Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (8. 4.) 17
Mittelalters, sie sind weder dem Frankenreiche bekannt 1, noch sind sie unmittelbare Nach-
folger der römischen Munizipien 2, welch letztere von den Germanen nach ihrer Er-
oberung nicht anders als einheimische Dörfer, d. h. als Teile des Gaues und der Hundert-
schaft, behandelt wurden. Im germanischen Rechte, und zwar, wie die neuere rechtshistorische
Forschung ergeben hat 2, nicht in der Fronhofsverfassung", welche alle Ortsbewohner
durch die gemeinschaftliche Abhängigkeit von einem Herrn zu engerer Gemeinschaft ver-
band, nicht in den Ottonischen Privilegien 3, welche freie Gemeinden besonders durch
Einführung von öffentlichen Gemeindegerichten zur korporativen Organisation veranlaßt
haben sollen, nicht in den mit Privilegien ausgestatteten Ansiedelungen um die Bischof-
sitze und auch nicht in den Dorfverfassungen 5, sondern allein in dem Marktrecht, ist der
eigentliche Keim für die Entwickelung des Stadtrechts zu suchen.“ Damit soll nicht gesagt
sein, daß der Marktverkehr an einem Orte die nachmals städtische Ansiedelung erst hervor-
gerufen hat. Zahlreiche, vielleicht die meisten dieser Ansiedelungen sind aus ganz anderen
Veranlassungen an den Bischofsitzen, um die Burgen der weltlichen Großen, in den
königlichen Pfalzen und auf den Trümmern römischer Munizipien entstanden; allein das,
was den vorhandenen Ansiedelungen den spezifisch städtischen Charakter aufprägte und
sie unterschied von den Dorfgemeinden und Markgenossenschaften, waren die Märkte.
Die Städte sind zunächst Märkte gewesen, wie noch heute in Süddeutschland eine mit
Marktrecht beliehene Gemeinde die Vorstufe zur Stadt bildet.
züge der Geschichte des deutschen Städtewesens
(Berlin 1829). — Rauschnik, Das Bürgertum
und Städtewesen der Deutschen im Mittelalter
(Dresden 1829). — Hüllmann, Städtewesen
des Mittelalters (4 Bde., Bonn 1826—30). —
Barthold, Gesch. der deutschen Städte und
des Bürgertums (4 Bde., Leipzig 1850—53).
— Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte (Kiel
1844 ff.), bes. Bd. VI und VII. — Arnold,
Verfassungsgesch. der deutschen Freistädte (2 Bde.,
Gotha 1854). — Nitsch, Ministerialität und
Bürgertum im 11. u. 12. Jahrh. (Leipzig 1859).
— Lambert, Deutsche Städteverfass. im Mittel-
alter (2 Bde., Halle 1865). — v. Maurer, Ge-
schichte der Städteverfassung in Deutschland
(4 Bde., Erlangen 1869—71). — Heusler,
Ursprung der deutschen Stadtverfassung (Weimar
1872.)— Gierke, Das deutsche Genossenschafts-
recht, Bd. I u. II (Berlin 1868 u. 1873). —
Lamprecht, Deutsches Städtewesen am Schlusse
des Mittelalters (Heidelberg 1884 [Frommel und
Pfaff, Vorträge, XVII, 3)), und Deutsches Wirt-
schaftsleben im Mittelalter (3 Bde., Leipzig 1886).
— v. Below, Entstehung der deutschen Stadt-
verfassung (Histor. Ztschr., N. F., Bd. XXII,
S. 193 ff. u. XXIII, S. 193 ff.). — Derselbe,
Entstehung der Stadtgemeinde (Düsseldorf 1889).
— Derselbe, Der Ursprung der deutschen Stadt-
verfassung (Düsseldorf 1892). — Sohm, Ent-
stehung d. disch. Städtewesens (Leipzig 1890).
— Kaufmann, Zur Entstehung des Städte-
wesens, I (Münsterer Univ.-Progr. 1891). — Die
Chroniken der deutschen Städte vom 14.—
16. Jahrh. (Leipzig 1862—87). — Besonders die
ältere Entwickelung der preußischen Städte ist
behandelt in: Bornhack, Geschichte des preußi-
schen Verwaltungsrechts (3 Bde., Berlin 1884—
86) (im Gegensatz zum St. R. desselben Verfassers
citiert als: Bornhack, Gesch.). — Isaacksohn,
Geschichte des preuß. Beamtentums vom An-
fang des 15. Jahrh. bis auf die Gegenwart
(3 Bde., Berlin 1874—84), ist nur bis zu den
ersten Regierungsjahren Friedrichs II. voll-
endet. — imntermann) Versuch einer Ent-
Schoen.
wickelung der märkischen Städteverfassung
(3 Bde., Berlin 1837—40). — v. Bassewitz,
Die Kurmark Brandenburg (4 Bde., Leipzig
1847—60). — Fischer, Lehrbegriff sämtlicher
Kameral= u. Polizeirechte (3 Bde., Frank-
furt a. O. 1785); enthält eine svstematische Dar-
stellung des vorlandrechtlichen Städterechts. —
Tzschoppe und Stenzel, Urkundensammlung
zur Geschichte des Ursprungs der Städte in Schle-
sien und der Oberlausitz (Gamburg 1832). —
Struwe, Entstehung der Städte in der Mark
Brandenburg (Steglitzer Programm 1891). —
Schwarz, Die Anfänge des Städtewesens in
den Elbe= und Saalegegenden (Kieler Diss. 1892).
— Priebatsch, Die Hobenzollern und die Städte
der Mark im 15. Jahrh. (Berlin 1892).
Weitere Litteraturangaben, besonders Spezial=
litteratur über einzelne Städte, siehe bei Schrö-
der, Lehrb. der deutschen Rechtsgesch. (2. Aufl.,
Leipzig 1894), S. 601, u. bei v. Below, Der Ur-
sprung d. deutschen Stadtverfassung, S. 1 ff., Anm.
1 Schröder, S. 603.
VII, S. 374.
Vgl. besonders v. Below und Sohm.
* Wie Nitsch und Lambert annehmen. Da-
gegen v. Below, Entstehung der Stadtgem., S. V.
* Wie Heusler, S. 49 ff., annimmt, auch
Arnold, I1. S. 137. Dagegen v. Below,
eod., S. 116, u. in der Hist. Ztschr., XXII, S.
233, XXIII, S. 209.
" Wie v. Maurer und ihm folgend v. Below
annimmt.
7 Dies war bereits von Waitz, VII, S.
407 u. 411, angedeutet und ist neuerdings von
Sohm eingehender nachgewiesen worden. Auch
Schröder, S. 604, teilt diese Ansicht. Betreffs
der märkischen Städte vgl. Zummermann, I,
S. 16, der jedoch das Wesen der Erteilung
des Marktrechts verkennt, wenn er annimmt,
daß nur Handelsbevorrechtungen, „noch keine
selbständige Stellung in juristischer Beziehung“,
dem beliehenen Orte gegeben wurden.
s Vgl. z. B. die bayrische G. O. für die
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