Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

294 Zweiter Abschnitt. 
(§. 83.) 
einen zur Besteuerung berechtigenden Aufenthalt in einer Gemeinde hat, läßt sich nur 
von Fall zu Fall entscheiden. Der Begriff des Aufenthaltes muß, mangels jeder gesetz- 
lichen Vorschrift, aus den allgemeinen in der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft 
herrschenden Anschauungen gewonnen werden. Nach diesen besteht das Charakteristische 
des Aufenthaltes darin, daß er „nicht etwas rein Momentanes“, sondern ein „Zustand“, 
ein „Verhältnis“ ist, „in welchem der nach einem Orte Angezogene sich befindet, und 
welches fortdauern kann trotz zeitweiliger körperlicher Entfernung“ infolge von Aus- 
flügen, Geschäftsreisen u. s. w. Dieser Aufenthalt wird, wie er nicht abgebrochen wird 
durch bloßes körperliches Sichentfernen, so nicht begründet durch das bloße körperliche 
Sichaufhalten, das Anwesendsein an einem Orte, sondern erst durch die Schaffung gewisser 
fester, dauernder Beziehungen zu demselben; zu der körperlichen Anwesenheit muß hinzu- 
kommen Niederlassung und Wohnen. Die Begründung des Aufenthaltes an einem Orte 
setzt ebenso wie die des Wohnsitzes eine Niederlassung voraus, bei der Begründung des 
Wohnsitzes ist diese aber als eine dauernde, bei der Begründung des Aufenthaltes dagegen 
als eine nur zeitweilige gewollt. 
Die Besteuerung Neuanziehender findet nach diesen Grundsätzen natürlich nur statt, 
sofern und solange sie keinen Wohnsitz in der Gemeinde haben; wird ein solcher von 
einem Neuanziehenden begründet, so beginnt seine Steuerpflicht nicht erst, nachdem sein 
Aufenthalt die Dauer von drei Monaten überstiegen hat, sondern. nach der allgemeinen 
Vorschrift mit dem ersten Tage des auf die Begründung des Wohnsitzes folgenden Monats.# 
§. 83. 
K## Die Forensen und die juristischen Personen.“ 
Die gemeindliche Besteuerung des Einkommens der Forensen und juristischen Per- 
sonen hat das Gesetz nicht durch Aufstellung allgemeiner Grundsätze geregelt, sondern 
in kasuistischer Weise zählt es auf: A. die Träger dieser Steuerpflicht, B. die Quellen, 
aus denen das zu besteuernde Einkommen fließt 5, C. die Orte, wo dieses Einkommen 
zur Besteuerung gelangt 5, und giebt endlich D. einzelne Vorschriften über die Ermitte- 
lung dieses steuerpflichtigen Einkommens. 
A. Der Besteuerung des Einkommens aus den zu B. bezeichneten Quellen unter- 
liegen, und zwar ipso jure, ohne daß es eines hierauf gerichteten besonderen Gemeinde= 
beschlusses bedarf: 
I. Physische Personen, welche in der Gemeinde keinen Wohnsitz haben, mit alleiniger 
Ausnahme der Mitglieder des königlichen Hauses und des Hohenzollernschen Fürsten- 
hauses. 
II. Folgende Erwerbsgesellschaften und Verbandspersonen: 
1) Aktiengesellschaften ?), 
  
1 K. A. G., §. 33, Abs. 4. Das Gesetz 
wiederholt bier die Vorschrift des §. 8 des Frei- 
zsigleitsgeseees v. 1. Nov. 1867 (B. G. Bl., 
S. 55). Vgl. Ausf. Anw., Art. 23, Z. 2. Die 
Heranziehung der Neuanziehenden ist stets in das 
Belieben der Gemeinden gestellt; sie hat stets zur 
Voraussetzung einen besonderen Gemeindebeschluß 
(M. Erl. v. 27. Mai 1870 (V. M. Bl., S. 197)). 
: Vgl. O. V. G., XII, S. 160; XIV, S. 153; 
XV, S. 51, 56; vgl. oben S. 82 ff. die Aus- 
führungen über den Wohnsitzbegriff im allge- 
meinen u. S. 286, Anm. 4. Seinen Aufent- 
halt, aber nicht seinen Wohnsitz begründet jemand 
an einem Orte, an welchem er sich besuchsweise, 
Studierens halber, zur Kur, zur Abwickelung 
einer Beiber von Geschäften niederläßt. O. V. G., 
III, S. 1 
2 K. A. #§. 60, Z. 1a. In diesem Fall 
  
ist nachzuentrichten die Steuer seit dem ersten 
Tage des nach erfolgter Aufenthaltsnahme be- 
gonnenen Monats. 
* Leidig, S. 251—283; v. Möller, St., 
88. 89, 91; v., 8. 70; Sieffenbasen, §. 39; 
Grotefend. § . 266, S. 650 
v* . 1.. WS 1. S. 2. 22.4 
s K. A. G., 8. 3 
7 K. A. G., 88. 4#. 
* K. A. G., §. 40, Abs. 1 u. 2. 
Allg. Disch. H. G. B., Art. 207, in der 
Fassung des R. G. v. n##4 Juli 1884 (R. G. 
Bl., S. 123). Die steuerrechtliche Lostrennung 
der Aktiengesellschaften von den juristischen Per- 
sonen überhaupt erfolgte zuerst durch die Kr. O. 
von 1872, §. 14. Ihr folgte das Ges. v. 27. Juli 
1885,. welches die Aktiengesellschaften noch be- 
sonders neben den jurisichen Personen nennt.
	        
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