Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

262 Zweiter Abschnitt. 
(8. 68.) 
Verhältnis des §. 10 des Kommunalabgabengesetzes zu §. 20, Abs. 2 desselben. Können 
steuerliche Mehr= oder Minderbelastungen in Fällen eintreten, in welchen die Voraus- 
setzungen für die Erhebung von Beiträgen nach dem Gesetz v. 2. Juli 1875 gegeben 
sind? Dies ist anzunehmen. Aus den Worten des §. 20, Abs. 2: „und werden Bei- 
träge nach §. 9 und §. 10 nicht erhoben“, ist zu folgern, daß die Gemeinden in solchen 
Fällen entweder von der Vorschrift des §. 10 oder von der des §. 20, Abs. 2 Gebrauch 
machen, d. h. entweder nur die Anlieger gemäß 8. 15 des Gesetzes von 1875 zu Bei- 
trägen heranziehen oder alle nach §. 20, Abs. 2 pflichtigen Personen steuerlich mehr 
belasten können. Wählen sie das erstere, so dürfen steuerliche Mehrbelastungen wegen 
derselben Veranstaltung nicht mehr stattfinden, auch selbst Nichtanlieger können durch 
solche nicht herangezogen werden, denn §. 20 schließt jede steuerliche Mehrbelastung 
unbedingt da aus, wo Beiträge nach 8. 9 oder §. 101 erhoben werden. 
VI. Die Beiträge sind beitreibbar im Verwaltungszwangsverfahren nach Maßgabe 
der Verordnung v. 7. Sept. 1879 (G. S., S. 591). Betreffs der Rechtsmittel, der 
Nachforderungen und der Verjährungen vgl. unten §§. 88 und 89. 
d) Die Steuern. 
. S. 68. 
a) Allgemeine Vorschriften.] 
I. Steuern sind Abgaben, welche die Gemeinde kraft der ihr gesetzlich übertragenen 
Finanzgewalt von den dieser unterworfenen Personen und Gegenständen erhebt, ohne 
ihrerseits eine besondere Gegenleistung dafür zu gewähren. 
II. Der Besteuerungsgewalt der Gemeinde unterliegen Personen, Vermögens- 
objekte und Handlungen, und zwar, entsprechend der örtlichen Beschränkung aller Gemeinde- 
gewalt auf ihr Territorium, nur Personen, welche im Gemeindebezirke wohnen oder sich 
aufhalten, nur Vermögensobjekte, welche, wie dies bei den unbeweglichen und gewissen 
ihnen gleichgestellten Gütern der Fall ist, sich dauernd in dem Gemeindebezirke befinden, 
und nur Handlungen, welche im Gemeindebezirke vorgenommen werden oder sich auf 
in ihm belegene Objekte beziehen. Zu den Personen sind nicht nur die physischen, 
sondern auch die juristischen Körperschaften und Anstalten, und gewisse genossenschaftliche 
Verbände zu rechnen. - 
III. Die Gemeindesteuern teilt man ebenso wie die Staatssteuern in direkte und 
indirekte. Diese Einteilung, welcher bald die beabsichtigte oder mutmaßliche Einwirkung 
auf die Steuerzahler, bald das Verfahren bei Erhebung der Steuern zu Grunde gelegt 
wird, hat lediglich eine finanzwissenschaftliche, aber keine rechtliche Bedeutung. Rechtlich 
ist jede Steuer eine direkte. Die Träger der Finanzgewalt, Staat und Gemeinde, haben 
es stets direkt mit dem zur Zahlung der Steuer rechtlich Verpflichteten zu thun, mag 
er die Steuer hinterher abwälzen können oder nicht. „Die Vorgänge, welche eine 
Steuer finanzwissenschaftlich zur indirekten machen, liegen auf dem Gebiete des bürger- 
  
1 Das Ges. stellt die Straßenbaubeiträge aus 
§. 10 also den gewöhnlichen Beiträgen aus 8. 9 
vollkommen gleich, und doch weichen sie in 
wesentlichen Beziehungen von einander ab. Für 
die Erhebung der Beiträge aus §. 9 ist es Voraus- 
setzung, daß der Anlieger einen Vorteil aus der 
Straßenanlage bat (diese Voraussetzung ist diesen 
Beiträgen gemeinschaftlich mit den Medbrbe- 
lastungen des §. 20), ob er an der Straße baut, 
ist gleichgültig. Zu Beiträgen aus §. 10 kann 
dagegen nur der an der Straße Bauende ver- 
pflichtet werden, dieser aber ohne Rücksicht darauf, 
ob ihm die Anlage einen besonderen Vorteil 
gewährt oder nicht. Die Beiträge aus §. 9 
  
werden ferner nach dem Vorteil, der dem ein- 
zelnen Pflichtigen aus der Anlage erwächst, die 
Beiträge aus §. 10 dagegen nach rein äußeren 
Merkmalen bemessen. Im übrigen steben sich 
jetzt allerdings beide Arten von Beiträgen gleich. 
Auch die Beiträge aus §. 10 sind Gemeinde- 
abgaben und unterliegen binsichtlich der Rechts- 
mittel, Nachforderung, Verjährung, Kosten und 
Zwangsvollstreckung den Vorschriften des K. A.G. 
Adickes, S. 307, Anm. 6, u. S. 308, Anm. 8; 
Friedrichs, S. 154, Anm. 10d, letzter Satz. 
* Vgl. oben S. 240 u. 259. 
2 Leidig, S. 230—235.
	        
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