Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 54.) 205
stenern liegt gegenwärtig den Gemeinden nur in den östlichen Provinzen, und auch
hier nur bei Einkommen bis zu 3000 Mark ob, im übrigen wird sie direkt durch den
Staat besorgt. Durch königliche Verordnung kann jedoch allen Gemeinden die Ver-
pflichtung auferlegt werden, in ihren Bezirken die Elementarerhebung der sämtlichen
direkten Staatssteuern wie der Domänen-, Rentenbank= und Grundsteuerentschädigungs-
renten und die Abführung der erhobenen Beträge an die zuständigen Staatskassen ohne
Vergütung zu bewirken.?
3) Zur staatlichen Militärverwaltung steht die Gemeinde in zweifacher Beziehung.
Sie ist erstens stellvertretendes Subjekt derselben, indem sie ihren Angehörigen gegenüber
Verwaltungshandlungen vornimmt, die sonst den staatlichen Militärbehörden obliegen
würden, und sie ist zweitens Objekt derselben, indem sie selbst ihr zu gewissen Leistungen,
zur Hergabe von Sachen und zur Gestellung von Mannschaften verpflichtet ist.
Die Gemeinde nimmt aktiv teil an der Militärverwaltung: 1) wenn sie bezw. ihr
Vorstand verpflichtet ist, die Rekrutierungsstammrollen über die Militärpflichtigen des
Gemeindebezirkes zu führen, im Musterungs= und Aushebungsgeschäft zu erscheinen, die
Militärpflichtigen zur Musterung und Aushebung zu beordern, die Ersatz= und Landwehr-
behörden bei Kontrolle der Wehrpflichtigen zu unterstützen, die Landsturmrollen auf-
zustellen" und 2) wenn sie dafür sorgt, daß ihre Angehörigen dem Heere gewisse zu
seiner Ausrüstung und Unterhaltung notwendige sachliche Güter nach Maßgabe der gesetz-
lichen Vorschriften leisten. Hierher gehören besonders die sogen. Naturalleistungen
im Frieden, welche in der Gewährung von Quartier, Vorspann, Fourage und Ver-
pflegung bestehen. Alle diese Leistungen liegen nicht den Gemeinden als solchen ob,
sondern den einzelnen im Gesetz näher bezeichneten Gemeindeangehörigen. Die Gemeinden
sind nur die Organe für die Verteilung dieser Lasten auf die Verpflichteten; sie haben
die definitive Unterverteilung derselben zu bewirken, nachdem ihnen im allgemeinen bekannt
gegeben ist, welche Leistungen von ihrem Bezirke überhaupt gefordert werden 5; sie haben
für die gehörige und rechtzeitige Erfüllung dieser Leistungen zu sorgen und sind daher
befugt, die Verpflichteten durch Anwendung administrativer Zwangsmittel zur Erfüllung
ihrer Obliegenheiten anzuhalten, wie auch etwa verauslagte Kosten von dem säumigen
Verpflichteten auf dem für die Einziehung der Gemeindeabgaben vorgeschriebenen Wege
beizutreiben." Die Gemeinden sind berechtigt, durch Ortsstatut alle diese Leistungen in
ç„Gemeindeleistungen zu verwandeln, die Requisitionen auf ihre Kosten zu erfüllen und von
den einzelnen Pflichtigen die auf sie entfallenden Anteile einzuziehen.¾ Aber auch dadurch
wird die Gemeinde dem Staate gegenüber nicht materiell zur Verpflichteten; sie haftet
nicht für die Erfüllung dieser Militärlast, ihre Leistung „ist zwar in solutione, aber
nicht in obligatione“.
Die Gemeinden als solche sind dagegen dem Staate zu den sogen. Kriegs=
leistungen verpflichtet, d. h. zur Gewährung von Quartier, Verpflegung, Fourage,
Transportmitteln, Materialien und Gespannen, zur Stellung von Mannschaften zu
gewissen Diensten und überhaupt zur Erfüllung außergewöhnlicher Militärbedürfnisse in
Kriegszeiten, nach Mobilmachung der Truppen." Das Gesetz macht hier die Gemeinden
1 Für die Erhebung erhalten die Gemeinden
z. Z. noch 2 Prozent der Isteinnahme der zu
erhebenden Steuer als Vergütung. §. 73, cit.,
Abs. 3.
2 Ges. w. Aufheb. dir. St., §. 16, Abfs. 2.
„ Leidig, S. 431 ff.; v. Möller, St.,
5. 147; L., §. 129; Steffenhagen, §. 88;
Schmitz, 8§. 54—59.
* Reichsmilitärgesetz v. 2. Mai 1874(R. G. Bl.,
S. 45), §§. 30, 31; Deutsche Wehrordnung v.
22. Nov. 1888 (Reichs-Centralblatt für 1889,
S. 1 ff.), s§. 45, 46, 61, . 3; 70, 3.2; 62,
Z. 1; 106, 102. Alle diese Leistungen llegen
gigentlich der Gemeinde als solcher ob, es han-
delt sich hier nicht um Geschäfte, welche der Ge-
meindevorsteher kraft besonderen staatlichen Auf-
trages zu verrichten hat. Das Reichsmilitärgesetz
neunt §. 31 ausdrücklich die Gemeinden als
die zur Führung der Stammrollen Verpflich-
teten und §. 45, Z. 1, cit., sagt, daß statt des
Gemeindevorstehers auch ein anderer unter der
Verantwortung desselben die Rollen führen
könne.
5 R. G. betr. die Ouartierleißung' für die
bewaftneie Macht v. 25. Juni 1868 (B. G. Bl.,
S. 523) und Ges. über die Naturalleistungen
für die bewaffnete Bache im Frieden v. 13. Febr.
1875 (R. G. Bl., S. 52).
* O. V. G., IV. S. 135; RN. G. v. 1868,
#§. 5; R. G. v. 1875, S. 7.
N. G. v. 1868, F. 11; R. G. v. 1875, S. 7.
R. G. v. 1868, §. 7.
R. G. v. 13. Juni 1873 über die Kriegs-
ungen
7
8
" v.
leistungen (R. G. Bl., S. 129).