202 Zweiter Abschnitt. (8. 54.)
Die kommunale Finanzverwaltung, dasjenige Gebiet, auf welchem der Gemeinde die
größte Selbständigkeit und die freieste Bewegung eingeränmt ist, wird unten eingehend
erörtert werden. Hier soll nur derjenigen Funktionen gedacht werden, welche den Ge-
meinden im Auftrage des Staates auf dem Gebiete der inneren Verwaltung, der staat-
lichen Finanz- und Militärverwaltung zukommen. Aber auch dabei wird es sich nur
um die Anführung solcher Rechtsnormen handeln können, welche allgemeine Bestimmungen
über die Berechtigungen bezw. Verpflichtungen der Gemeinden enthalten. Alle Einzel-
heiten gehören in die Darstellung der betreffenden Verwaltungszweige.
1) Was die innere Verwaltung anlangt, so kann die Gemeinde zunächst auf dem
Gebiete des Gesundheitswesens eine ersprießliche Thätigkeit entwickeln; sie kann, soweit
ihre Mittel reichen, zahlreiche Anstalten ins Leben rufen und Vorkehrungen treffen, welche
die Sicherung und Hebung des Gesundheitszustandes ihrer Einwohner bezwecken. 1
Im Gebiete des Bauwesens sorgt die Gemeinde in Konkurrenz mit der Polizei-
behörde für die Erhaltung der Gebäude?, für die zweckmäßige Anlage neuer Straßen
und Plätze wie für die Veränderung bestehender ; in weitem Umfange ist sie selbst
zur Tragung der Wegebaulast verpflichtet."
Als engster Verband nachbarlicher Genossen ist sie seit alters her berufen, für
diejenigen ihrer Angehörigen zu sorgen, welche sich noch nicht oder nicht mehr selbst
helfen können. Zum Schutze der Unmündigen bestellt sie die Waisenräte, welche als
Gemeindeorgane dem Vormundschaftsrichter beratend zur Seite stehen. Die Gemeinde
ist Hauptträgerin der ganzen Armenpflege; als Ortsarmenverband hat sie nach heutigem
Rechte alle in ihr hilfsbedürftig werdenden Personen einstweilen und diejenigen, welche
in ihr den Unterstützungswohnsitz erworben haben, während der Hilfsbedürftigkeit dauernd
zu unterhalten.“ Durch Einführung der Gemeindekrankenversicherung ist die Gemeinde
endlich auch zur Trägerin der Zwangskrankenversicherung geworden und hat als solche
versicherungspflichtigen Personen, welche im Gemeindebezirke beschäftigt sind, ohne einer
selbständigen dort bestehenden Kassenorganisation anzugehören, eine gesetzlich festgestellte
Krankenunterstützung zu gewähren.7
Weiter hat die Gemeinde den wirtschaftlichen Wohlstand ihrer Angehörigen zu fördern.
Die Gesetzgebung erklärt sie besonders für befugt,
Sparkassen und Leihanstalten zu
1 beidig. S. 361 ff. Gesetzliche Vorschriften
existieren über die Errichtung öffentlicher, aus-
schließlich zu benutzender Schlachthäuser, Ges. v.
18. März 1868 (G. S., S. 277), Ges. v. 9. März
1881 (G. S., S. 273) und über die Mitwirkung
der Gemeinden beim Impfgeschäft, Reichsimpf-
gesetz v. 8. April 1874 (R. G. Bl., S. 31),
preuß. Ges. v. 12. April 1875 (G. S., S. 191).
2: Leidig, S. 373 ff.; v. Möller, St.,
8. 120; cL., §. 98; A. L. R., I, 8, §§. 35—59.
Leidig, S. 374 ff.; v. Möller, St.,
88. 83, 120; Baufluchtliniengesetz v. 2. Juli 1875
(G. S., S. 561); dazu Komm. v. Friedrichs
(2. Aufl., Berlin 1889).
* Vgl. Ges. betr. die Abänderung der Wege-
gesetze im Reg. Bez. Kassel v. 16. März 1879
(G. S., S. 225), #§#§. 1 ff.; hann. Ges. über
Gemeindewege und Landstraßen v. 28. Juli
1851 (hann. G. S., 1, S. 141); Ges. betr.
die Abänderung der Wegegesetzgebung für die
Provinz Schleswig-Holstein u. s. w. vom
26. Febr. 1879 (G. S., S. 94), §§. 13 ff.;
Wegeordnung für die Provinz Sachsen vom
11. Juli 1891 (G. S., S. 316), §#§. 15 ff.; Ges.
betr. die Teilnahme an den Kosten des Baues
und der Unterhaltung der Landstraßen in den
Hohenz. Landen v. 5. Jan. 1878 (G. S.,
S. 5), §§. 5 ff. Für die übrigen Rechtsgebiete
sehlt es an einer einheitlichen Wegegesetzgebung;
meistens ist das Herkommen maßgebend.
"Leidig, S. 397; Steffenhagen, §. 90;
Vormundschaftsordnung v. 5. Juli 1875 (G. S.,
S. 431), S§. 52—54. Bgl. auch das Ges. betr.
die Unterbringun wagle Kinder vom
13. März 1878 (G. S. 132), S§. 3, 7. 9
u. 12.
* Leidig, S. 391 ff.; v. Möller, St.,
#§. 125; L., §. 100; Steffenhagen, 8. 87;
R. G. über den Unterstützungswohnsitz v. 6. Juni
1870 (RK. G. Bl., S. 391); preuß. Ausf. Ges.
v. 8. März 1871 (G. S., S. 130), abgeändert
durch Ges. v. 11. Juli 1891 (G. S., S. 300);
Zust. G., S§. 39—44.
Leidig, S. 404 ff.; Krankenversicherungs-
geseh v. 15. Juni 1883 in der euen Fafung
10. April 1892 (R. G. Bl., S. 379), §#
—. Auch als Träger der Unfallversicherung
können Gemeinden ebenso wie andere Kommu-
nalverbände für die von ihnen hergestellten Bau-
ten zugelassen werden, wenn sie von der Landes-
centralbehörde als leistungsfähig anerkannt sind.
Ges. betr. die Unfallversicherung der bei Bauten
beschäftigten Personen vom 11. Juli 1887
(R. G. Bl., S. 287), §. 4, Z. 3, §§. 46 u. 47.
Endlich können Gemeinden gleich anderen Kom-
munalverbänden selbständige Träger der In-
validitäts= und Altersversicherung sein, Ges.
betr. die Invaliditäts= und Altersversicherung
v. 22. Juni 1889 (R. G. Bl., S. 97), F. 5.