahlurne und ver- 
liest die darauf verzeichneten Namen, welche von einem durch den Vorsitzenden zu 
ernennenden Beisitzer laut zu zählen sind. Als ungültig — worüber der Wahlvorstand 
entscheidet — und als nicht abgegeben sind diejenigen Stimmzettel zu betrachten, welche 
1) nicht von weißem Papier oder mit einem Kennzeichen versehen sind, 2) keinen oder 
keinen lesbaren Namen, 3) mehrere Namen oder den Namen einer nicht wählbaren 
Person, 4) einen Protest oder Vorbehalt enthalten, oder endlich 5) die Person des Ge- 
wählten nicht zweifellos erkennen lassen.G Die Stimmzettel sind dem Wahlprotokoll 
beizufügen und so lange aufzubewahren, bis über die gegen das Wahlverfahren erhobenen 
Einsprüche rechtskräftig entschieden ist. 
Als gewählt ist derjenige zu betrachten, welcher bei der ersten Abstimmung mehr 
als die Hälfte der gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat. Ergiebt sich bei der ersten 
Abstimmung diese Stimmenmehrheit nicht, so kommen bei der sofort vorzunehmenden 
zweiten Abstimmung diejenigen zwei Personen, welche im ersten Wahlgange die meisten 
  
S. 173, Anm. 6 an („nur in Hessen .) 
Strutz, Kommunalverbände, S. 199, behauptet 
das Gegenteil, aber ohne Angabe von Gründen. 
Vorsteher seiner Wohnsitzgemeinde sein konnte, 
ist ausgehoben durch Kr. O. rh., §S. 23, Abs. 7. 
Daselbst ist bestimmt, daß in denjenigen Ge- 
meinden, welche für sich allein eine Landbürger- 
meisterei bilden, der Bürgermeister zugleich Ge- 
meindevorsteher ist. — L. G. O. hann., §§. 25, 
29. Gast= und Schankwirte sollen in der Regel 
nicht gewählt werden. Pächter und Verwalter, 
welchen in Vertretung der betreffenden Güter 
ein Stimmrecht in der Gemeinde zustebt, können 
mit Genehmigung des Landrates, auch ohne 
einen Wohnsitz in der Gemeinde zu haben, ge- 
wählt werden; §. 25, Abs. 2 in Verbindung mit 
Kr. O. bann., §. 31. 
1 L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §§. 76—83; 
w., §s. 38; Kr. O. rh., §. 23, Abs. 2, und das 
der Kr. O. beigefügte Wahlreglement; L. G. O 
hann., §#§. 46, 59. 
: Auch in Hannover hat die Gemeinde- 
vertretung, wo eine solche besteht, und nicht die 
Gemeindeversammlung den Gemeindevorsteher 
und die Beigeordneten zu wäblen. Nach §. 52 der 
L. G. O. hann. vertritt die Gemeindevertretung 
die Gemeindeversammlung ganz, sofern dieser 
nicht besondere Gegenstände zur Beschlußfassung 
vorbehalten sind. Dies nimmt auch Löning, 
  
* Vgl. bes. L. G. O. ö. u. schlesw.-Holst., §. 80, 
Abs. 3, und dazu Stenogr. Ber. der Sitzg. des 
A. H. v. 15. April 1891, S. 1773. 
* Das Wablverfahren ist im Folgenden nach 
der L. G. O. ö. u. schlesw.-holst. dargestellt, für 
die westlichen Provinzen gelten nur geringe 
Abweichungen; teils fehlt es bier überbaupt an 
eingehenderen Vorschriften. 
5 Wie die Wahl der Beisitzer zu erfolgen hat, 
ist nicht vorgeschrieben, sie können also durch 
mündliche Stimmgabe, durch Akklamation oder 
durch Stimmzettel gewählt, dürfen aber nicht 
vom Vorsitzenden ernannt werden. O. B. G., 
VIII, S. 121 ff. 
* Die Wahl durch Alkklamation ist ausge- 
schlossen. Vgl. Stenogr. Ber. der Sitzg. des 
A. H. v. 15. April 1891, S. 1775 ff. 
* Auch Wähler, die erst im Laufe der engeren 
Wabl erscheinen, können an dieser noch teil- 
nehmen, da die Wahlbandlung erst geschlossen 
ist, wenn eine endgültige Wahl. ein Wahlresul- 
tat, vorliegt. O. V. G., III, S. 21. 
5 Vgl. O. V. G., I, S. 12.
	        
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