Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

194 Zweiter Abschnitt. (8. 51.) 
Behörden und Privatpersonen zu verhandeln.! Besondere Vorschriften enthalten die 
Gesetze über Urkunden und Vollmachten der Gemeinden. In Hannover sind diese 
vom Gemeindevorsteher und sämtlichen Beigeordneten zu vollziehen, Vollmachten außer- 
dem noch vom Landrate zu beglaubigen.? In den anderen Provinzen sind sie nur von 
zwei Personen zu unterschreiben, und zwar in den westlichen von dem Amtmanne oder 
Bürgermeister und dem Gemeindevorsteher, oder wenn erstere selbst Gemeindevorsteher 
sind, von ihnen und ihrem Stellvertreter — in den alten Provinzen und in 
Schleswig-Holstein vom Gemeindevorsteher und einem Schöffen unter Beidrückung 
des Gemeindesiegels. Auf den betreffenden Gemeindebeschluß und die dazu etwa erforder- 
liche Genehmigung oder Entschließung der zuständigen Aufsichtsbehörde ist in der Ur- 
kunde (Vollmacht) Bezug zu nehmen, in den westlichen Provinzen ist ihr die 
Genehmigung in beglaubigter Form beizufügen. In solcher Weise ausgestellte Voll= 
machten sind auch da ausreichend, wo die Gesetze eine gerichtliche oder notarielle Voll- 
macht erfordern.? 
Ist in den östlichen Provinzen und in Schleswig-Holstein ein kollegialischer 
Gemeindevorstand eingeführt, so können diesem einzelne, im Gesetze besonders erwähnte 
Befugnisse zur Verrichtung an Stelle des Gemeindevorstehers durch das Ortsstatut 
übertragen werden.“ 
III. Die Thätigkeit der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) ist im Gegen- 
satze zu der vorzugsweise exekutiven des Gemeindevorstandes teils eine beschließende, 
teils eine kontrollierende; von der Ausführung ihrer Beschlüsse, welche den Willen der 
Gemeinde darstellen, ist sie prinzipiell ausgeschlossen. Der Umfang ihrer Beschluß- 
fassungen und damit ihrer Einwirkung auf die Gemeindeverwaltung ist in den einzelnen 
Rechtsgebieten verschieden fixiert: 
1) In den östlichen Provinzen, in Westfalen und in Schleswig-Holstein 
ist die Stellung der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) dieselbe wie die der 
Stadtverordnetenversammlung in den Städten der altpreußischen Gebietsteile. Sie 
hat über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschließen, soweit diese nicht durch 
das Gesetz dem Gemeindevorsteher (Gemeindevorstand) ausschließlich überwiesen sind, 
über andere Angelegenheiten aber nur, wenn ihr solche durch besondere Gesetze oder in 
einzelnen Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde übertragen sind. Daraus folgt, 
daß die Thätigkeit der Gemeindeversammlung sich prinzipiell auf Gemeindeangelegenheiten 
zu beschränken hat, diese aber nach jeder Richtung hin umfaßt. Von gesetzlichen Aus- 
  
1 §. 88, cit., 3. 7; L. G. O. w., §. 23; rh., 
88. 4, 85. 
8 G. O. hann., 8. 50, Abs. 4; M. Bek. dazu, 
8. 34. 
2 L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., 8. 88, Z. 7, 
Abs. 2; w., 8. 66. In der Rheinprovinz 
sind den Urkunden, welche die Gemeinden ver- 
pflichten sollen, außer der Genehmigung der 
Aufsichtsbehörde auch noch die betr. Beschlüsse 
des Gemeinderates beizufügen. Die Ausferti- 
gungen von Gemeinderatsbeschlüssen, welche den 
Urkunden beigefügt werden oder als Autorisa- 
tion für den Bürgermeister zu einzelnen Hand- 
lungen dienen sollen, müssen von dem Vorsitzen- 
den und zwei Mitgliedern des Gemeinderates, 
die er jährlich hierzu aus seiner Mitte wählt, 
unt P chrieben werden. L. G. O. rh., §§. 66 
u. 102. 
4 L. G. O. ö. u. schlesw.--holst., §. 89. Die 
daselbst bezeichneten Befugnisse können dem kolle- 
gialischen Gemeindevorstande sämtlich oder auch 
nur teilweise übertragen werden. Es sind dies: 
a) die Beschlußfassung auf Beschwerden und 
Einsprüche, betr. das Recht der Mitbenutzung 
der öffentlichen Gemeindeanstalten (s. 9); b) die 
Anderung der Anzahl und der Grenzen der 
  
Wahlbezirke (s. 51); c) die Beschlußfassung auf 
Beschwerden und Einsprüche, betr. das Recht zur 
Teilnahme an den Nutzungen und Erträgen des 
Gemeindevermögens und die besonderen Rechte 
einzelner örtlicher Teile des Gemeindebezirkes 
oder einzelner Klassen der Gemeindeangehörigen 
an den Nutzungen und Erträgen des Gemeinde- 
vermögens (§. 71); W die Vorbereitung der 
Gemeindebeschlüsse (8. 88, Z. 2); e) die Aus- 
fübrung derselben, die Verwaltung des Ver- 
mögens, der Einkünfte und der Anstalten der 
Gemeinde und die Beaufsichtigung der besonders 
eingesetzten Verwaltungen (§. 88, Z. 3); f0 die 
Anweisung der auf dem Etat oder Beschlüssen 
beruhenden Einnahmen und Ausgaben und Be- 
aufsichtigung des Rechnungs= und Kassenwesens 
(8. 88. Z. 4); g) die Verteilung und Einziehung 
der Gemeindeabgaben und Dienste (. 88, Z. 8); 
h) der Entwurf des Voranschlages (§. 119); i#) die 
Vorprüfung der Gemeinderechnung, falls ein be- 
sonderer Gemeinderechner bestellt ist (§. 120). — 
Die hier nicht erwähnten Befugnisse müssen auch 
da, wo ein kollegialischer Gemeindevorstand be- 
steht, dem Gemeindevorsteber allein zur Verrich- 
tung verbleiben.
	        
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