Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 98.) 353 
Gemeinden die Zahl der von ihnen zu wählenden Abgeordneten fest, jede Bürgermeisterei- 
versammlung muß aber aus mindestens zwölf Mitgliedern bestehen. Die Bürger— 
meistereiverordneten müssen zugleich Mitglieder des Gemeinderates sein, welcher sie wählt, 
und sie bleiben nur so lange, als sie dies sind, Mitglieder der Bürgermeistereiversamm- 
lung; wird ein solcher Gemeindeverordneter nach Ablauf seiner Wahlperiode von neuem 
in den Gemeinderat gewählt, so tritt er damit noch nicht ohne weiteres auch wieder in 
die Bürgermeistereiversammlung ein, sondern muß für diese neu gewählt werden. Zum 
Eintritt in die Amts= und Bürgermeistereiversammlung besteht dieselbe Verpflichtung wie 
zum Eintritt in die Gemeindevertretung, auch wird die Erfüllung dieser Pflicht in 
gleicher Weise erzwungen; die Beschlußfassung über das Vorhandensein eines Ablehnungs- 
grundes sowie über die Verhängung einer Strafe steht naturgemäß der Amts= bezw. 
Bürgermeistereiversammlung zu.1 
Die Amts= und die Bürgermeistereiversammlung tritt auf Berufung des Amtmanns 
bezw. Bürgermeisters zusammen. Dieser oder bei seiner Verhinderung der stellvertretende 
Beigeordnete führt auch den Vorsitz mit vollem Stimmrechte und entscheidet bei Stimmen- 
gleichheit. Außer im Falle der Vertretung des Amtmanns oder Bürgermeisters haben 
die Beigeordneten kein Stimmrecht, werden aber stets zur Versammlung eingeladen. Ist 
auch der Stellvertreter an der Führung des Vorsitzes verhindert, so geht diese auf den 
ältesten Gemeindevorsteher über. Beschlußfähig sind die Versammlungen, wenn mehr 
als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Falls eine Bürgermeistereiversammlung 
hiernach beschlußunfähig ist, können zur Ergänzung der erforderlichen Mitgliederzahl 
andere Mitglieder derjenigen Gemeinderäte einberufen werden, deren Abgeordnete nicht 
erschienen sind; die Reihenfolge bestimmt sich dabei nach der Stimmenmehrheit, welche 
die Mitglieder bei der Wahl zum Gemeinderat erhalten haben. 
Im übrigen gelten für die Beschlußfassung, die Zuständigkeit und die Auflösung 
der Amts= und der Bürgermeistereiversammlung analog die oben für die Gemeinde- 
vertretungen erörterten Grundsätze. Die Auflösung einer Amts= oder Bürgermeisterei- 
versammlung kann sich aber nur auf die gewählten Mitglieder erstrecken; nur für diese 
haben Neuwahlen stattzufinden.? 
2) An der Spitze des Amtes steht der Amtmann, an der Spitze der Bürger- 
meisterei der Bürgermeister.) Beide werden von dem Oberpräsidenten auf Lebens- 
zeit ernannt. Zu beiden ümtern sollen an erster Stelle angesehene Personen des 
Bezirks, insbesondere größere Grundbesitzer im Ehrenamte berufen werden. Ein Amt- 
mann oder Bürgermeister mit Besoldung soll nur bestellt werden, wenn ein geeigneter 
Ehrenamtmann oder Ehrenbürgermeister nicht zu gewinnen ist. Zur ehrenamtlichen 
Verwaltung einer Bürgermeister= oder Amtmannstelle sind geeignete Personen ebenso 
verpflichtet wie sonst die Gemeindemitglieder zur Wahrnehmung unbesoldeter Gemeinde- 
ämter, jedoch wird als ein genügender Ablehnungsgrund auch die Größe des Geschäfts- 
umfanges anerkannt, wenn derselbe nach Ermessen des Kreisausschusses die an ein 
Ehrenamt zu stellenden Ansprüche übersteigt. Dieser Ablehnungsgrund ist in Westfalen 
singulärer Weise innerhalb zwei Wochen nach der Bekanntmachung der Ernennung an 
den Beteiligten durch Klage bei dem Kreisausschusse geltend zu machen, welcher darüber 
endgültig entscheidet." 
Die Ernennung erfolgt auf Grund von Vorschlägen des Kreisausschusses, welche 
dieser nach Anhörung der Amts= bezw. Bürgermeistereiversammlung zu machen hat. 
Falls der Oberpräsident den sämtlichen Vorschlägen des Kreisausschusses keine Folge 
geben will, so bedarf er hierzu der Zustimmung des Provinzialrates. Lehnt der Pro- 
  
1 L. G. O. w., §. 75; Kr. O. w., §. 24; 
L. G. O. rh., §. 110; Kr. O. rh., §. 25. 
1 L. G. O. w., §§. 76 u. 82; rh., 9§. 111 u. 
112, und Art. 28 des Ges. v. 15. Mai 1856. 
:* In Landbürgermeistereien, welche aus einer 
Gemeinde bestehen, ist der Bürgermeister stets 
zugleich Gemeindevorsteher. Kr. O. rh., §. 23, 
Abs. 7. Die Vorschrift, daß der Bürgermeister 
einer mehrere Gemeinden umfassenden Bürger- 
Schoen. 
  
meisterei gleichzeitig Gemeindevorsteher seiner 
Wohngemeinde sein kann (§. 74 der G. O. rh.), 
ist durch §. 23 cit. aufgeboben. Sie gilt aber 
in Westfalen für den Amimann. L. G. O. w., 
§. 69, Abs. 3. 
4 L. G. O. w., §. 69, Abs. 1 u. 8§. 70, 71, 
Abs. 1; Kr. O. w., §. 27, Abs. 1, u. S. 8, Abs. 7; 
L. G. O. rh., §. 103; Kr. O. rh., §. 24, Abs. 1 
u. 2, u. §. 25. 
23
	        
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