Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 61.)
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und wurde von diesen mit dem Wachsen ihrer Macht immer unbeschränkter und will-
kürlicher ausgeübt. Oft wurde die Erhebung der Steuern an Ratsfreunde verpachtett,
oft verschwendeten die Räte im eigenen Interesse die Gelder, welche sie sich mühelos aus
den Steuern verschafften; durch immer neue Auflagen, besonders durch häufige Erhebung
von Kopfgeldern, Viehgeldern, Handwerksgeldern? u. s. w. sogen sie die ohnehin schon
armen Bürger aus, sich selbst schadeten sie durch solche Steuerausschreibungen aber wenig
oder gar nicht, denn für sich und ihre Gesippen beanspruchten die Herren im Rat meist
das Privilegium der Steuerfreiheit. Diese Entwickelung des städtischen Bestenerungs-
rechtes hat in nicht geringem Maße zum Verfalle der Städte gegen Ausgang des Mittel-
alters beigetragen.
Eine gründliche Reorganisation des städtischen Finanzwesens erfolgte Hand in Hand
mit der Reorganisation der ganzen städtischen Verwaltung durch Friedrich Wilhelm I.,
dessen diesbezügliche Vorschriften später von Friedrich dem Großen auf die neu hinzu-
getretenen Gebietsteile Schlesien und Ostfriesland ausgedehnt wurden. Das freie
Besteuerungsrecht wurde den Städten genommen; unter die strengste staatliche Aufsicht
gestellt, sollten sie mit der äußersten Sparsamkeit so wirtschaften, daß die laufenden
Ausgaben aus den Einkünften des Kämmereivermögens bestritten werden konnten.
Kommunalsteuern, Kollekten genannt, durften überhaupt nur zur Deckung besonderer
Bedürfnisse erhoben werden, und auch dann nur mit staatlicher Genehmigung., Zur
einheitlichen Regelung dieser außerordentlichen Abgaben in der ganzen Monarchie wurde am
4. Sept. 1738 eine Verordnung erlassen, das erste Kommunalsteuergesetz des preußischen
Staates.“ Nach ihr mußte der Rat, welcher eine Kollekte veranstalten wollte, ein be-
gründetes Gesuch nebst Angabe der Höhe und Verteilung der Steuer dem commissarius
loci einreichen, der hierüber weiter an die Kammer zu berichten hatte. Falls die Steuer
genehmigt wurde, erfolgte ihre Erhebung durch zwei Stadtverordnete, die zugleich für
die Verwendung der Gelder zum genehmigten Zweck haften mußten. Ahnlich wurden
die Städte in der Ausübung ihres Besteuerungsrechts durch das Allgemeine Landrecht
beschränkt; ohne Vorwissen und Genehmigung des Staates durften sie keine neuen Ab-
gaben erheben, keine bestehenden erhöhen. So blieb es bis zur Städteordnung von
1808. Diese gab den Städten das unbeschränkte Besteuerungsrecht wieder, legte die
Ausübung desselben aber nicht in die Hände des Magistrats, sondern in die der Stadt-
verordneten. Der Regierung wurde gar kein Einfluß auf das städtische Abgabenwesen
vorbehalten, und daher haben die Stadtverordneten auch die wenigen gesetzlichen Vor-
schriften, welche ihnen gegeben waren, oft nicht berücksichtigt: Jeder Bürger ist ver-
pflichtet, „zu den städtischen Bedürfnissen aus seinem Vermögen und mit seinen Kräften
die nötigen Beiträge zu leisten“. Die „Schutzverwandten“ sollen „nach Maßgabe ihres
Gewerbes und ihrer Vermögensumstände in einem angemessenen Verhältnisse mit den
Bürgern“, zu persönlichen Diensten aber nur in dringenden Notfällen herangezogen
werden. „Die Stadtgemeinde ist verbunden, alles dasjenige, was zur Befriedigung des
öffentlichen Bedürfnisses der Stadt erfordert wird und aus dem Gemeindeeinkommen
nicht bestritten werden kann, auf die Stadteinwohner zu verteilen und aufzubringen“;
eine Prägravation einzelner darf dabei nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen. — Das
sind die einzigen Vorschriften, welche die Städteordnung von 1808 über die städtischen
Lasten und ihre Verteilung enthält; ergänzt wurden dieselben noch durch eine Deklaration
v. 11. Dez. 1809, welche die Heranziehung der Staatsbeamten zu den Kommunal=
abgaben regelte.“ Aus den Bestimmungen der Städteordnung geht unzweifelhaft hervor,
daß die Besteuerung nur eine direkte („verteilen“") und nur die Stadteinwohner, diese
1 Schmoller, a. a. O., S. . 564, 575 ff., 579.
: Schmoller, a. a. O., S. 577.
2 Durch ein Dekret vom 14. Dez. 1716
(Scotti, Kleve-Märkische G. S., II, S. 911)
wurde den klevischen Magistraten die Beran-
staltung außerordentlicher Kollekten ohne staat-
liche Genehmigung bei der Strafe des Ersatzes
des Doppelten aus tigen en Mitteln verboten,
und 1728 (Mylius, Corp. Const. March., V,
Schoen.
1, S. 427) wurde dieses Berbot auf das ganze
Staatsgebiet ausgedehnt.
* Mylius, Corp. Const. March. Contin.,
I., 2, Nr. 40.
* A. L. N., Tl. II, Tit. 8, §. 38, und Tl. II,
Tit. 6, 88. 66. 67.
* v. Rönne und Simon, Die preuß. St.
Ordugn., S. 274.
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