Ortsgemeinden; das geltende Recht. c8. 65.) 249
II. Verwaltungsgebühren dürfen nach Art. 102 der Verfassungsurkunde nur auf
Grund eines Gesetzes erhoben werden!, auf Grund anderer Rechtstitel: Privilegien, Ver-
leihungen, Sporteltaxen oder Herkommen nur, falls diese in den alten Provinzen schon
zur Zeit der Emanation der Sporteltaxordnung v. 25. April 1825 (G. S., S. 129)7, in
den neuen Provinzen aber zur Zeit der Einführung der preußischen Verfassung zu
Recht bestanden. Die Präsumtion spricht, wo eine Gebührenerhebung nicht auf gesetz-
licher Ermächtigung beruht, gegen dieselbe, und die Gemeinden haben daher entstehenden
Falls ihren älteren Rechtstitel nachzuweisen. Diese Vorschriften hat das Kommunal=
abgabengesetz bestehen lassen", die Kompetenz der Gemeinden zur Erhebung von Ver-
waltungsgebühren aber insofern erweitert, als es sie allgemein für berechtigt erklärt,
Gebühren zu erheben a) für die Genehmigung und Beaufsichtigung von Neubauten,
Umbauten und anderen baulichen Herstellungen, sowie b) für die ordnungs= und feuer-
polizeiliche Beaufsichtigung von Messen und Märkten, von Musikaufführungen, Schau-
stellungen, theatralischen Vorstellungen und sonstigen Lustbarkeiten, soweit nicht für
bestimmte Arten der letzteren besondere Lustbarkeitssteuern erhoben werden. Diese Ge-
bühren müssen so bemessen werden, daß unter normalen Verhältnissen ihr Aufkommen
die Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges nicht übersteigt.
Gebühren bedarf der Genehmigung.“
Die Festsetzung der
ordnungen, in welchen zugleich die geeigneten Be-
stimmungen wegen Befreiung von den Gebühren,
oder Ermäßigung der Gebührensätze für unbe-
mittelte Personen zu treffen sind. Die Gebühren-
ordnungen sind in ortsüblicher Weise bekannt zu
machen: die Gebübrentarife sind in den geeig-
neten Fällen durch dauernden Aushang zur
Kenntnis der Pflichtigen zu bringen.“
1 Auf Grund besonderer Gesetze können die
Gemeinden Gebühren erbeben: für Ausfertigung
von Pässen (§. 8 des Paßgesetzes v. 12. Okt.
1867 (B. G. Bl., S. 33)), für Vollstreckungen
im Wege des Verwaltungszwangsverfabrens
(6. 56 der Vdg. v. 7. Sept. 187910. S., S.5911),
für Gefangenentransporte (§. 12 der Gef. Transp.
Instr. v. 18. Sept. 1816 (v. Kamptz, Ann.,
XI. S.-5090), für standesamtliche Akte (Gebühren-
tarif des Ges. v. 6. Febr. 1875 (R. G. Bl., S.
23)) und für die Vornahme von Aichungen (§.5,
Abs. 2 des Ges. v. 26. Nov. 1869 /G. S.,
S. 1165).
2 Sp. T. O., §. 17. Zahlreiche Gebühren,
deren Erhebung nach diesen älteren Rechtstiteln
zulässig war, sind noch durch die neuere Gesetz-
gebung ausdrücklich beseitigt oder doch mit den
Bestimmungen derselben nicht mehr vereinbar.
So sind unbedingt gebührenfrei: Beglaubigungen
der den Gesellen, Gehilfen und Lehrlingen er-
teilten Zeugnisse (R. Gew. O., 88. 114, 129),
Legitimationsatteste zum Pferdeverkauf (§. 9 d.
Bdg. v. 13. Febr. 1843 (G. S., S. 76)), Ver-
bandlungen aus Veranlassung der polizeilichen
Beaufsichtigung des Feuenversicherungewesens
(§. 14 des Ges. v. 8. Mai 1837 (G. S.,
S. 102), Kab. Ordre v. 30. Mai 1841 ·/G. S.,
S. 1211), vorläufige Straffestsetzungen (§. 6
des Ges. v. 23. April 1883 (G. S., S. 65)),
Verhandlungen beim Präklusionsverfahren in
Ent= und Bewässerungsangelegenheiten (§. 51 d.
Ges. v. 28. Febr. 1843 [G. S., S. 50|] und
8. 8 des Ges. v. 23. Jan. 1846 /G. S., S. 26)),
Ausfertigung von Gesindebüchern und Gesinde-
entlassungsscheinen (§. 3 des Ges. v. 21. Febr.
18721G. S., S. 160)). Scheidet man diese Fälle
aus, so können die Gemeinden — sofern über-
haupt die Voraussetzung des §. 17 der Sp. T. O.
zutrifft, also zur Zeit des Erlasses der Sp. T. O.
die Ortsverfassung damit einverstanden war —
nach älterem Recht nur noch erheben (vgl. M.
Erl. v. 1. Juni 1877): 1) Ein= und Aus-
schreibungsgebühren für Polizeigefangene; 2) Ge-
bühren für Erteilung von Attesten in reinen
Privatangelegenheiten, wie Fübrungsatteste,
Marktpreis= und Holzwertatteste, Holz= und Wild-
ursprungsatteste, Bescheinigungen über Besitz-
verhältnisse zum Privatgebrauch, Beglaubigungen
von Privatbescheinigungen, von Privaturkunden
u. s. w.; 3) Gebühren für Bekanntmachungen
durch öffentliches Ausrufen, Austrommeln, Aus-
klingeln im Privatinteresse; 4) Schreibgebühren
für die zu 2 genannten Atteste u. s. w., sowie
für alle lediglich im Privatinteresse verlangten
Abschriften und Siegelgebühren für Ausfer-
tigungen in den Angelegenheiten zu 2; 5) Boten-
geld in reinen Privatangelegenheiten; 6) Ge-
bühren für Ausstellung von Civilstandsattesten
für Juden aus der Zeit vor Inkrafttreten des
Ges. v. 23. Juli 1847 (Instr. v. 25. Juni 1812
lv. Kamptz, Ann., XXI. S. 364]; M. Erl. v.
8. Nov. 1840 (M. Bl., S. 451|).
2 Beruft sich eine Gemeinde auf das Her-
kommen, so muß sie nachweisen, daß alle recht-
lichen Erfordernisse desselben schon zur Zeit der
Emanation der Sp. T. O. vorhanden waren,
da nach diesem Zeitpunkte sich neben dem ge-
schriebenen Rechte eine Observanz der Sportel-
erhebung nicht mebr bilden konnte.
*K. A. G., FS. 6, Abs. 2.
* Von der Befugnis, diese Gebühren zu er-
heben, können nur diejenigen Gemeinden Ge-
brauch machen, in deren Händen sich die Polizei-
verwaltung befindet. Wo königl. Polizeibehörden
bestehen, ist die Erhebung dieser Gebübren über-
haupt ausgeschlossen. Auf dem platten Lande
steht sie da, wo die Ortspolizei von den Amts-
bezirken, Amtern oder Landbürgermeistereien ver-
waltet wird, und diese nicht nur aus einer
Gemeinde bestehen, den ersteren, nicht aber den
einzelnen Gemeinden zu. Mot. z. K. A. G., S.44.
* K. A. G., §. 8, Abs. 1.