Ortsgemeinden; das geltende Recht. (F. 54.) 201
schlechthin als der Wirkungskreis der Gemeinde bezeichnet werden. Wie alle Selbst-
verwaltungskörper ist sie von einer Teilnahme an der Verwaltung auswärtiger An-
gelegenheiten der Natur der Sache nach ausgeschlossen, auf dem Gebiete der Militär-
und der Staatsfinanzverwaltung sind ihr nur wenige Geschäfte übertragen. Der
Schwerpunkt ihrer Thätigkeit liegt auf dem Gebiete der inneren Verwaltung. Hier sind
der Gemeinde überaus zahlreiche und verschiedenartige Funktionen zur selbständigen Er-
ledigung überwiesen, hier gerade bietet sich häufig Gelegenheit für sie, ihren obligatorischen
Wirkungskreis im Interesse des Wohles ihrer Angehörigen durch Übernahme freiwilliger
Leistungen zu erweitern und so im weitesten Umfange die pflegende Thätigkeit des
Staates zu ersetzen. Die Verwirklichung von Aufgaben der inneren Verwaltung ist
der eigentliche Lebenszweck der Gemeinden. Der Erreichung dieses Zweckes dient schließlich
auch die ganze Verwaltung des Gemeindevermögens und Gemeindehaushalts, durch welche
die Gemeinden sich die Mittel verschaffen, um ihren Aufgaben genügen zu können.
bestellt werden. Die Wahlen erfolgen durch die
Gemeinde-, letzteren Falls durch die Kreisver-
tretung. Die Wahl kann unter den gleichen
Voraussetzungen wie die zum Gemeindeverord-
neten abgelehnt werden, auch wird unbefugte
Ablehnung in gleicher Weise wie dort bestraft.
Den Schiedsmännern ist außer einer Mitwirkung
im Privatklageverfahren bei Beleidigungen und
Körperverletzungen auch die gütliche Schlichtung
bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten über vermögens-
rechtliche Ansprüche übertragen, soweit solche von
den Parteien beantragt wird. Alle von ihnen
demgemäß aufgenommenen Vergleiche haben die
Wirkung der gerichtlichen.
Zur Schlichtung gewerblicher Streitigkeiten
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kön-
nen nach dem R. G., betr. die Gewerbegerichte,
v. 29. Juli 1890 (R. G. Bl., S. 141; Komm.
v. Wilhelmi und Fürst (Berlin 18911) für
die einzelnen Gemeinden besondere Gewerbe-
gerichte — bestehend aus einem Vorsitzenden,
der weder Arbeiter noch Arbeitgeber sein darf,
und vier, zur Hälfte aus den Arbeitgebern und
zur Hälfte aus den Arbeitern gewählten Bei-
sitzern — errichtet werden. Wo ein Gewerbe-
gericht nicht vorhanden ist, kann bei gewissen Strei-
tigkeiten dieser Art eine vorläufige Entscheidung
des Gemeindevorstehers nachgesucht werden. Für
die Rheinprovinz pdgl. das Gesetz betreffend
die königlichen Gewerbegerichte in der Rhein-
provinz v. 11. Juli 1891 (G. S., S. 311).
Die weitere Darstellung dieser Materien gehört
ins Justiz= bezw. Gewerbewesen. Siehe auch
Leidig, S. 503 ff.
Hier sind noch zu erwähnen die durch das
G. G. nass., §§. 20—23 für jede Gemeinde an-
geordneten Feldgerichte und die in den Land-
gemeinden der östlichen Provinzen nach
dem A. L. R., Tl. II, Tit. 7, §§. 79—86 be-
stebenden Dorfgerichte.
Die nassauischen Feldgerichte setzen sich
zusammen aus dem Bürgermeister als Vorsitzen-
dem und 3—9 Feldgerichtsschöffen, welche aus
der Zahl der vermögenden, der Gemarkung und
der Landwirtschaft kundigen Guts= oder Häuser-
besitzer in der Regel auf Lebenszeit vom Regie-
rungspräsidenten (Landrat) ernannt werden;
und zwar sind zu jeder erledigten Stelle vom
Bürgerausschuß (Gemeindeversammlung) und
vom Feldgerichte je zwei Personen vorzuschlagen.
Die Funktionen des Feldgerichts bestehen im
allgemeinen in der Aufsicht über die Gemarkungs-
grenzen, die Grenzen der Privatgüter und in
einer Mitwirkung bei Akten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit. Diese Institution des G. G.
nass. ist auch für das Geltungsgebiet der St. O.
wiesb. aufrecht erhalten (§. 64 dieser St. O.).
Die Kompetenz dieser Gemeindegerichte ist jedoch
durch die neue Gesetzgebung wesentlich beschränkt:
Ihrer Gerichtsbarkeit sind nur Personen unter-
worfen, welche in der betreffenden Gemeinde
einen Wohnsitz, eine Niederlassung oder im
Sinne der §s§. 18, 21 der C. P. O. einen Auf-
enthalt haben, und von vermögensrechtlichen An-
sprüchen nur die bis zum Werte von 60 Mark.
Vgl. §. 14, Z. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes
v. 27. Jan. 1877 (R. G. Bl., S. 41). Die
Kompetenz in Grundkuchsachen ist ibhnen ge-
nommen, vgl. §. 12, Z. 5, u. §. 131 des Ausf.
Ges. zum dtschn. Gerichtsverfassungsgesetz v.
24. April 1878 (G. S., S. 230); ebenso ihre
Strafgewalt in Feld= und Forstpolizeisachen,
vgl. 88. 53, 95, 96 des Feld= und Forstpol. Ges.
v. 1. April 1880 (G. S., S. 230); ausdrücklich
aufrecht erhalten ist dagegen ibre sonstige Be-
fugnis zur Mitwirkung bei Rechtsgeschäften über
unbewegliche Sachen durch §. 2, Abs. 2 des
Ges. über das Notariat v. 8. März 1880 (G. S.,
S. 177).
Die Dorfgerichte in den östlichen Pro-
vinzen bestehen aus dem Schulzen als Dorf-
richter und den Schöppen. Sind mehr als zwei
Schöppen vorhanden, so genügen zwei zur Be-
setzung des Gerichts; vgl. Rebbein u. Reinke,
A. L. R., Anm. 89 zu §. 82, Tl. II, Tit. 7. Die
Kompetenz der Dorfgerichte beschränkt sich auf
einzelne Handlungen der freiwilligen Gerichts-
barkeit. Sie sind befugt zur Aufnahme von
Beglaubigungen, Taxen, Inventarien, bei Ge-
fahr im Verzug auch zur Aufnahme von Testa-
menten. Uber letztere Befugnis vgl. §§. 93—99
A. L. R., Tl. I. Tit. 12; dieselbe stebt bisweilen
auch den Magistraten kleiner Städte zu, §. 99,
a. a. O., u. Kab. Ordre v. 21. Jan. 1833 (G. S.,
S. 13.) Eine Zusammenstellung sämtlicher, die
preußischen Dorfgerichte betreffenden gesetzlichen
Vorschriften entbält A. Th. Fritsch, Preußische
Dorfgerichtsordnung (Breslau 1865). Siehe
auch v. Möller, L., S. 281 ff. u. S. 331 ff.