Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 98.) 355 
Im einzelnen vollzieht sich die Kommunalverwaltung im Amte und in der Bürger— 
meisterei ganz analog der in der Einzelgemeinde 1, die Vertretung ist das beschließende, 
der Vorsteher das ausführende Organ. Während erstere aber lediglich Organ der 
Samtgemeinde ist und sich prinzipiell jeder Einwirkung auf die individuellen Angelegen- 
heiten der einzelnen Gemeinden zu enthalten hat 2, vereinigt letzterer in sich drei Funk- 
tionen: er verwaltet alle Angelegenheiten der Samtgemeinde; er beaufsichtigt die Ver- 
waltung der zur Samtgemeinde gehörigen Gemeinden und leitet sie direkt in allen 
wichtigen Punkten #; er ist endlich unmittelbares Organ des Staates und handhabt als 
solches die Ortspolizei im ganzen Bezirk der Samtgemeinde. Die Amter und Bürger- 
meistereien sind befugt, ihre eigentümlichen Verhältnisse in gleicher Weise wie die Ge- 
meinden durch statutarische Anordnungen zu regeln, welche der Genehmigung des 
Kreisausschusses bedürfen.“ Die Kosten der Verwaltung werden, falls die Beteiligten 
sich nicht anderweitig darüber einigen, von den zur Samtgemeinde gehörigen Einzel- 
gemeinden und selbständigen Gütern nach dem Verhältnisse der Staatssteuern 5, aus- 
schließlich der Steuer für den Gewerbebetrieb im Umherziehen und der Ergänzungssteuer, 
aufgebracht. Steuerpflichtig sind also, wie bei den Provinzialabgaben, nicht die einzelnen 
Individuen, sondern die Kommunalverbände, und diese haben ihrerseits die abzuführenden 
Steuerbeträge gleich ihren anderen kommunalen Bedürfnissen aufzubringen.“ Das Etats- 
  
mehr als eine, aber nicht alle Einzelgemeinden 
eines Amtes ein gemeinschaftliches Interesse 
baben, kann mit Zustimmung der beteiligten 
Gemeinden und selbständigen Gutsbesitzer ein 
besonderer Verband gebildet werden. Diese An- 
gelegenheiten gehören alsdann zum Geschäfts- 
kreise des Amtmanns und der Amtsversamm- 
lung; jedoch haben die Vertreter der nicht 
beteiligten Gemeinden über sie nicht mitzu- 
beschließen. §S. 5 cit., Abs. 2. In der Rhein- 
provinz gehören solche Angelegenheiten ohne 
weiteres zum Geschäftskreise des Bürgermeisters 
und der Bürgermeistereiversammlung. Sind 
ferner in der Rheinprovinz Gemeinden aus 
verschiedenen Bürgermeistereien bei einer Ange- 
legenheit beteiligt, so erfolgt deren Beratung 
durch eine aus den Bürgermeistereivertretern der 
betreffenden Gemeinden gebildete Versammlung. 
Der Vorsitz in dieser Versammlung und die 
Verwaltung solcher Angelegenheiten steht dem- 
jenigen Bürgermeister zu, in dessen Bezirk der 
Gegenstand des gemeinsamen Interesses liegt 
und, wo sich hiernach die Kompetenz nicht be- 
stimmen läßt, dem an Dienstjahren ältesten. 
Art. 15 des Ges. v. 15. Mai 1856. 
1 L. G. O. w., §. 76; rh., §. 111. 
: L. G. O. rh., §. 109. 
Die Fälle, in welchen der Amtmann bezw. 
der Bürgermeister direkt in die Verwaltung der 
Einzelgemeinden eingreift, sind bereits bei 
Schilderung der Verfassung und Verwaltung 
der letzteren gelegentlich erwähnt. Hier mögen 
sie nochmals zusammengesaht werden. 1) In 
beiden Provinzen haben die Vorsteher der Samt- 
gemeinden folgende Befugnisse: a) sie leiten die 
Wahlen der Gemeindevertreter und ordnen die 
außerordentlichen Ersatzwahlen an (L. G. O. w., 
§. 28; rh., §. 54); b) sie führen den Vorsitz in 
der Gemeindeversammlung (L. G. O. w., §. 31; 
rh., §. 63); c) Beschlüsse, die nicht unter ihrem 
Vorsitz gefaßt sind, müssen ihnen vor der Aus- 
führung vorgelegt werden (L. G. O. w., §. 31, 
Abs. 2zurh., 8. 67); d) sie haben ein Beanstan- 
dungsrecht gegenüber gewissen Beschlüssen der 
Gemeindeversammlung (L. G. O. w., §. 37; rh., 
  
§. 88, Abs. 3 u. 4); e) sie ernennen die zu 
mechanischen Dienstleistungen bestimmten Unter- 
beamten (L. G. O. w., §. 43; rh., §. 78); 0 sie 
entwerfen den Gemeindehaushaltsetat in Ge- 
meinschaft mit dem Gemeindevorsteher, erklären 
die Heberollen der Gemeinden für vollstreckbar, 
revidieren die Gemeinderechnungen und sind be- 
rechtigt, die Licitationstermine zur Veräußerung 
der Grundstücke abzuhalten (L. G. O. w., §§. 46, 
48, 31 u. 53, Z. 5; rh., §§. 89, 90, 91 u. 95, 
Z. 5; Ges. v. 15. Mai 1856, Art. 9). 2) Weiter 
ist noch der Bürgermeister der Rheinprovinz 
kompetent: a) zur Berufung der Gemeindever- 
sammlung wie zur Feststellung der Tagesord- 
nung und regelmäßiger Sitzungstage für die 
Gemeindeversammlung (L. G. O., §. 62); b) zur 
Leitung des gesamten Etats-, Kassen= und Rech- 
nungswesens und zur Führung des Lagerbuchs 
(L. G. O., §§. 89—94); c) zur Leitung der Ver- 
handlungen in den Kommissionen (L. G. O., S. 68); 
d) zur Ausführung aller Gemeindeangelegen- 
heiten, soweit dieselben nicht dem Gemeindevor- 
steher gesetzlich überwiesen sind (L. G. O., §. 85). 
* L. G. O. w., §. 13; rh., §. 11. 
5 Bezw. nach dem Verhältnis der vom Staate 
veranlagten Beträge an Grund-, Gebäude= und 
Gewerbesteuer. §. 5 des Ges. w. Aufheb. dir. 
Staatsst. v. 14. Juli 1893. 
* L. G. O. w., §. 77. Ein umständlicheres 
Verfahren schreibt die L. G. O. rh., §. 113 vor; 
danach ist das Verhältnis, in welchem die ein- 
zelnen Gemeinden zu den Bedülrfnissen der 
Bürgermeisterei beizutragen haben, durch den 
Kr. A. nach Vernehmung der Bürgermeisterei- 
versammlung festzusetzen. Wenn die Abgeord- 
neten einzelner Gemeinden diese durch die Er- 
klärung der Bürgermeistereiversammlung für 
benachteiligt halten, so können sie ihren beson- 
deren Antrag dem Kr. A. mit vorlegen. Die 
Verteilung auf die einzelnen Gemeinden soll 
auch hier, wenn nicht besondere Verhältnisse ein 
anderes notwendig machen, z. B. wenn die Ge- 
meinden ein ungleiches Interesse bei einer Aus- 
gabe haben, nach Maßgabe der Staatssteuern 
erfolgen. 
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