230 Zweiter Abschnitt. (F. 62.)
F. 62.
8) Das Gemeindeabgabenwesen in den neuerworbenen Landesteilen.
So lagen die Verhältnisse, als im Jahre 1867 eine Menge neuer Rechtsgebiete,
jedes mit einem besonderen Gemeindesteuersystem, dem Staate einverleibt wurde. Für
die Stadt Frankfurt a. M. und für die Städte Schleswig-Holsteins wurde durch
die Städteordnungen v. 25. März 1867 und v. 14. April 1869 das Abgabensystem
der Städteordnung von 1853, für die Landgemeinden Schleswig-Holsteins wurden
durch die Verordnung v. 22. Sept. 1867 (G. S., S. 1603) die unvollkommenen Normen
des Gesetzes v. 14. April 1856 eingeführt 1, und endlich wurde durch eine Verordnung
v. 23. Sept. 1867 (G. S., S. 1648) die Besteuerung der Beamten und Militärpersonen
im Anschluß an das in den alten Provinzen geltende Recht einheitlich geregelt. Im
übrigen beließ man es bei dem bestehenden Rechte.
In Hannover hatte dieses eine überaus dürftige Kodifikation in den beiden
Gemeindeverfassungsgesetzen empfangen.) Beide regeln eingehender nur die Befreiungen
von den Gemeindeabgaben, alles übrige überlassen sie dem Ortsstatute und begnügen
sich mit der Aufstellung allgemeiner Grundsätze. Die Städteordnung bestimmt, daß alle
Mitglieder der Stadtgemeinde zu den städtischen Lasten, zur Leistung von Diensten da-
gegen nur in dringenden Fällen heranzuziehen sind, und daß die Forensen bloß an den
dem Grundeigentum auferlegten Leistungen teilnehmen. Die Landgemeindeordnung ver-
weist prinzipaliter auf den bestehenden Beitragsfuß. Besteht ein solcher nicht oder werden
Abänderungen des bestehenden von der Gemeinde oder auf Antrag einzelner Gemeinde-
glieder von der Aufsichtsbehörde beschlossen, so ist er sowohl für Steuern wie für
Dienste, abgesehen von einigen Vergünstigungen für größere Güter, unbebaute Besitzungen,
Angestellte und kleine Gewerbtreibende, nach den direkten Staatssteuern zu bestimmen,
jedoch unter gleichzeitiger Berücksichtigung des besonderen Interesses, welches einzelne
Mitglieder oder Klassen von Mitgliedern an den Zwecken der betreffenden Auflagen
haben. Neue Konsumtions= oder Gewerbeabgaben sollen nicht eingeführt werden. Von
den Forensen sind die Ausmärker, d. h. diejenigen, welche im Gemeindebezirke nur ein
unbebautes Grundstück besitzen, nur realsteuerpflichtig, die anderen, d. h. diejenigen, welche
ein Gut oder ein Wohnhaus im Gemeindebezirke besitzen, gelten dagegen als Gemeinde-
mitglieder und sind gleich diesen auch zu den Personalabgaben heranzuziehen. Betreffs
der juristischen Personen enthalten beide Gemeindegesetze keine Vorschriften. In den
Landgemeinden ließ man sie demgemäß auch steuerfrei, in den Städten zog man wenigstens
einige von ihnen heran, indem man die Bestimmung der Städteordnung, nach welcher
für gewerbliche Gesellschaften mit juristischer Persönlichkeit der zu bestellende verantwort-
liche Geschäfts= oder Werkführer zur Gewinnung des Bürgerrechts verpflichtet ist, dahin
interpretierte, daß auch eine Besteuerung des Einkommens der Gesellschaft in der Person
dieses Geschäfts- oder Werkführers zulässig sei.3 Die Genehmigung der Aufsichtsbehörde
war erforderlich zur Einführung neuer wie zur Anderung bestehender Gemeindeabgaben
und Leistungen."
Im Gebiete des ehemaligen Kurfürstentums Hessen bestimmte sich das Gemeinde-
abgabenrecht in Stadt= und Landgemeinden gleichmäßig nach der Gemeindeordnung v.
23. Okt. 1834. Diese verweist die Gemeinden betreffs der Aufbringung ihres Finanz=
bedarfes, soweit dieser nicht aus den privaten Einkünften des Gemeindevermögens be-
stritten werden kann, zunächst auf Verbrauchsauflagen. Erst, wenn der Ertrag dieser
1 Für die Erhebung der Hundesteuer blieben 2 St. O. hann., §§. 13—16; L. G. O. hann.,
in Frankfurt a. M. das Ges. v. 9. Juli 1839, in S#. 64—67; M. Bek. zur L. G. O., §8. 47—56.
Schleswig-Holstein die Patente v. 20. März 3 Struztz, Kommunalverbände, S. 61, Z.2;
1807 und v. 24. Mai 1834 bestehen; letztere O. V. G., Entsch. v. 16. Nov. 1886 im Pr. Verw.
bezogen sich nur auf die Städte, in den Land- Bl., VIII, S. 161.
gemeinden war eine Hundesteuer nicht wläsfi- St. O. hann., §. 129, Abs. 2, Z. 3; L. G. O.,
Vgl. Strutz, Kommunalverbände, S. 89 u. 98.] §. 42, Abs. 1, Z. 6 u. 7.