326 Zweiter Abschnitt. (8. 90.)
b) Die Zuschüsse der Betriebsgemeinden.
In Berücksichtigung des Umstandes, daß einer Gemeinde durch die Wohnsitz= bezw.
Aufenthaltsnahme zahlreicher Arbeiter, die nicht in ihr, sondern in großen Betrieben der
Nachbargemeinden beschäftigt werden, erhebliche Mehrausgaben für Zwecke des öffent-
lichen Volksschulwesens oder der öffentlichen Armenpflege erwachsen können, ohne daß
diesen Ausgaben entsprechende neue Einnahmen gegenüberstehen — hat das Kommunal=
abgabengesetz! solchen Arbeiterwohnsitzgemeinden unter gewissen Voraussetzungen gegen
die Betriebsgemeinden einen Anspruch auf Zuschüsse gegeben. Im einzelnen gelten
folgende Vorschriften:
I. Die Voraussetzungen für diesen Anspruch sind: 1) das Bestehen bestimmter
Betriebe in der Betriebsgemeinde, 2) die Entstehung besonders gearteter Mehrausgaben
in der Arbeiterwohnsitzgemeinde, und 3) das Nichtbestehen eines selbständigen Besteuerungs-
rechtes der Arbeiterwohnsitzgemeinde gegenüber dem die Mehrausgaben verursachenden
Betriebe.
1) Nur Gemeinden, in welchen Berg-, Hütten= oder Salzwerke, Fabriken oder
Eisenbahnen betrieben werden, bei denen auswärtige Arbeiter beschäftigt sind, können
von der Wohnsitzgemeinde der letzteren in Anspruch genommen werden; andere Betriebe,
besonders auch land= und forstwirtschaftliche, begründen niemals eine Zuschußpflicht der
Betriebsgemeinde.?
2) Der den Anspruch erhebenden Gemeinde müssen — was sie eventuell zu be-
weisen hat — ursächlich durch den Betrieb Mehrausgaben für Zwecke des öffentlichen
Volksschulwesens oder der öffentlichen Armenpflege erwachsen. Mehrausgaben für andere
als diese Zwecke, so z. B. solche für die öffentliche Sicherheit, den Wegebau u. s. w.
kommen überhaupt nicht in Betracht. Die Mehrausgaben für Volksschul- bezw. Armen-
zwecke müssen aber weiter, um den Anspruch zu begründen, noch eine doppelte Voraus-
setzung erfüllen: sie müssen im Verhältnis zu den für diese Zwecke ohne jene Betriebe
erforderlichen Gemeindeausgaben einen erheblichen Umfang erreichen, und sie müssen
zugleich geeignet sein, eine Üüberbürdung der Steuerpflichtigen herbeizuführen, d. h. sie
müssen verhältnismäßig wie auch absolut erhebliche sein.“
3) Keinen Anspruch hat diejenige Gemeinde, welche den Inhaber des die Mehr-
ausgaben verursachenden Betriebes wegen des ihm aus demselben zufließenden Ein-
kommens gemäß §. 35 des Kommunalabgabengesetzes selbständig zur Gemeindeein=
kommensteuer heranziehen kann, so z. B. eine Arbeiterwohnsitzgemeinde, in welcher sich
eine Verkaufsstätte oder eine Zweigniederlassung jenes Betriebes befindet. Aber nur
dieses lediglich durch den Betrieb begründete Besteuerungsrecht schließt den Anspruch
aus, er wird nicht berührt durch ein der Gemeinde aus anderen Gründen (Wohnsitz,
Grundbesitz) dem Unternehmer gegenüber zustehendes Besteuerungsrecht.5
1 K. A.
Grundz., irte.
2 Daß die Vl riebsgemeinde der Arbeiter-
wohnsitzgemeinde benachbart sei, ist nicht er-
forderlich, wesentlich ist nur, daß die in letzterer
4 53; Ausf. Anw., Art. 38; Kis derselben Entsch. d. O. V. G. im Pr. V. Bl.,
IV, S. 631) beschäftigten Arbeiter nicht aus-
geschlossen.“ Komm. Ber. des A. H., S. 162;
Stenogr. Ber. des A. H., S. 2112; vgl. auch
Grundz., a. a. O., 1, bb; Nöll, S. 188, Anm. 5.
Gemeinde Wohnenden bei einem in der ersteren
belegenen Betriebe beschäftigt werden. Komm.
Ber. des A. H., S. 162.
3 „Als solche Lasten können im allgemeinen
nicht diesenigen angesehen werden, welche durch
Personen erwachsen, die bei Gründung des
Werkes in der Arbeiterwohngemeinde bereits
wohnhaft (einheimisch) waren und demnächst auf
dem Werke Arbeit gefunden; es werden viel-
mehr regelmäßig nur die später zugezogenen
Arbeiter in Betracht kommen. Unter dieser
Voraussetzung ist die Anwendung auch auf die
in der sogen. Hausindustrie (vgl. über den Be-
4 Aus den Grundz., a. a. O., cc: „Der erste-
ren Voraussetzung würde z. B. nicht genügt
werden, wenn auch ohne den Zuzug fremder
Arbeiter neue Schuleinrichtungen getroffen wer-
den müßten. Die letztere Voraussetzung trifft
nur dann zu, wenn die durch die Mehrausgaben.
verursachte steuerliche Belastung an sich und im
Vergleiche mit anderen Gemeinden eine unge-
wöhnlich hohe sein würde.“ Bgl. auch Nöll,
S. 189, Anm. 16 u. 17, und Ausf. Anw.,
Art. 38, Z. 1, b.
5 Ausf. Anw., Art. 38. Z. 1, a; Nöll, S.
188, Anm. 4.