Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

234 Zweiter Abschnitt. (F. 63.) 
Im Jahre 1886 wurde wieder ein Einzelpunkt, die Heranziehung der Militär- 
personen zu Kommunalauflagen, gesetzlich geregelt. Versuche, das Kommunalsteuersystem 
im ganzen einheitlich zu reformieren, wurden jedoch zunächst nicht weiter gemacht. 
Diesbezügliche Gesetzentwürfe wurden in den nächstfolgenden Jahren nicht eingebracht, 
und doch mahnten die thatsächlichen Verhältnisse immer dringender zur Reform. UÜberall, 
besonders aber in den Städten, hatte sich infolge der willkürlichen Besteuerungsbefugnis 
der Gemeinden die Belastung der direkten Staatssteuern mit Gemeindezuschlägen dahin 
entwickelt, daß die Grund-, Gebäude= und Gewerbesteuer im Verhältnis zur Klassen- 
und klassifizierten Einkommensteuer nur sehr gering belastet wurde, die Zuschläge zur 
letzteren dagegen bisweilen eine enorme, auf die Dauer unerträgliche Höhe erreichten. 
Haltbar war ein solches Kommunalabgabensystem einstweilen nur deshalb, weil „die 
mangelhaften Veranlagungsvorschriften der Klassen= und Einkommensteuergesetze es er- 
möglichten, daß durch die hohen Zuschläge noch kein für den Steuerzahler absolut 
unerträglicher Druck hervorgerufen wurde“; fallen mußte es, sobald mit Vervollkommnung 
dieser Veranlagungsvorschriften der Einschätzung zur staatlichen Personalsteuer das wirk- 
liche Einkommen zu Grunde gelegt werden konnte. Ebenso wie bei den in Zuschlagsform 
erhobenen, überwogen auch bei den besonderen Gemeindesteuern die auf das Einkommen 
gelegten Steuern die Realabgaben. Indirekte Gemeindeabgaben und Gebühren traten gänz- 
lich zurück, weniger allerdings durch die Schuld der Gemeinden als durch die Schuld der 
Gesetzgebung und der höchsten Verwaltungsbehörden, welche unverkennbar bestrebt waren, 
das Gebührenerhebungsrecht der Gemeinden soviel als möglich zu beschränken. Regierung 
und Landtag waren darin einig, daß diese Art der kommunalen Besteuerung sobald 
als möglich beseitigt werden mußte, da sie nicht nur eine ungerechte und unbillige 
Belastung des reinen Arbeitseinkommens und des Einkommens aus Geldkapital darstellte, 
sondern das Interesse der Gemeinden selbst gefährdete. Ungerecht und unbillig war sie 
zu nennen, weil sie dem Umstande keine Rechnung trug, daß die Gemeinde — im 
Gegensatze zum Staate — einen vorzugsweise wirtschaftlichen Verband darstellt, dessen 
Aufwendungen vielfach und in erheblichem Umfange an erster Stelle den Grund= und 
Hausbesitzern sowie den Gewerbtreibenden zu gute kommen und deshalb vorzugsweise 
von diesen getragen werden müssen. Den eigenen Interessen der Gemeinde schädlich 
konnte die vorzugsweise Aufbringung des kommunalen Steuerbedarfs durch Einkommen- 
steuern um deswillen sein, weil das Einkommen — besonders in Gemeinden mit vor- 
zugsweise gewerbtreibenden Steuerträgern — in seinem Betrage vielfachen Schwankungen 
ausgesetzt ist, für welche es innerhalb des eng begrenzten Gemeindeverbandes häufig an 
einer Ausgleichung fehlt; in größeren Gemeinden veranlaßten größere Einnahmeausfälle 
der industriellen Unternehmungen häufig arge Schmälerungen oder gar Ausfälle in 
ihren Einkommensteuern und damit eine übermäßige Erhöhung der Prozentsätze der 
übrigen Steuerzahler, in kleinen Gemeinden dagegen, welche nur wenige leistungsfähige 
Steuerkräfte besitzen, rief häufig der Ausfall der Einkommensteuer eines einzigen bis 
dahin hochbesteuerten Gemeindeangehörigen eine empfindliche Störung im ganzen kommu- 
nalen Haushalte hervor. Man kam immer mehr zu der Ansicht, daß ein gesundes 
Abgabensystem der Gemeinden vorzugsweise auf der Besteuerung derjenigen Objekte 
beruhen müsse, welche mit ihnen in einer unzertrennlichen Verbindung stehen und daher 
die sicherste Fundierung des Gemeindehaushaltes bilden, daß Gemeindeeinkommensteuern 
nur nebenbei als Ergänzung in Betracht kommen dürften, und daß endlich in diesem 
System auch den Verbrauchsabgaben, besonders aber dem Gebührenwesen eine größere 
Bedeutung und Ausdehnung als bisher einzuräumen sei. Das letzte konnte leicht durch 
ein paar gesetzliche Bestimmungen erreicht werden, die Umwandlunz der vorzugsweiise 
— — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — 
  
  
ist man unzweifelhaft aber davon ausgegangen, 
daß die Mehrzahl der Bestimmungen dieses Not- 
gesetzes, insbesondere die Vorschriften über die 
Einkommensbesteuerung der Aktiengesellschaften, 
mit Einschluß der Privateisenbahnen, der Kom- 
manditgesellschaften auf Aktien, der Bergwerk- 
schaften und eingetragenen Genossenschaften, 
serner die Vorschriften über die Bermeidung der 
Doppelbesteuerung und über das Steuerdemizil 
  
der Beamten nur eine Antizipierung der defini- 
tiven Regelung durch ein umfassendes Gemeinde- 
abgabengesetz enthalten und bei der letzteren un- 
verändert beibehalten werden sollen, soweit nicht 
etwa durch die Erfahrungen bei deren praktischer 
Ausführung sich in einzelnen Punkten die Not- 
wendigkeit einer Abänderung oder Ergänzung 
ergeben möchte.“
	        
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