Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

192 Zweiter Abschnitt. (§§. 50, 51.) 
Der Gemeindevorsteher und die Schöffen (Stellvertreter oder Beigeordnete) werden 
vor ihrem Amtsantritte von dem Landrate oder in seinem Auftrage von dem Amts- 
vorsteher (Amtmann, Bürgermeister oder Distriktskommissarius) vereidigt. 
8. 50. 
3) Die Erledigung der Geschäfte des Gemeindevorstandes. 
I. Nach dem überall herrschenden Bureausystem hat, wie bereits erwähnt, der 
Gemeindeversteher allein und unter eigener Verantwortung alle dem Gemeindevorstande 
gesetzlich obliegenden Geschäfte, sei es selbständig, sei es, wie in der Rheinprovinz, 
nach den Anweisungen und Direktiven des Bürgermeisters, zu erledigen. Die Schöffen, 
Stellvertreter oder Beigeordneten sind lediglich seine Gehilfen; eine Entscheidung kommt 
ihnen nur zu, wenn sie den Gemeindevorsteher vertreten. 
II. Ist ein kollegialischer Gemeindevorstand bestellt, so erledigt er die ihm über- 
wiesenen Geschäfte auf Grund von Beratungen und Beschlußfassungen. Die Beschlüsse 
sind nach Stimmenmehrheit und unter Teilnahme von mindestens drei Mitgliedern zu 
fassen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Gemeindevorstehers als Vor- 
sitzenden. Über seine Vertretung im Vorsitze hat das Ortsstatut Bestimmungen zu treffen. 
Bei Beratungen und Beschlußfassungen über solche Gegenstände, welche das Privat- 
interesse einzelner Mitglieder des Gemeindevorstandes oder ihrer Verwandten und Ver- 
schwägerten in auf= oder absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der Seitenlinie 
berühren, dürfen diese Mitglieder nicht teilnehmen. Wird hierdurch der Gemeinde- 
vorstand beschlußunfähig, so entscheidet der Gemeindevorsteher allein. 
Tritt eine Beschlußunfähigkeit aus anderen Gründen ein, so muß der Gemeinde- 
vorsteher eine zweite Sitzung anberaumen, und erst, wenn diese wieder nicht beschluß- 
fähig ist, hat er allein hinsichtlich der auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände zu 
entscheiden.? 
C. 51. 
C. Die Zuständigkeit des Gemeindevorstandes und der Gemeindeversammlung 
(Gemeindevertretung); das Verhältnis beider zu einander. 
I. Die Stellung des Gemeindevorstandes und seine Kompetenz ist in den einzelnen 
Rechtsgebieten eine verschiedene, und zwar nicht nur der Gemeindeversammlung (Gemeinde- 
vertretung) gegenüber, sondern auch auf dem Gebiete, auf welchem er von dieser un- 
abhängig ist. Der Satz der östlichen und schleswig-holsteinschen Landgemeindeordnung: 
„der Gemeindevorsteher ist die Obrigkeit der Landgemeinde und führt deren Verwaltung“, 
findet außer im Geltungsbereiche dieser beiden Gesetze nur noch in Hannover An- 
wendung. 
In Westfalen ist die Thätigkeit des Gemeindevorstehers als ausführender Behörde 
und selbständigen Leiters der ganzen Gemeindeverwaltung beschränkt und beeinflußt durch 
eine weitgehende Mitwirkung des Amtmannes. In einer Reihe von im Gesetze bestimmten 
Fällen gebührt dem Amtmanne die Erledigung von Geschäften der Einzelgemeinden an 
  
. auch nützlich, wedmäßig und sachgemäß ist. # w., §. 25; L. G. O. hann., §. 34. Betreffs des 
. V. G., „,S. 84 ff. — Gegen den vom Diensteides vgl. oben S. 7 Anm. 3. 
Lendrare, n r unint des Kr. A., gefaßten, : L. G. O. ö. u. schlesw. -bolst., S. 89. 
die Bestätigung versagenden Beschluß findet ge- * v. Möller, L., §§8. 27 u. 32. 
mäß L. V. G., §. 121 binnen zwei Wochen die 1 L. G. O. ö. u. schlesw.--holst., §. 88; M. Bek. 
Beschwerde an den Bez. A. statt, welcher dann zur L. G. O. hann., §s. 31, Abs. 1, u. 8. 18 des 
endgültig entscheidet. Ges. v. 5. Sept. 1848 (hann. G. S., S. 261). 
1 L. G. O. . u. schlesw.-holst., §. 85; Kr. O
	        
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