Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 65.) 251 
Besteht jedoch eine Verpflichtung zur Benutzung einer Veranstaltung für alle Gemeinde- 
angehörigen oder für einzelne Klassen derselben oder sind die Genannten auf die Be- 
nutzung der Veranstaltung, sei es auch nur thatsächlich!, angewiesen, so ist unter Berück- 
sichtigung des öffentlichen Interesses, welchem die Veranstaltung dient, und der den 
Einzelnen gewährten besonderen Vorteile eine Ermäßigung oder der gänzliche Fortfall 
der Gebühren gestattet (nicht gesetzlich geboten).) Im übrigen sind Abweichungen von 
der vorgeschriebenen Bemessung der Gebühren nur aus besonderen Gründen zulässig. 
Jede solche Abweichung, wie auch jede im Gesetz ausdrücklich für statthaft erklärte Er- 
mäßigung und jeder Fortfall der Gebühren bedarf der Genehmigung.“ 
2) Soweit nach Ziffer 1 eine Verpflichtung zur Erhebung von Gebühren nicht 
besteht, sind die Gemeinden berechtigt, für die Benutzung der von ihnen im öffent- 
lichen Interesse unterhaltenen Veranstaltungen Gebühren, und zwar in beliebiger Höhe, 
zu erheben.“ Einschränkungen erleidet dieses Recht nur dadurch, daß auch fernerhin in 
Kraft bleiben die Vorschriften: 
a) über die Verleihung des Rechts auf Erhebung von Chaussee-, Wege-, Pflaster-, 
Brücken-, Fähr-, Hafen-, Schleusengeldern und von anderen derartigen Verkehrsabgaben, 
sowie über die Feststellung der Tarife für solche s; 
b), äber das Erfordernis der Genehmigung des Schulgeldes durch die Schulaufsichts- 
behörde?; 
c) über die Erhebung des Marktstandsgeldes, welches nach dem Gesetz v. 26. April 
1872 (G. S., S. 513)8 mit Genehmigung des Bezirks-(Kreis-) Ausschusses für den 
Gebrauch öffentlicher Plätze und Straßen zum Feilbieten von Waren auf Messen und 
Märkten nach der Größe des vom Feilbietenden zum Marktstande gebrauchten Raumes 
und nach der Dauer des Feilbietens, höchstens aber in Höhe von 2 Pf. pro Quadrat- 
meter und Tag erhoben werden darf; 
d) über die in den Gesetzen v. 18. März 1868 (G. S., S. 277) und v. 9. März 
1881 (G. S., S. 273) näher geregelte Befugnis der Gemeinden, für die Benutzung 
öffentlicher Schlachthäuser sowie für Untersuchung des Schlachtviehs und des Fleisches 
Gebühren zu erheben. Jedoch haben die Bestimmungen dieser Gesetze über die Höhe 
  
1 Diese Vorschrift des Gesetzes wird z. B. 
Anwendung finden, wenn es sich um die Fest- 
setzung der Gebühren für die Benutzung von 
Hafen-, Werft= und ähnlichen Anlagen handelt, 
welcher sich die Gewerbetreibenden einer Gemeinde, 
ohne auf den Betrieb des Gewerbes zu ver- 
zichten, nicht entziehen können; dagegen wird sie 
keine Anwendung finden bei Festsetzung von 
Gebühren für die Benutzung von öffentlichen 
Speichern, Niederlagen u. s. w., d. h. von An- 
lagen, die wesentlich nur zur Bequemlichkeit und 
Erleichterung des Verkehrs dienen. Komm. Ber. 
des A. H., S. 7, 8; Ausf. Anw., Art. 5, Z. 2. 
: K. A. G., §. 4, Abf. 3. 
2 K. A. G., §. 4, Abs. 5. 
4 K. A. G., 8. 8, Abs. 1. 
5 Auch da, wo bereits auf Grund gesetzlichen 
Zwanges Gebühren erhoben werden, können 
über die sich aus dem Gesetze regelnde not- 
wendige Höhe derselben hinaus noch 
weitere Gebühren in beliebiger Höhe erhoben 
werden. Das Gesetz bestimmt auch in den 
unter 1 erwähnten Fällen nur, bis zu welcher 
Höhe Gebühren erhoben werden müssen, nicht 
aber gleichzeitig, daß sie nur in dieser Höhe er- 
hoben werden dürfen. Eine obere Grenze für 
Gebührensätze ist im Gesetze, abgesehen von den 
unter a, d, c, d im Text folgenden Ausnahmen, 
überhaupt nicht gezogen. Auesf. Anw., Art. 5, 
Z. 1, Abs. 2; Mot. z. K. A. G., S. 43; Komm. 
Ber. des H. H., S. 6; Nöll, S. 11, Anm. 8; 
  
Strutz, S. 41, Anm. 8; Adickes, S. 278, 
Anm. 2. 
* K. A. G., §. 5. In Betracht kommen be- 
sonders: A. L. R., Tl. II, Tit. 15, 58. 88—140; 
Bdg. v. 16. Juni 1838 (G. S., S. 353); Kab. 
Ordre v. 29. Febr. 1840 (G. S., S. 94); Art. 22 
u. 25 des Zollvereinigungsvertrages v. 8. Juli 
1867 (B. G. Bl., S. 81); §. 8 des Vereinszoll- 
gesetzes v. 1. Juli 1869 (B. G. Bl., S. 317); 
Allerh. Erl. v. 4. Sept. 1882 (G. S., S. 360). 
Hinsichtlich der Tarife für die von den Ge- 
meinden betriebenen Eisenbahnen und Klein- 
bahnen bleiben die bestehenden Bestimmungen, 
insbesondere §. 13 des Kleinbahngesetzes v. 28. Juli 
1892 (G. S., S. 225) durch das K. A. G. un- 
berührt; auf sie bezieht sich auch §. 5 nicht, denn 
die Fahrgelder, Frachtgebühren u. s. w. dieser 
Bahnen sind nicht Gebühren, sondern Ver- 
gütungen für Leistungen gewerblicher, wenn auch 
zugleich dem öffentlichen Interesse dienender Unter- 
nehmungen (s§. 3 des K. A. G.). Ausf. Anw., 
Art. 5, Z. Zb; Komm. Ber. des A. H., S. 9 ff.; 
Komm. Ber. des H. H., S. 6. 
7 K. A. G., §. 8, Abs. 2. Zuständig zur Er- 
teilung der Genehmigung ist für höhere Schu- 
len das Provinzialschulkollegium, für niedere die 
Regierung. Näheres siehe bei Schwarz, Komm., 
Anm. 3—5 zu §. 8. 
* K. A. G., §. 11, Abs. 1; Ausf. Anw. zum 
Ges. v. 26. April 1872 v. 10. Juni 1872 
(V. M. Bl., S. 185); Zust. G., §S. 130.
	        
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