Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 63.) 235 
persönlichen direkten Kommunalbesteuerung in eine vorwiegend reale erforderte jedoch die 
gänzliche oder wenigstens teilweise Aufhebung der staatlichen Ertragssteuern und die 
Überweisung derselben an die Gemeinden; nur so konnte diesen eine stärkere Ausnutzung 
derjenigen Steuerquellen eröffnet werden, deren sie für die richtige Ausgestaltung ihres 
Steuerwesens in erster Linie bedursten. Hierzu war aber ein Dreifaches notwendig: 
dem Staate mußte, wenn er seine Ertragssteuern aufgeben sollte, ein gleichwertiger 
Ersatz geschaffen werden, denn einen ersatzlosen Verzicht auf diese Steuern gestatteten die 
Staatsfinanzen nicht, d. h. es mußte das bestehende Steuersystem des Staates 
reformiert werden. Gleichzeitig mußte dafür gesorgt werden, daß die Gemeinden 
die ihnen überwiesenen neuen Steuerquellen auch wirklich sachgemäß ausmutzten, daß sie 
besonders nicht etwa die Überweisung lediglich zu Steuererleichterungen des Grundbesitzes 
verwandten, die Personalsteuern daneben aber in ihrer bisherigen Höhe forterhoben; 
dies war die Aufgabe eines umfassenden Kommunalsteuergesetzes. Es mußten 
endlich in einem großen Teile der Monarchie, in den östlichen Provinzen auf dem 
Lande erst ordentliche, gesetzlich fest geregelte Gemeindeverhältnisse geschaffen werden, da 
man den unfertigen kommunalen Gebilden der dortigen Landgemeinden und Gutsbezirke 
die staatlichen Realsteuern nicht überweisen konnte; dies war die Aufgabe einer neuen 
Landgemeindeordnung. 
Im Jahre 1890 ging die Regierung an die Erfüllung dieser dreifachen Reform- 
aufgabe. Sie legte dem Landtage zunächst die Gesetzentwürfe über Einkommensteuer, 
Erbschaftssteuer und Gewerbesteuer, sowie den Entwurf einer Landgemeindeordnung für 
die sieben östlichen Provinzen vor. Durch das Einkommensteuergesetz sollte an Stelle 
der Klassen= und klassifizierten Einkommensteuer eine einheitliche neue Einkommen- 
steuer treten, die Steuersätze derselben zweckmäßiger gestaltet und durch Einführung der 
Deklarationspflicht sowie durch anderweite Maßregeln eine sichere und der Wirklichkeit 
mehr entsprechende Veranlagung des steuerpflichtigen Einkommens bewirkt werden. Durch 
den Gesetzentwurf über die Gewerbesteuer sollte die Besteuerung der gewerblichen Betriebe 
im Hinblick auf ihre veraltete, mit der gewerblichen und wirtschaftlichen Entwickelung. 
der Neuzeit überall im Widerspruch stehende Veranlagung, sowie besonders auch im 
Hinblick auf ihre Unbrauchbarkeit zur Kommunalbesteuerung von Grund auf reformiert 
werden.1,? Die Novelle zum Erbschaftssteuergesetz wollte durch Erweiterung der Erb- 
schaftssteuer dem Wunsche nach höherer Besteuerung des fundierten Einkommens Rech- 
nung tragen. Durch den Entwurf der Landgemeindeordnung endlich sollte den Land- 
gemeinden nicht nur eine feste Organisation verliehen, sondern „zugleich die Erfüllung 
der den Gemeinden obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben gesichert, die Verteilung, 
der Gemeindelasten angemessen geregelt und für dieselben leistungsfähige Träger geschaffen 
werden“.! — Von der gleichzeitigen Überweisung der Grund= und Gebäudesteuer an 
die Kommunalverbände, welche man ursprünglich ins Auge gefaßt hatte, wurde zur Zeit 
noch Abstand genommen, aber sie blieb nach mehreren Außerungen der Regierung „Ziel 
und wesentlicher Bestandteil“ des Reformplanes. 
Aus den erwähnten Entwürfen gingen folgende Gesetze hervor: das Gesetz betreffend 
Abänderung des Erbschaftssteuergesetzes v. 19. Mai 1891 (G. S., S. 72), das Gewerbe- 
stenergesetz v. 24. Juni 1891 (G. S., S. 205), das Einkommensteuergesetz v. 24. Juni 
1891 (G. S., S. 175) und die Landgemeindeordnung für die östlichen Provinzen 
v. 3. Juli 1891 (G. S., S. 233). In direkte Beziehung zum Kommunalabgabenwesen 
traten zunächst nur die beiden letztgenannten Gesetze. Die Landgemeindeordnung griff 
für ihren Geltungsbereich in einigen Beziehungen dem späteren Kommunalabgabengesetze 
vor und brachte in Anlehnung an die Kommunalsteuergesetzentwürfe von 1878 und 1879 
Vorschriften über die Erhebung von Gebühren und indirekten Steuern, über Mehr= und 
Minderbelastung sowie über die Verteilung des Steuerbedarfs auf Real= und Personal- 
steuern.) Das Einkommensteuergesetz dagegen stellte in §. 82 durch die Vorschrift, daß 
1 Thronrede bei Eröffnung des Landtages v.| litz, Die direkten Staatssteuern in Preußen 
12. Nov. 1890. (in den Preuß. Jahrb., 1879, XILIV, S. 145 
2 Drucks. des A. H. 1870, Nr. 275; Adickes, 4499 
S. 37, 42, 69, 71, 110; Frhr. v. Zed- * L. G. O., 88. 10 ff. §. 12 schreibt die gleich-
	        
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