Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

250 Zweiter Abschnitt. (8. 66.) 
III. Die Erhebung von Gebühren für die Benutzung gemeindlicher Veranstaltungen 
(Anlagen, Anstellungen und Einrichtungen) setzt stets voraus, daß diese im öffentlichen 
Interesse unterhalten werden. Von Veranstaltungen, welche lediglich oder vorwiegend 
auf die Förderung privatwirtschaftlicher Interessen, sei es auch der der Gemeinde selbst, 
berechnet sind, wie besonders von gewerblichen Unternehmungen, können Gebühren in 
dem hier in Rede stehenden Sinne nicht erhoben werden; die Vergütungen, welche Ge- 
meinden für die Inanspruchnahme dieser Veranstaltungen erheben, beruhen auf privat- 
rechtlichen Titeln, haben keinen öffentlich-rechtlichen Charakter und unterliegen daher auch 
hinsichtlich der Einziehbarkeit und der Verjährung nicht den für Gebühren geltenden 
Vorschriften. 
Hinsichtlich der im öffentlichen Interesse unterhaltenen Veranstaltungen besteht für 
die Gemeinden nicht nur ein Recht, sondern in weitem Umfange auch eine Pflicht zur 
Erhebung von Gebühren. Die Benutzungsgebühren zerfallen demnach in solche, welche 
auf gesetzlichem Zwange, und in solche, welche auf freier Entschließung der Gemeinde 
beruhen; die Höhe der ersteren bestimmt das Gesetz, die Höhe der letzteren, für welche 
keine Maximalgrenze besteht, die Gemeinde. 
1) Die Erhebung von Gebühren muß? erfolgen bei Veranstaltungen, welche ein- 
zelnen Gemeindeangehörigen? oder einzelnen Klassen“ von solchen vorzugsweise — wenn 
auch nicht ausschließlich — zum Vorteil gereichen, soweit nicht die Gemeinde durch 
Erhebung von Beiträgen oder durch Mehr= oder Minderbelastung eine völlige Aus- 
gleichung wegen der ihr durch die betreffende Veranstaltung erwachsenen Kosten herbei- 
geführt hat.3 Ausnahmen finden von dieser Regel nur insofern statt, als a) ein Zwang 
zur Erhebung von Chaussee-, Wege-, Pflaster= wie Brückengeldern nicht besteht 5, und 
b) der Gebührenzwang ausgeschlossen ist? hinsichtlich der Unterrichts= und Bildungs- 
anstalten, der Krankenhäuser, Heil= und Pflegeanstalten, sowie der vorzugsweise den 
Bedürfnissen der unbemittelten Volksklassen dienenden Veranstaltungen; jedoch muß für 
den Besuch der von den Gemeinden unterhaltenen höheren Lehranstalten und Fachschulen 
ein den Kosten der Anstalt und der finanziellen Lage der Gemeinde überhaupt? an- 
gemessenes Schulgeld erhoben werden. 
Sofern hiernach die Erhebung von Gebühren erfolgen muß, sind die Gebührensätze 
in der Regel so zu bemessen, daß die Verwaltungs= und Unterhaltungskosten der Veranstal- 
tung, einschließlich der Verzinsung und Tilgung des aufgewandten Kapitals, gedeckt werden. 10 
  
1 K. A. G., §F. 4, Abs. 1; Adickes, S. 250; 
Nöll, S. 10, Anm. 3. 
: K. A. G., §. 4, Abs. 2, Satz 1. 
2 Der Begriff „Gemeindeangehörige“ ist im 
K. A. G. ein weiterer als in den einzelnen Ge- 
meindeverfassungsgesetzen. Er bezeichnet nicht 
nur die physischen Personen, welche in der Ge- 
meinde ihren Wohnsitz haben, sondern umfaßt 
alle physischen und juristischen Personen, welche 
der Finanzgewalt der Gemeinde unterworfen 
sind. Nöll, S. 11, Anm. 6, Abs. 2; Adickes, 
S. 234. 
„Klassen“ bildet den Gegensatz zu „einzel- 
nen Gemeindeangehörigen“ und bezeichnet eine 
größere Mehrheit von solchen, welche sich dadurch 
von anderen Gemeindeangebörigen abgrenzt, daß 
ihre Angehörigen infolge des Erfüllens einer 
besonderen Voraussetzung (Haben von Grund- 
besitz, Anliegen an einer Straße O. V. G., 
XIX, S. 82s) einen gemeinsamen Vorteil von 
der Veranstaltung haben. Vgl. auch Schwarz, 
Komm., Anm. 3 zu 8§. 20. 
* Wedex aus den Worten des Gesetzes, noch 
aus der Außerung des Finanzministers in der 
Kommission des Abgeordnetenhauses: „Festzu- 
halten ist indessen, daß sich Beiträge und Steuern 
nicht nach den Gebühren richten, sondern daß sich 
umgekehrt die Bemessung der Gebühren nach den 
  
Beiträgen und Steuern richten muß, die die 
Gemeinde bereits erhoben hat“ — darf ge- 
schlossen werden, daß die Gemeinden zunächst 
versuchen müßten, die Ausgleichung durch Bei- 
träge oder Mehrbelastungen herbeizuführen, und 
nur, soweit dies nicht angeht, zu den Gebühren 
greifen dürften. Dieser Auffassung steht schon 
#§. 9, Abs. 2 entgegen, nach welchem Beiträge 
nur erhoben werden müssen, um die Erhebung 
von Steuern, nicht aber um die von Ge- 
bühren unnötig zu machen. Die Gemeinden 
sind berechtigt, auch da, wo sie durch Beiträge 
oder Mebrbelastungen den Ausgleich herbeiführen 
könnten, von diesen Abgabenarten keinen Ge- 
brauch zu machen und den Ausgleich allein 
durch Erhebung von Gebühren zu bewirken. 
Adickes, S. 259, 281, Anm. 6; and. Ans. wohl 
Nöll, S. 19, Anm. 2. 
* K. A. G., §. 4, Abs. 6. 
7 K. A. G., FS. 4, Abs. 4. 
*s Mot. z. K. A. G., S. 44; Ausf. Anw., Art. 5, 
Z. 3a, Abs. 2: Zu den Fachschulen im Sinne 
des Gesetzes gehören jedoch Fortbildungs-, Näh-, 
Haushaltungs= und ähnliche Schulen niederer 
Art nicht. 
* Mot. z. K. A. G., S. 44; Komm. Ber. des 
A. H., S. 9; Ausf. Anw., a. a. O., Abf. 3. 
10 K. A. G., §. 4, Abs. 2, Satz 2.
	        
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