Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (F. 64.) 241 
IV. Unter den direkten Steuern werden wiederum die Personalabgaben und 
die Realabgaben nach ganz verschiedenen Gesichtspunkten behandelt. 
1) Ausgehend von dem der ganzen neuen Steuerreform zu Grunde liegenden Gedanken, 
daß die Realsteuern durch die Gemeinde gerade deshalb viel zweckmäßiger und gerechter 
ausgenutzt werden können als durch den Staat, weil die Gemeinde viel besser als dieser 
durch häufige Revisionen, genauere Kenntnis der Verhältnisse u. s. w. den jeweilig wirk- 
lichen Ertrag der in ihrem kleineren Bezirke befindlichen Güterquellen zu ermitteln ver- 
mag 1, begünstigt das Gesetz die Einführung besonderer kommunaler Real- 
steuern. Die den Gemeinden überwiesenen staatlichen Grund-, Gebäude= und Gewerbe- 
steuern entsprechen in ihrer gegenwärtigen Gestalt in vielen Beziehungen nicht den an 
zweckmäßig eingerichtete kommunale Realsteuern zu stellenden Anforderungen, und die 
Erhebung von Zuschlägen zu jenen soll daher nach den Intentionen des Gesetzgebers 
auch nur ein Provisorium bilden, bis die Gemeinden sich selbständige Realabgaben 
geschaffen haben.? Die Ausbildung dieser ist eine der wichtigsten, gleichzeitig aber auch 
eine der schwierigsten Aufgaben 3, welche das Kommunalabgabengesetz der gemeindlichen 
Selbstverwaltung gestellt hat; und die endgültige Lösung derselben dürfte daher in ziem- 
lich weite Ferne gerückt sein. Dies um so mehr, als man darauf verzichtet hat, irgend 
welche Handhaben zu schaffen, mittels deren die Gemeinden zum Vorgehen auf diesem 
Gebiete angehalten werden könnten. Man ging mit Recht davon aus, daß ein Versuch, 
im Gesetze selbst neue kommunale Steuerformen zwangsweise vorzuschreiben, schon deshalb 
verfehlt sei, weil hierdurch niemals den außerordentlichen Verschiedenheiten der kommu- 
nalen Verhältnisse Rechnung getragen werden könne, daß die Entwickelung besonderer 
Realsteuern sich aber gerade der Eigenart jeder Gemeinde entsprechend, und daher „von 
unten herauf, aus den Gemeinden selbst heraus“, vollziehen müsse, und man beschränkte 
  
aller Art und die in den Landtagsverhandlungen 
nur kurz berührten Abgaben vom Umsatz 
von Grundstücken (Währschaftssteuern). 
Grundz., III A, Z. 5; Adickes, S. 172. Diese 
Abgabe ist empfehlenswert und kommt insofern 
recht eigentlich den Gemeinden zu, „als ja die 
Wertsteigerung der Immobilien vorzugsweise 
durch ihre Leistungen befördert ist". Roscher, 
Finanzwissenschaft, S. 746; auch Wagner, 
Finanzwissenschaft, II, 88. 227 ff., 238. 
1 Vgl. auch Roscher, a. a. O., S. 745. 
* Vgl. die Mot. zu §§. 3, 4 des Gesetzentw. 
w. Aufheb. dir. Staatsst.: „Wenngleich die 
Besteuerung des Grundbesitzes und Gewerbe- 
betriebes den Kommunalverbänden vorzugs- 
weise die Mittel zur Befriedigung ihres Be- 
darfs an direkten Steuern bieten muß, so 
ist doch nicht zu verkennen, daß die bestehen- 
den Formen der staatlichen Grund-, Ge- 
bäude= und Gewerbesteuer sich für die Verwen- 
dung als Kommunalsteuern keineswegs überall 
eignen. Der Staat bedarf einbeitlicher Formen 
für das ganze Geltungsgebiet der Steuerver- 
fafsung. Er vermag nicht den mannigfachen 
Verschiedenheiten Rechnung zu tragen, welche 
binsichtlich des Grundbesitzes und Gewerbe- 
betriebes in den einzelnen Landesteilen bestehen. 
Bei der Auzgestaltung seines Ertragssteuer- 
svstems konnte es sich deshalb nur um solche 
Steuerformen handeln, mittels deren sich eine 
annähernd gerechte Steuerverteilung für das ge- 
samte Staatsgebiet erzielen ließ. Gewisse Un- 
gleichheiten der Besteuerung zwischen einzelnen 
größeren Landesteilen, zwischen Städten und 
ländlichen Bezirken und zwischen einzelnen 
Klassen von Steuerpflichtigen konnten hierbei 
nicht völlig vermieden werden... Schon aus 
Schoen. 
  
den vorstehenden Andentungen ergeben sich die 
Gründe, welche die dauernde und unveränderte 
Beibehaltung der bestehenden Formen der staat- 
lichen Ertragsbesteuerung für die Zwecke der 
kommunalen Besteuerung weniger empfehlens- 
wert erscheinen lassen. Es ist deshalb Wert 
darauf zu legen, daß die Kommunen die staat- 
lichen Formen der Ertragssteuern . je nach 
ihren Bedürfnissen und den lokalen Verhältnissen 
durch besser geeignete Formen ersetzen.“ 
„ Zur Auswahl und Ausbildung passender, 
gerechr und gleichmäßig wirkender besonderer 
ealsteuersormen „bedarf es eines tieferen Ein- 
dringens in die Einzelheiten des Gemeindehaus- 
halts, in die Eigentümlichkeiten der zu eröffnen- 
den Steuerquellen und in die lokalen Verhält- 
nisse des Grundbesitzes und Gewerbebetriebes, 
wobei die steuerliche Leistungsfähigkeit nach wei- 
teren Gesichtspunkten — der wirtschaftlichen Lage 
des Grundbesitzes, der Konkurrenzfähigkeit der 
Gewerbebetriebe im Inlande und im Verkehr 
mit dem Auslande u. s. w. — zu berücksichtigen 
bleibt. Es bedarf ferner einer objektiven und 
unparteiischen Wahrnehmung und Ausgleichung 
der Interessen der Steuerpflichtigen, endlich, und 
nicht zum mindesten, einer sorgfältigen und um- 
sichtigen Handhabung der getroffenen Steuer- 
einrichtungen im einzelnen. Aus diesen Schwie- 
rigkeiten erklärt es sich, daß die Gemeinden, 
ungeachtet der ihnen schon nach den (vor dem 
Erlaß des K. A. G.) bestehenden Gemeindever= 
fassungen eröffneten Möglichkeit zur Einführung 
besonderer Realsteuern, hiervon nur in sehr be- 
schränktem Umfange Gebrauch gemacht haben.“ 
Mot. des Gesetzentw. w. Aufheb. dir. Staatsst., 
a. a. O. 
16
	        
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