Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

318 Zweiter Abschnitt. (S. 88.) 
steuer entsprechende Ermäßigung der Gemeindesteuer verlangen, erscheinen als Einsprüche 
und werden demgemäß behandelt. 1. Niemals darf sich jedoch ein Einspruch bei dem 
Zuschlagsystem gegen den der Veranlagung zu Grunde liegenden Staatssteuersatz oder 
bei besonderen Gemeindeeinkommensteuern gegen die Höhe des zur Staatseinkommensteuer 
veranlagten Einkommens richten, nachdem der Reklamant es versäumt hat, die staatliche 
Veranlagung selbst zu bemängeln, oder mit seinem Rechtsmittel gegen diese endgültig 
zurückgewiesen ist.) 
Der Einspruch kann sich immer nur gegen eine bestimmte bereits geltend gemachte 
Abgabenforderung richten; die Frage, ob jemand überhaupt zur Leistung von Kommunal= 
abgaben oder einer bestimmten Art verselben im allgemeinen, ohne Beziehung auf den 
einzelnen Fall der Hebung, verpflichtet ist, kann zum Gegenstande des Einspruchs- 
verfahrens nicht gemacht werden." Der Einspruch enthält gewöhnlich eine doppelte 
Forderung, er geht nämlich auf Beseitigung oder wenigstens auf Modifikation der an- 
gegriffenen Abgabeforderung und außerdem auf Rückerstattung des auf diese Abgabe- 
forderung hin der Kommune bereits Geleisteten. Die Einlegung des Einspruchs hat 
keine aufschiebende Wirkung; die geforderte Abgabe muß trotz des Einspruchs zunächst 
vom Reklamanten entrichtet werden. 
über den Einspruch beschließt der Gemeindevorstand. Gegen den Beschluß ?' steht 
dem Pflichtigen binnen einer, mit dem ersten Tage nach erfolgter Zustellung beginnenden 
Frist von zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren offen.¾ Zuständig 
für dieses ist in erster Instanz bei Landgemeinden der Kreisausschuß, bei Stadtgemeinden 
der Bezirksausschuß. 
Die Klage ist gegen den Gemeindevorstand zu richten, welcher zur Wahrnehmung 
der Rechte der Gemeinde einen besonderen Vertreter bestellen kann.“ 
Sie hat zur not- 
wendigen Voraussetzung einen auf erhobenen Einspruch gefaßten Beschluß des Gemeinde- 
  
1 Wer bei Begründung eines Einspruchs 
wissentlich unrichtige oder auf etwaige Rückfragen 
der zuständigen Stelle unvollständige Angaben 
macht, wird straffällig nach §. 79 des K. A. G. 
Zweifelhaft erscheint, ob diese Straffälligkeit 
nur dann eintritt, wenn der Einspruch sich gegen 
eine Heranziehung zu Steuern richtet oder auch, 
wenn es sich um Gebübren und Beiträge han- 
delt. §. 79 spricht nur von „der Absicht der 
Steuerhinterziehung“, dem Wortlaute nach 
ist also nur diese strafbar, wenngleich es der 
Billigkeit und der Tendenz des Gesetzes ent- 
sprochen hätte, auch falsche Angaben, welche die 
Hinterziehung von Gebühren und Beiträgen 
bezwecken, zu bestrafen. Bei den Beratungen 
des Ges. im A. H. wurde übrigens §. 79 
legentlich ohne Widerspruch auch auf Gebühren 
und Beirräge bezogen. Stenogr. Ber. des A. H., 
1892/93, S. 2176, Abgeordneter Bohtz. 
: O. V. G., XII. S. 59: XV, S. 165. 
2 K. A. G., 5. 69. Abs. 2. Anfechtbar mit 
dem Einspruch sind jedoch fingiert veranlagte 
Krinzipalsäge: t Leidig, S. 322, Anm. 5, 
und O. V I. S. 28. 
5 L. . G., 1, S. 62; III, S. 88; 
IV, S. 107, 112, 117; V, S. 145; XIV. S. 190. 
Dasselbe gilt bezüglich der Verpflichtung zur 
Leistung von Naturaldiensten. 
* K. A. G., §. 75. Zahlt der Reklamant 
nicht rechtzeitig, so findet gegen ihn, ohne Rück- 
sicht auf das eingelegte Rechtsmittel, die Zwangs- 
vollstreckung statt, deren Kosten er zu tragen 
hat, wie auch die Entscheidung über das Rechts- 
mittel ausfallen mag; auch hat der Reklamant 
keinen Anspruch auf Verzugszinsen. O. V. G., 
VI, S. 134;. VIII, S. 16. 
· K. A. G., 8. 70. Auch dann, wenn die 
  
Veranlagung durch einen Steuerausschuß er— 
folgte. Ausf. Anw., Art. 45, Z. 2. 
Das Gesetz schreibt über die Form des Be- 
schlusses nichts vor. Die Ausf. Anw. ordnet 
schriftliche Abfassung desselben an. Art. 45, Z. 2. 
Das O. V. G. erachtete in einem Fall (VIII, 
S. 153) die Unterschrift des Gemeindevorstandes 
nicht als unbedingt erforderlich. An der Seite 
dieses Beschlusses war aber wenigstens das Wort 
„Gemeindevorstand“ gedruckt. 
s Es kann fraglich sein, von welchem Zeit- 
punkte an die zweiwöchentliche Frist läuft, wenn 
der Reklamant, anstatt gegen den Einspruchs- 
bescheid zu klagen, sich zunächst noch mit einer 
Gegenvorstellung gegen diesen an den Gemeinde- 
vorstand wendet und wenn letzterer dann auf 
Grund erneuter Prüfung der Sache dem Rekla- 
manten einen zweiten Bescheid zugehen läßt. 
Das O. V. G. hält nach der bei Nöll, S. 222, 
Anm. 5k citierten Entscheidung v. 6. März 1894, 
II, 236, dafür, daß ohne Rücksicht auf die Zeit 
des Erlasses und der Zustellung des ersten Be- 
scheides die Frist für die Anstellung der Klage 
gegen den anderweiten zweiten Bescheid erst von 
dessen Zustellung ab läuft. 
Die Innehaltung der gesetzlichen Klagefrist ist 
ebenso wie die der Einspruchsfrist vom Verwal- 
ungsrichter zu prüfen. O. V. G., V. S. 100; 
VI, S. 130; VII. S. 147; IX, S. 86; J, 
S. 53; XII, S. 62. Die gesetzliche Felge der 
Fristversäumung, Abweisung der Klage als ver- 
spätet, kann durch Vereinbarung der Parteien 
nicht beseitigt werden. O. V. G., XIV, S. 190. 
Betreffs Ausstellung der Vollmacht für den 
besonderen Vertreter durch den Gemeindevorstand 
vgl. à öll, S. 226, Anm. 10, und oben S. 133 
u. 194.
	        
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