322 Zweiter Abschnitt. (8. 89.)
II. Andere, nicht zu den direkten Steuern zu rechnende Gemeindeabgaben können
die Gemeinden ohne Unterscheidung, ob die Abgabe gar nicht oder mit einem zu geringen
Betrage erhoben ist, innerhalb der gesetzlichen Fristen nachfordern. Diese betragen
a) bei Verbrauchsabgaben ein Jahr vom Tage des Eintritts der Zahlungsverpflichtung
ab, b) bei sonstigen indirekten Steuern, Gebühren und Beiträgen — mit Ausnahme der
Bürgerrechtsgelder, Einkaufsgelder und Kurtaxen, welche unter besonderen Vorschriften
stehen 1 — sowie bei Kosten drei Rechnungsjahre seit dem Ablaufe desjenigen Rechnunze-
jahres, in welchem die Forderung entstanden ist. Naturaldienste können, sofern eine
Nachleistung nach den Zwecken der zu leistenden Dienste überhaupt noch möglich ist,
nur während der Dauer des laufenden Rechnungsjahres nachgefordert werden.?
B. Zur Hebung gestellte Gemeindeabgaben? und Kosten, welche im Rückstande
verblieben oder auch befristet sind, verjähren in vier Jahren von dem Ablaufe des
Rechnungsjahres an gerechnet, in welches der Zahlungstermin fällt. Unterbrochen wird
die Verjährung durch jede an den Pflichtigen erlassene Zahlungsaufforderung, durch
Verfügung der Zwangsvollstreckung und durch Stundung. Nach Ablauf des Rechnungs-
jahres, in welchem die letzte Aufforderung zugestellt, die Zwangsvollstreckung verfügt
oder die bewilligte Frist abgelaufen ist, beginnt eine neue vierjährige Verjährungsfrist.
C. Die Kosten der Veranlagung und Erhebung der Abgaben fallen gewöhnlich der
Gemeindekasse zur Last. Beteiligt sind aber außer dieser an der Kostentragung noch der
Staat und die Abgabepflichtigen selbst. 1) Der Staat hat die Kosten der Veranlagung
und Verwaltung der von ihm zu Gunsten der Gemeinden veranlagten Realsteuern zu
tragen, soweit sie nicht durch die den Gemeinden hierbei übertragenen Geschäfte ent-
stehen. Dafür fließt auch das Aufkommen an Gebühren, Kosten und Strafen im Gebiete
der Grund-, Gebäude= und Gewerbe-(Betriebs-ssteuer in die Staatskasse.“ 2) Der einzelne
Abgabepflichtige hat stets diejenigen Kosten zu tragen, welche er etwa zum Zwecke der
Ablieferung der Abgaben an die Gemeindekasse aufwenden muß, und außerdem hat er
der Gemeinde diejenigen Kosten zu erstatten, welche durch die gelegentlich eines Einspruchs
erfolgenden Ermittelungen veranlaßt werden, wenn sich seine Angaben in wesentlichen
Punkten als unrichtig erweisen. Die Festsetzung dieser Kosten kann nur in der Ent-
scheidung über den Einspruch erfolgen und ist anfechtbar mittels der Klage im Ver-
waltungsstreitverfahren.
D. Werden fällige Steuern, Gebühren, Beiträge und Kosten nicht zur rechten Zeit
entrichtet, so sind sie nach Maßgabe der Verordnung v. 7. Sept. 1879 (G. S., S. 591)“
im Verwaltungszwangsverfahren beizutreiben. Andere an die Gemeinden zu leistende
Vergütungen, wie z. B. Kurtaxen und ähnliche Leistungen mehr privatrechtlichen Charakters,
können nur dann im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden, wenn sie auf
Grund von der Ausfsichtsbehörde genehmigter Tarife erhoben werden.7
Wird die rechtzeitige Leistung von Naturaldiensten versäumt oder verweigert, so
kann der Gemeindevorstand die Dienste durch Dritte leisten und die entstehenden Kosten
von dem Säumigen im Verwaltungszwangsverfahren beitreiben lassen.
Kann eine Abgabenforderung nicht beigetrieben werden, so ist sie vom Gemeinde=
vorstande niederzuschlagen.
1 Vgl. oben S. 254, 255 u. 256, Anm. 5.
2 K. A. G., §. 87; Ausf. Anw., Art. 55.
2 Dazu gehören alle direkten und indirekten
Steuern, Gebühren, Beiträge, einschließlich der
Kurtaxen, nicht dagegen Entgelte für Benutzung
ewerblicher Unternehmungen, Bürgerrechts= und
inkaufsgelder. K. A. G., §§. 88, 96, Abs. 7;
Ausf. Anw., Art. 56; Nöll, S. 255, Anm. 3.
4 Ges. wegen Aufheb. dir. Staatsst., §. 14.
Nur wenn es sich im Bereiche der Katasterver-
waltung um die Ausführung von Neuver-
messungen ganzer Gemarkungen oder größerer
Teile von solchen handelt, welche seitens einer
Gemeinde oder der beteiligten Grundbesitzer be-
antragt sind oder vorzugsweise der Gemeinde
oder den beteiligten Grundbesitzern zum Vorteil
gereichen, kann der Staat sich teilweise Deckung
für die hierdurch entstehenden Kosten verschaffen.
Der Finan minister kann gemäß §. 14 a. a. O.
anordnen, daß diese Neuvermessungen zu unter-
bleiben haben, wenn die interessierten Gemein-
den und Grundbesitzer sich nicht bereit erklären,
einen Kostenbeitrag zu leisten; ein Zwang zur
Leistung desselben findet nicht statt. Mot. zu
diesem Ges., S. 32.
* K. A. G., §. 89.
6 v. Rönne, Preuß. St. R., I, S. 100, unter
III, C, S. 441.
7 K. A. G., §. 90, Abs. 1; Ausf. Anw., Art.
58; Nöll, S. 257, Anm. 2.
8 K. A. G., 8. 90, Absf. 2.