Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

344 Zweiter Abschnitt. (8. 95.) 
nügen geeignet waren. Die Abtrennung eines solchen Gutes von dem Gemeindebezirk 
sollte nach Anhörung des Kreistages mit Genehmigung des Ministers des Innern vor- 
genommen werden, wenn die Vertretungen der beteiligten Gemeinden und der beteiligte 
Gutsbesitzer darin einwilligten. In Ermangelung solcher Einwilligung blieb die Ent- 
scheidung dem Könige nach Anhörung des Kreistages vorbehalten.I Die westfälische 
Kreisordnung hat dann unter Aufhebung aller Vorrechte der Rittergüter erklärt, daß die 
vorhandenen Gutsbezirke bestehen bleiben, und daß neue Gutsbezirke auf dem angegebenen 
Wege gebildet werden können, daß jedoch die Rittergutsqualität für die zum Gutsbezirke 
zu erhebende Besitzung nicht mehr erforderlich ist.? — In Westfalen können also 
Gutsbezirke nur durch einen besonderen Staatshoheitsakt entstanden sein, und jeder Be- 
sitzer, welcher für sein Gut die Gutsbezirksqualität in Anspruch nimmt, muß den Erlaß 
nachweisen, durch welchen dem Gute diese kommunale Stellung verliehen ist. 
Die Aufhebung eines Gutsbezirks setzt ebenso wie in den östlichen Provinzen 
königliche Genehmigung voraus. Für die Auflösung und die demnächstige Behandlung 
der Teile des zerstückelten Gutsbezirks gelten die auf voriger Seite mitgeteilten Rechts- 
sätze. Die Entziehung ver Selbständigkeit durch Umkommunalisierung des ganzen Guts- 
bezirks erfolgt nach den oben S. 163 unter 2 und S. 165 unter b entwickelten 
Gesichtspunkten. 
III. In Schleswig-Holstein ist ähnlich wie in den alten Provinzen zwischen 
den historisch entstandenen und den durch besonderen Staatsakt gebildeten Gutsbezirken 
zu unterscheiden. Zu den ersteren gehören diejenigen adeligen Güter, welche bereits in 
vorpreußischer Zeit als selbständige behandelt wurden, außerhalb jedes Gemeindeverbandes 
standen, und in denen der Gutsherr allein alle öffentlichen Lasten zu tragen hatte; zu 
den letzteren dagegen diejenigen Besitzungen, welche erst nach Emanation der preußischen 
Verordnung v. 22. Sept. 1867 (G. S., S. 1603) zu selbständigen Gutsbezirken erhoben 
sind."“ Seit dieser Verordnung ist in Schleswig-Holstein die Entstehung neuer ebenso 
wie die Aufhebung bestehender Gutsbezirke stets von ausdrücklicher königlicher Genehmigung 
abhängig. Im einzelnen gelten jetzt hier genau dieselben Vorschriften wie in den 
östlichen Provinzen. 
IV. In Hannover nehmen die in den hannöverschen Gemeindebezirken als „vom 
Gemeindeverbande ausgenommene selbständige Besitzungen“ bezeichneten Bezirke die 
Stellung von Gutsbezirken ein.“é Diese kommunale Selbständigkeit mußte schon in der 
hannöverschen Zeit stets durch besonderen Staatshoheitsakt verliehen werden. Unter 
Voranstellung des Satzes: „Jeder Landeseinwohner, jedes Grundstück und jedes Haus 
muß in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse einer Gemeinde angehören“, bestimmt 
das noch heute gültige hannöversche Gesetz v. 28. April 18597, daß „die Grundstücke 
größerer Domanial-, Kloster= und sonstiger Güter und Höfe“ wie auch „größere un- 
bebaute Grundbesitzungen“ unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen von dem An- 
schluß an eine Gemeinde ausgenommen werden können. Diese Voraussetzungen sind 
folgende: 1) Die betreffenden Grundstücke, einschließlich der Wohn= und Wirtschafts- 
gebäude, dürfen nicht mit den zur Gemeinde gehörigen Grundstücken im Gemenge liegen, 
oder es muß von ihnen mindestens die Hälfte der Gemeindelasten getragen werden; 
gleichzeitig muß 2) die Vereinigung mit der Gemeinde für eine gute Gemeindeverwaltung 
nicht zweckmäßig sein, und endlich 3) der Ausschluß von dem Besitzer oder der Gemeinde 
  
1 L. G. O. w., §§. 3 u. 6, Abs. 4. „Anstalten, 
welche zur Befriedigung eines gemeinsamen Be- 
dürfnisses des Gutes und der Gemeinde dienen, 
sollen nach deren Trennung gemeinschaftlich 
bleiben, wenn auch nur der eine Teil darauf 
anträgt, und die Gemeinschaft ohne Nachteil 
für den anderen Teil fortbestehen kann.“ §. 3 
cit., Abf. 3. 
: Kr. O. w., §. 23. An Stelle der Anhörung 
des Kreistages ist nach Zust. G., §. 25, Abs. 1 
u. 3 die Anbörung des Kr. A. getreten. 
* L. G. O. w., S. 6. 
* Val. Verhandl. des 26. schleswig holstein- 
  
schen Provinziallandtages, Anlage A. S. 12 
u. 19 
* Vdg. von 1867, §. 1; L. G. O. schlesw.“ 
holst., §. 2; oben S. 343 unter 2. 
" Kr. O. hann., §8§. 21 u. 36 ff. Uber den 
Begriff des selbständigen Gutsbezirks in Han- 
nover, die Entstehung und Aufbebung des- 
selben vgl. O. V. G., XIX, S. 152. 
Ges. betr. die Abänderung des §. 12 des 
Ges. v. 5. Sept. 1848 über verschiedene Ande- 
rungen des Landesverfassungsgesetzes (bann. 
G. S., S. 389); abgedruckt bei v. Brauchitsch, 
Ergzbd. f. Hannover, S. 4.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.